Redebeitrag von Finanzminister Jens Bullerjahn anlässlich der Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt (22./23. März 2007)
Ministerium der Finanzen - Pressemitteilung Nr.: 08/07 Ministerium der Finanzen - Pressemitteilung Nr.: 08/07 Magdeburg, den 22. März 2007 Redebeitrag von Finanzminister Jens Bullerjahn anlässlich der Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt (22./23. März 2007) TOP 1. a) Aussprache zur Großen Anfrage Strukturreform der Finanzverwaltung in Sachsen-Anhalt Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS b) Neugliederung der Finanzverwaltung nur durch Gesetz Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS Anrede, gestatten Sie mir zunächst ein paar Vorbemerkungen zur Großen Anfrage. Die Thematik ¿Strukturreform der Finanzverwaltung in Sachsen-Anhalt¿ ist Ihnen als solche nicht unbekannt ¿ unter anderem habe ich dazu im Rahmen der Fragestunde zur 9. Sitzungsperiode des Landtages ausführlich (auch auf Grund von einigen Anfragen dazu) vorgetragen. Wie Ihnen bekannt ist, hat die Koalition in ihrer Vereinbarung vom 18. April 2006 festgelegt, die Zahl der Landesbehörden in allen Bereichen der Verwaltung durch Zusammenlegung und Vergrößerung der Zuständigkeitsbezirke zu reduzieren. Das Ziel dabei ist, die Verwaltung weiter zu verschlanken und somit einen wirtschaftlichen Einsatz von Personal und Haushaltsmitteln zu forcieren. Ein Blick zurück: Bereits im März 2005 hatte das Finanzministerium eine Überprüfung der Struktur der Finanzverwaltung durch die OFD Magdeburg in Auftrag gegeben. Der hierzu von der OFD vorgelegte Zwischenbericht ging von der Prämisse einer vollständigen Einräumigkeit der Verwaltung mit einem Finanzamt an jedem neuen Kreissitz aus. Durch diese Variante hätte zum einen eine Vielzahl bestehender Finanzamtsgebäude ohne Nachnutzungsperspektive aufgegeben werden müssen und zum anderen wäre die Errichtung oder Anmietungen neuer Liegenschaften für die dann größeren Finanzämter notwendig geworden. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine Reduzierung von Finanzamtsstandorten nicht wirtschaftlich gewesen. Das jetzige Ergebnis der OFD Magdeburg ist auch mit dem im Januar 2006 vorgelegten Zwischenbericht der OFD Magdeburg vereinbar. Ich möchte hierzu aus dem Zwischenbericht der OFD zitieren: ¿Die Zahl der Finanzämter sollte nur dann reduziert werden, wenn durch die Zusammenlegung in der Bilanz Haushaltseinsparungen realisiert werden.... Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass eine konkrete Aussage hierzu noch der eingehenden Analyse ... bedarf, die ich Ihnen mit meinem Abschlussbericht vorlegen werde.¿ Der Abschlussbericht stellt insoweit keine Abweichung, sondern eine bereits angekündigte Weiterentwicklung des Zwischenberichtes dar. Die Überprüfung im Weiteren hat somit ergeben, dass in den landeseigenen Finanzamtsliegenschaften aufgrund des sich verringernden Personalbedarfs Raumreserven entstanden sind bzw. entstehen werden. Dies war ein Ansatzpunkt für die Zusammenlegung von Finanzämtern. Die Bewirtschaftung von unproduktiven Flächen ist nicht zweckmäßig und somit kann erst bei der vollständigen Aufgabe eines Standortes eine nachhaltige Kosteneinsparungen realisiert werden. Künftige Standorte der Finanzämter werden: Bitterfeld, Dessau, Eisleben, Genthin, Haldensleben, Halle, Magdeburg, Merseburg, Naumburg, Quedlinburg, Salzwedel, Staßfurt, Stendal und Wittenberg sein. Die Finanzamtsstandorte in Halberstadt, Köthen, Sangerhausen, Wernigerode und Zeitz werden aufgegeben. Die jeweils zwei Stadtfinanzämter in Magdeburg und Halle werden zu je einem Finanzamt pro Stadt zusammengeführt. Die Entscheidung für dieses Strukturkonzept wird im Betrachtungszeitraum von 10 Jahren nach vorsichtigen Schätzungen zu Haushaltseinsparungen von rd. 17 Mio. ¿ führen. Anrede, nach diesen allgemeinen Anmerkungen möchte ich weiter auf die Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS eingehen: Mit der Großen Anfrage vom 18. Dezember 