Mehr Hilfe für Gewaltbetroffene: Sachsen-Anhalt stärkt vertrauliche Spurensicherung
Magdeburg. Sachsen-Anhalt baut das Hilfenetz für Betroffene von sexualisierter und häuslicher Gewalt weiter aus. Mit insgesamt acht Kliniken, in denen eine vertrauliche Spurensicherung in Anspruch genommen werden kann, ist dieses Angebot nun nahezu flächendeckend im Land verfügbar.
Dieses medizinische Angebot ermöglicht es Gewaltbetroffenen, nach einer Tat in einem geschützten Rahmen Spuren zu sichern, ohne dass sofort eine Anzeige erstattet werden muss. Als das Projekt zur Vertraulichen Spurensicherung (VSS) in Sachsen-Anhalt im Herbst 2024 startete, standen Betroffenen mit den Universitätskliniken in Halle und Magdeburg zunächst zwei Anlaufstellen zur Verfügung. Über diese beiden Standorte hinaus können sich Betroffene nun auch an folgende Einrichtungen wenden:
- Evangelisches Krankenhaus Paul Gerhardt Stift in Wittenberg
- Asklepios Klinik in Weißenfels
- Johanniter Krankenhaus in Stendal
- Helios-Klinik in Sangerhausen
- Carl-von-Basedow Klinikum in Merseburg
- Städtisches Klinikum in Dessau.
Gleichstellungsministerin Petra Grimm-Benne betont: „Menschen, die Gewalt erfahren haben, benötigen oftmals etwas Zeit bis sie weitere Schritte einleiten können. Außerdem kostet es Mut und Kraft, sich zur Wehr zu setzen. Mit der vertraulichen Spurensicherung geben wir den Betroffenen Zeit, diesen Mut zu finden, und nehmen ihnen zugleich den Druck, sich sofort entscheiden zu müssen. Mein besonderer Dank gilt dem Netzwerk Evidence für den Aufbau und die Weiterentwicklung dieses wichtigen Hilfeangebotes.“
Dr. med. Carolin Richter vom Rechtsmedizinischen Institut der Universitätsmedizin Halle (Saale) erklärt: „Die vertrauliche Spurensicherung ist mehr als ein Projekt – es ist eine sichere Anlaufstelle für Gewaltbetroffene. Jetzt müssen wir dieses Netzwerk weiter mit Leben füllen, es bekannt machen, weiterentwickeln und konsequent für Gewaltbetroffene zugänglich halten. Wir alle müssen dafür sorgen, dass es nicht nur existiert, sondern funktioniert.“
Umgesetzt wird das Projekt „Netzwerk Evidence“ durch das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Halle, das neue Netzwerkpartner gewinnt, medizinisches Personal in diesem sensiblen Handlungsfeld schult und einheitliche Materialien für die Sicherung von Spuren bereitstellt. Alle Netzwerkpartner verfolgen das Ziel, die vertrauliche Spurensicherung im ganzen Land wohnortnah und niedrigschwellig möglich zu machen und Gewaltbetroffenen die Möglichkeit zu geben, die eigenen Rechte auch nachträglich geltend zu machen.
Bei der VSS werden Beweise am Körper und der Kleidung der Betroffenen gesichert, sachgerecht dokumentiert und anschließend beim Netzwerk Evidence bis zu 30 Jahre lang aufbewahrt. Entscheiden sich die Betroffenen während dieser Zeit für eine Anzeige, können sie der Polizei erlauben, auf die eingelagerten Beweise zurückzugreifen.
Betroffene sollten sich zeitnah, bestenfalls unmittelbar nach der erfahrenen Gewalt in den Notaufnahmen der genannten Kliniken melden und um eine vertrauliche Spurensicherung bitten. Den Betroffenen steht frei, in welchem Umfang sie sich zum Vorfall äußern und welche Untersuchungen sie durchführen lassen möchten. Jedoch: Der Umfang der gesammelten Spuren kann in einem möglichen späteren Ermittlungsverfahren die Beurteilbarkeit erhöhen. Die persönlichen Daten werden für eine mögliche spätere Zuordnung der Spuren erfasst, aber streng vertraulich behandelt. Niemand, nicht einmal die Krankenkasse erfährt, dass das Angebot in Anspruch genommen wurde. Die beteiligten Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal unterliegen der Schweigepflicht. Die Abrechnung erfolgt vollständig anonymisiert. Die Kosten für die VSS werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Hintergrund:
Sachsen-Anhalt verfügt über ein flächendeckendes Netz an Schutz- und Hilfeeinrichtungen für von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder. Dieses umfasst 19 Frauenhäuser sowie zehn ambulante Beratungsstellen, vier Fachberatungsstellen für Betroffene sexualisierter Gewalt mit derzeit fünf Außenstellen, vier Interventionsstellen bei Stalking und häuslicher Gewalt, die Fachstelle VERA sowie die Fachstelle Täterarbeit ProMann. Darüber hinaus stehen den Frauen und Kindern in den Frauenhäusern zusätzlich mobile Teams zur psychologischen Begleitung während des Aufenthaltes zur Verfügung. Die Organisation des landesweiten Netzwerkes der Einrichtungen erfolgt durch die Landeskoordinierungsstelle zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure zur Umsetzung der Istanbul-Konvention.
Informationen über die Hilfsangebote vor Ort sind unter www.gewaltfreies-sachsen-anhalt.de zu finden. Zudem bietet das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter www.hilfetelefon.de oder 116 016 rund um die Uhr kostenfreie Beratung in 20 Sprachen.
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