Runder Tisch plädiert für Unterstützung von pflegenden Angehörigen
Runder Tisch plädiert für Unterstützung von pflegenden Angehörigen Dessau-Roßlau. In Sachsen-Anhalt werden rund 71 Prozent aller Pflegebedürftigen zu Hause betreut, der Großteil von ihnen durch Angehörige oder nahe stehende Menschen. Oft sind die Pflegenden selbst vielfältigen Belastungen ausgesetzt, sei es sozialer, finanzieller, zeitlicher, körperlicher oder psychischer Natur. Nicht selten berichten sie, wie sie die Pflege eines nahestehenden Menschen an die Grenzen ihrer körperlichen und seelischen Kraft bringt. Die Situation pflegender Angehörigen im Land sowie Möglichkeiten der Unterstützung stand beim heutigen Runden Tisch Pflege im Mittelpunkt. Zur sechsten Auflage der Veranstaltungsreihe, die auf Einladung des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration stattfindet, tauschten sich Vertreter aus Wissenschaft, Praxis und Politik im Dessauer Rathaus aus. ?Pflegende Angehörige benötigen selbst Unterstützung?, sagt Staatssekretärin Beate Bröcker. ?Sie tragen eine hohe Verantwortung und dürfen damit finanziell und organisatorisch nicht allein gelassen werden.? Auch die Gesundheitsberatung pflegender Angehöriger weise noch Defizite auf. Eine Studie zeige, dass rund drei Viertel der Befragten, die selbst pflegen, keine Beratung zur eigenen Gesundheit von einem Pflegeberater erhalten haben. In Zeiten gesetzlicher Beratungsansprüche durch die Pflegekasse oder die beauftragten Pflegedienste müsse hier nachjustiert werden, so Bröcker. ?Pflegende Angehörige sind die größte Pflegestelle der Nation?, sagt Prof. Thomas Klie. Der Verwaltungs- und Rechtswissenschaftler von der Evangelischen Hochschule in Freiburg beschäftigt sich seit langem intensiv mit dieser Personengruppe, die oftmals im Abseits der öffentlichen Wahrnehmung steht. Zum Großteil handelt es sich bei den Pflegenden um Frauen im Alter von 45 und 70 Jahren. Studien zufolge fehle es Pflegenden häufig an bezahlbarer fachlicher Unterstützung und zeitlicher Entlastung, so Klie. Der Alterswissenschaftler plädierte für ?sorgende Gemeinschaften? aus Professionellen, An- und Zugehörigen, Freunden und Nachbarn. ?Pflegende Angehörige bedürfen der privaten aber auch der politischen Aufmerksamkeit, sollen sie nicht an ihren Aufgaben scheitern?, sagt Klie. Sabrina Mewes-Bruchholz, Quartiersmanagerin bei den Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg, bestätigt die Erkenntnisse aus ihrer Berufspraxis. Angehörige seien demnach oft mit der Pflegesituation überfordert und überlastet, verfügten über wenig Informationen zu bestehenden Leistungen und sind dazu oft mit Schuld- und Schamgefühlen konfrontiert, die schließlich in Frustration und Resignation münden. Mewes-Bruchholz hebt den Ansatz der Quartiersarbeit hervor, denn nach wie vor liege in der Vernetzung und Aktivierung vieler Beteiligter vor Ort der Schlüssel für eine Unterstützung. Nach der aktuellen Sonderauswertung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sind bundesweit rund 3,3 Millionen Menschen pflegebedürftig, etwa zwei Drittel von ihnen werden zu Hause versorgt. Dabei trägt jeder elfte Beschäftigte neben seiner Berufstätigkeit die Verantwortung für eine oder mehrere pflegebedürftige Personen, dafür werden im Durchschnitt wöchentlich 13,3 Stunden aufgewendet. 71 Prozent der Betroffenen berichten von zeitlichen Vereinbarkeitsproblemen, bei 29 Prozent ist dies sehr häufig der Fall. Lediglich fünf Prozent nehmen laut DGB-Untersuchung eine zusätzliche Auszeit für die Pflege in Anspruch. Hintergrund: Der Runde Tisch Pflege ist ein vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration ins Leben gerufenes Gremium, das an unterschiedlichen Orten Sachsen-Anhalts tagt. Dabei geben Vertreter von Trägern, Vereinen, Verbänden, Wissenschaft, Gewerkschaften und der Politik der Pflege in Sachsen-Anhalt eine starke Stimme. Vergangene Treffen widmeten sich beispielsweise der Fachkräftesituation in der Pflege, der Pflegeausbildung, der vernetzten Pflegeberatung und den neuen Wohnformen.
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