2006 wird die Landesregierung um Stellungnahme zur beschlossenen Strukturreform der Finanzverwaltung gebeten. Sie geht dabei insbesondere auf die Schwerpunktbereiche: · Zielstellung der Umstrukturierungen, · Quantität und Qualität der Dienstleistung, · Wirtschaftlichkeit der Umstrukturierung sowie · Personalfragen ein. Wie eben schon erwähnt, ist es Ziel der Landesregierung ¿ bedingt durch die demographische Entwicklung und zurückgehende Haushaltsmittel in unserem Land - die Anzahl der Landesbehörden durch eine Verwaltungsreform anzupassen. Dies wird unter anderem zur weiteren Senkung der Ausgaben des Landes für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben führen. Die Finanzverwaltung hat deshalb die Reduzierung von Finanzamtstandorten unter Auslastung der in den landeseigenen Liegenschaften vorhandenen Flächenreserven geprüft. Durch das beschlossene Konzept werden die weiterhin genutzten landeseigenen Liegenschaften weitgehend ausgelastet. Unwirtschaftliche Leerstände werden vermieden. Auf Anmietungen wie bisher kann vollständig verzichtet werden. Somit kann der Landeshaushalt durch den Wegfall der Mietausgaben und insgesamt geringeren Bewirtschaftungskosten entlastet werden. In Gesprächen mit Vertretern der Finanzämter und den Personalvertretungen wurde wiederholt die Einrichtung von Außenstellen an den Standorten, an denen Finanzämter aufgelöst werden sollen, angeregt. Dazu möchte ich anmerken, dass - unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung ¿ solche Außenstellen mit einem organisatorischen, technischen und somit auch finanziellen Mehraufwand verbunden sind. Zudem hat die Praxis gezeigt, dass diese von den Bürgern nur geringfügig genutzt werden. Auf Grund der Strukturreform werden keine Personalreduzierungen für die steuerfachlichen Aufgaben in den Finanzämtern verbunden sein. Klar ist aber auch ¿ und das werden Sie im noch zur Beratung anstehende Personalentwicklungskonzept wieder finden ¿ dass die Finanzverwaltung in Sachsen-Anhalt auf Grund des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs weiter zurückgeführt werden muss. Die derzeitigen Personalreduzierungen werden sich auf die durch die Aufgabe von Standorten realisierbaren Einsparungen im Leitungsbereich sowie den Inneren Diensten beschränken. Sie wird im Rahmen der natürlichen Personalfluktuation in Form von bewilligten Altersteilzeitanträgen bzw. dem regulären Eintritt in Rente oder Ruhestand erfolgen. Die Neugestaltung der Finanzamtsstruktur wird keine Auswirkung auf die Qualität der von der Finanzverwaltung zu erbringenden Dienstleistungen haben. In Bezug auf die Qualität und Quantität der Dienstleistungen steht zwar immer die Wahrung der Einräumigkeit der Verwaltung im Blickpunkt, aber trotz aller Bemühungen wird der Grundsatz der Einräumigkeit der Verwaltung nicht für die Zuständigkeitsbezirke aller Finanzämter umgesetzt werden können. Eine vollständige Umsetzung der Einräumigkeit ist aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht tragbar. Mit dem eGovernment-Projekt ELSTER ¿ kurz Elektronische Steuererklärung ¿ können die Bürger ihre Steuererklärung elektronisch an das zuständige Finanzamt übermitteln. Dieses Angebot macht schon jetzt den herkömmlichen ¿Gang zum Finanzamt¿ entbehrlich. So können steuerliche Belange schnell und einfach von zu Hause aus erledigt werden und ein persönlicher Kontakt zum Finanzamt wird ¿ wenn überhaupt - in immer wenigeren Fällen erforderlich. Ein wesentliches Thema der Großen Anfrage ist die Wirtschaftlichkeit der Strukturreform. Die Neugestaltung der Finanzverwaltung wird ¿ wie bereits ausgeführt - zu (vorsichtig geschätzten) Kosteneinsparungen im Betrachtungszeitraum von rund 17 Mio. ¿ führen. Dies belegt die Notwendigkeit der Überprüfung der vorhandenen Strukturen. Natürlich gibt es auch Risiken bei der Umsetzung des Konzepts. So würde z.B. eine verzögerte Realisierung der einzelnen Baumaßnahmen auch zu zeitlichen Verzögerungen bei den Standortschließungen