Pressemitteilung: 079/2025
Magdeburg, den 23.06.2025

Antidiskriminierungsstellen in Sachsen-Anhalt ziehen Bilanz: Hemmschwelle für unverhohlene Abwertungen sinkt

Magdeburg. Im Anschluss an den Anfang Juni vorgestellten Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben die Antidiskriminierungsberatungsstellen in Sachsen-Anhalt Bilanz über ihre Arbeit im Jahr 2024 gezogen.

Eine wachsende Zahl an unverhohlen in der Öffentlichkeit geäußerten Abwertungen gegenüber bestimmten Gruppen spiegelt sich auch in den Beratungsfällen wider. Mit der „Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt“ (Träger: Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH), den Antidiskriminierungsprojekten des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e. V. (LAMSA) sowie OFEK Sachsen-Anhalt stehen in Sachsen-Anhalt fachlich spezialisierte Beratungsstellen zur Verfügung. Während LAMSA bei merkmalsübergreifender, aber vor allem rassistischer Diskriminierung berät, unterstützt OFEK Sachsen-Anhalt in Fällen antisemitischer Gewalt und Diskriminierung. Die Antidiskriminierungsstelle der Halleschen Jugendwerkstatt berät bei Diskriminierung aufgrund von rassistischer Zuschreibung und ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität.

Staatssekretärin Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte der Landesregierung, dankt den Beratungsstellen für ihren Einsatz: „Menschen, die Diskriminierung erfahren, dürfen nicht allein gelassen werden. Es braucht viel Kraft und Mut, sich zur Wehr zu setzen. Die Beratungsangebote stärken Betroffene, geben Orientierung und helfen, Rechte geltend zu machen. Gleichzeitig ist es unser Ziel, durch Aufklärung und Sensibilisierung Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie in Bildungseinrichtungen langfristig entgegenzuwirken. Der Schutz vor Diskriminierung ist für ein respektvolles und demokratisches Miteinander in Sachsen-Anhalt unverzichtbar.“

Im Jahr 2024 konnten die Antidiskriminierungsstellen in rund 270 Fällen Unterstützung anbieten.

Die Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt ist zentrale Anlaufstelle für Menschen, die Diskriminierungen im Alltag erleben – sei es am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen oder im Kontakt mit Behörden. Insgesamt wurden 133 Fälle registriert. Wie in den Vorjahren bezog sich der Großteil der Meldungen auf rassistische Zuschreibungen bzw. ethnische Herkunft (27 %), gefolgt von Diskriminierung wegen einer Behinderung sowie intersektionalen Benachteiligungen. Mit festen Standorten in Magdeburg, Halle und Stendal sowie mobiler Beratung im Burgenlandkreis konnte in den ländlichen Regionen die Erreichbarkeit und Sichtbarkeit der Beratungsangebote weiter gesteigert werden. Projektleiterin Janine Weidanz bilanziert: „Der Diskurs um Diskriminierung nimmt zu. Diskriminierung wird sichtbarer, aber gleichzeitig von gesellschaftlichen und politischen Strukturen zunehmend toleriert oder verharmlost. Damit ist Antidiskriminierungsberatung wichtiger denn je, insbesondere auch in ländlichen Räumen.“

OFEK Sachsen-Anhalt mit Sitz in Halle (Saale) hat im 2024 35 komplexe Beratungsfälle mit antisemitischem Hintergrund aufgenommen und umfassend beraten. Fast die Hälfte der Fälle betraf Vorfälle im öffentlichen Raum, gefolgt von antisemitischen Diskriminierungen in Bildungseinrichtungen. Seit seiner Gründung im Jahr 2021 unterstützt OFEK Sachsen-Anhalt Betroffene, ihre Angehörige und Zeuginnen und Zeugen von Antisemitismus bei Diskriminierung, Bedrohung und Gewalt. Besonders seit dem 7. Oktober 2023 verzeichnet die Beratungsstelle einen signifikanten Anstieg antisemitischer Vorfälle – darunter gezielte Sachbeschädigungen und Gewaltandrohungen. Die Beratungszahlen spiegeln nicht nur statistische Entwicklungen wider, sondern verdeutlichen auch die anhaltenden Belastungen und Sicherheitssorgen von Jüdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt. „Bundesweit hatte OFEK sogar eine vierstellige Anzahl an Beratungsfällen. Hinter diesen Zahlen stehen Menschen, mit ihren ganz individuellen und spezifischen Lebensrealitäten, ihre sozialen Erfahrungen, ihren Sicherheitsbedenken und dem Antizipieren möglicher Vorfälle, genauso wie ihren Bewältigungsstrategien. Für Betroffene stellen antisemitische Vorfälle keine singulären oder gar abstrakten Ereignisse dar, sondern reale und durchgehende Kontinuitäten, die nachhaltig ihren Alltag prägen. OFEK Sachsen-Anhalt bietet bei allen Formen von Antisemitismus Unterstützung“, sagt OFEK-Beraterin Elitsa Kirova.

In Halle, Dessau und Magdeburg berät die Beratungsstelle ENTKNOTEN Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. Die Beratung will Betroffene dazu ermutigen, ihre Rechte wahrzunehmen und Diskriminierung nicht schweigend hinzunehmen. Im Jahr 2024 konnten 60 Fälle begleitet und juristische sowie psychosoziale Unterstützung angeboten werden. Die häufigsten Vorfälle wurden aus dem öffentlichen Raum und im Kontakt mit Behörden gemeldet. Seit der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist die Zahl rassistisch motivierter Angriffe gegen Menschen mit Migrationsgeschichte in Magdeburg deutlich gestiegen. In den Regionen Anhalt-Bitterfeld, dem Landkreis Wittenberg und der Stadt Dessau-Roßlau wurden durch die Antidiskriminierungsberatung Anhalt über 40 Fälle bearbeitet. „Ob herkunftsbezogene oder merkmalübergreifende Beratungsfälle, die betroffenen Personen erleben die Diskriminierung als massiven Eingriff auf die Lebensqualität. Die damit einhergehende Einschränkung alltäglichen Lebens berührt nicht nur Sicherheitsfrage der Einzelnen, sondern unsere zentrale demokratische Werte wie Freiheit, Selbstbestimmung, Minderheitsschutz aber auch Teilhabe. Daher sollten wir uns verstärkt die gemeinsame Anstrengung darauf richten, wie wir die Gesamtgesellschaft gestalten, in der alle Menschen diskriminierungs-/angstfrei entfalten und das Vertrauen miteinander aufbauen können.“, sagt Mika Kaiyama vom Projektträger Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e. V..

Liegt ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, bieten die Beratungsstellen vorjuristische Unterstützung an. Dazu gehört das Verfassen von Beschwerden an die verantwortlichen Stellen, woraufhin eine schriftliche Stellungnahme erfolgen kann. Im weiteren Verlauf sind moderierte Gespräche oder Vermittlungsverfahren möglich, um Diskriminierung sichtbar zu machen, abzubauen und strukturellen Veränderungen anzustoßen.

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