führen. Die Veräußerung von Liegenschaften bzw. die Aufgabe von angemieteten Objekten wäre dann erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Beispiel: Die Sanierung der sog. ¿Scheibe C¿ in Halle als Standort für das neue Finanzamt ist als Grundpfeiler für die Umsetzung des Strukturkonzepts im Süden Sachsen-Anhalts unabdingbar. Die bisher zu Finanzamtszwecken genutzten landeseigenen Gebäude in Halle sind stark sanierungsbedürftig. Ich bin aber zuversichtlich, dass alle Beteiligten die notwendigen Anstrengungen für eine termingerechte Fertigstellung der bereits von der früheren Landesregierung beschlossenen Baumaßnahmen unternehmen werden. Neben den notwendigen ¿Baukosten¿ werden darüber hinaus Kosten für die Umzüge der Behörden, die IT-Ausstattung sowie Reisekosten anfallen. Die schon jetzt erkennbaren Aufwendungen sind in der durchgeführten Kosten-Nutzen-Analyse enthalten. Die Einsparungen aus der Zusammenlegung von Finanzämter sind dabei berücksichtigt worden. In der Kosten-Nutzen-Analyse wurden umfassend die monetären Auswirkungen der Strukturreform betrachtet. Sie stellt neben den monetären Kennwerten auch die nicht in Geld zu bewertenden Aspekte und Wirkungen dar und entspricht somit den Anforderungen der Landeshaushaltsordnung nach einer umfassenden Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Nutzen und Kosten. Anrede, in der Großen Anfrage wird auch auf die Resonanz der von der Landesregierung getroffenen Entscheidungen bei den Beschäftigten bzw. deren Vertretungen eingegangen. Die von Standortschließungen betroffenen Beschäftigen stehen naturgemäß der Strukturreform kritisch gegenüber. So bedingt eine Standortschließung in der Regel einen Dienstortwechsel, der ggf. mit längeren Anfahrtszeiten oder mit einem Wechsel des Aufgabengebiets verbunden ist. Hier werden bei der Umsetzung der Reform durch die Personaldienststellen in enger Abstimmung mit den Personalvertretungen Lösungen gesucht werden, die den Bedürfnissen der Beschäftigten soweit wie möglich entsprechen. Die Steuerverwaltung wird deshalb die Beschäftigten in die Umsetzungsplanungen einbeziehen und Dienstortwechsel über nicht unmittelbar betroffene Finanzämter in Form sog. ¿Kettenversetzungen¿ anbieten. Dieser Mehraufwand für die Personaldienststellen wird durch die Steuerverwaltung erbracht werden, um sozial verträgliche und den Bedürfnissen der Beschäftigten entsprechende Lösungen zu finden. Lassen Sie mich noch auf ein vorgebrachtes Argument - welches sich gegen die Strukturreform richtet ¿ eingehen: Die Schließung eines Finanzamtes kann für die betroffene Stadt sowie die Region eine wirtschaftliche Schwächung bedeuten. Wir haben uns bemüht - in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Kommunen ¿ eine für alle Beteiligten zufrieden stellende wirtschaftliche Lösungen zu erreichen. Die nach bekannt werden der Planungen der Landesregierung zur Strukturreform der Finanzverwaltung eingegangenen Angebote zur Unterbringung der Finanzämter wurden berücksichtigt. Die durchgeführten Kosten-Nutzen-Analysen haben gezeigt, dass die ausgewählten Liegenschaften den Interessen der Steuerverwaltung und den gesamtgesellschaftlichen Interessen am weitesten entgegenkommen. Abschließend möchte ich feststellen, dass in Abwägung aller Argumente für und gegen die Strukturreform aus meiner Sicht deutlich geworden ist, dass das beschlossene Standortkonzept strukturpolitisch ausgewogen ist und die verschiedenen gesellschaftlichen Zielsetzungen angemessen berücksichtigt. Die persönlichen Interessen der Bürger auf eine wohnortnahe Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen sind ebenso wie die übergreifenden Interessen in Bezug auf eine effiziente und kostengünstige Verwaltung in die Konzeption eingeflossen. Auflösen lässt sich dieser Zielkonflikt aber nicht in jedem Fall. Anrede, lassen Sie mich nun auf den im Zusammenhang mit der Neugliederung der Finanzverwaltung gestellten Antrag der Linkspartei.PDS eingehen. Die Linkspartei.PDS hat beantragt, dass ein Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Finanzverwaltung vorgelegt werden soll. Sie begründet die Erforderlichkeit mit einem Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes. Hiernach sei für die Neuordnung der Finanzverwaltung eine gesetzliche Regelung erforderlich, soweit die Anzahl der Finanzämter reduziert wird. Dies soll aus § 7 Abs. 3 und 4 Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz folgen, der durch § 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Finanzverwaltung nicht verdrängt werde. Auch wenn die Rechtsauffassung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes nicht mit der bisher von der Landesregierung vertretenen Auffassung übereinstimmt, möchte ich vorausschicken, dass ich die Einwendungen ernst nehme. Lassen Sie mich kurz ausführen: Schon im Jahre 2002 bei der Erarbeitung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes wurde vom Finanzministerium darauf hingewiesen, dass im Entwurf ein klarstellender Hinweis ¿Von diesem Gesetz unberührt bleiben die Landesfinanzbehörden nach § 2 FVG¿ aufgenommen wird. Innerhalb der damaligen Kabinettsbehandlungen wurde diese Notwendigkeit durch die Juristen der Stk, des MJ und des MI nicht gesehen (was Ihnen, Herr Prof. Paque, nicht unbekannt sein dürfte). Es bestand damals ¿ wie auch heute noch ¿ die Auffassung, dass zur Änderung der Anzahl von Finanzbehörden keine gesetzliche Regelung notwendig ist. Unbestritten war und ist, dass der Sitz, so wie auch der Bezirk von Finanzbehörden, ebenfalls nicht durch Gesetz zu regeln ist. Hinsichtlich der Anzahl der Finanzbehörden besteht nunmehr auf Grundlage der jetzt geltenden Rechtslage eine unterschiedliche Auffassung zwischen Landesregierung und dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Hierzu noch eine Anmerkung: Nach unserem Kenntnisstand wurden Änderungen hinsichtlich der Anzahl der Finanzämter auch in anderen Ländern ¿ wie dies auch bei uns beabsichtigt war ¿ im Anordnungs- bzw. Verordnungswege geregelt. Nachfragen in den von vergleichbaren Verwaltungsmodernisierungsmaßnahmen in den letzten Jahren ¿betroffenen" Ländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ergaben, dass auch in diesen Ländern die Änderung der Aufbaustruktur im Verordnungswege geregelt wurde. Anrede, klar ist, dass wir an der Umsetzung der Reform festhalten werden und weiterhin die notwendigen Maßnahmen vorbereiten. Da wir allerdings vermeiden möchten, dass die Strukturveränderungen in der Finanzverwaltung einer permanenten kritischen juristischen Auseinandersetzung unterliegen, werden wir im Wege einer gesetzgeberischen Klarstellung das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz ändern. Die Änderung wird dahin gehend sein, dass das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz nicht auf die Landesfinanzämter anwendbar ist. Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil wir in Zukunft weitere Veränderungen in der Finanzverwaltung unseres Landes vornehmen werden müssen. Insofern werden wir den Antrag der Linkspartei.PDS ¿ welcher die Klarstellung fordert ¿ nutzen, um zum einen in den Ausschüssen für Finanzen, Inneres und Justiz sowohl über das Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes als auch über unsere Rechtsauffassung zu diskutieren und zum anderen als Landesregierung gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die von mir soeben erwähnte Gesetzesänderung zügig in Angriff genommen wird. Anrede, um es nochmals deutlich zu sagen, die Landesregierung wird die von ihr beschlossenen Änderungen in Bezug auf Anzahl, Sitz und Bezirk umsetzen. Ich sage aber zu, dass wir bis zu der dazu notwendigen Beschlussfassung keine rechtlichen Verpflichtungen eingehen werden, um dem parlamentarischem Prozess nicht vorzugreifen. Ich denke, damit ein Verfahren gefunden zu haben, welches allen Interessen gerecht wird. Ich danke für die Aufmerksamkeit! 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