Konferenz des Forums für Wirtschaft und Arbeit in Halle? Mehr Markt für den Arbeitsmarkt ? mehr Beschäftigung ist möglich!?
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - Pressemitteilung Nr.: 150/05 Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - Pressemitteilung Nr.: 150/05 Magdeburg, den 2. November 2005 Konferenz des Forums für Wirtschaft und Arbeit in Halle¿ Mehr Markt für den Arbeitsmarkt ¿ mehr Beschäftigung ist möglich!¿ Das Forum für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt ¿ die gemeinsame Dialogplattform von Wirtschaft und Politik - hat heute in Halle auf einer Arbeitsmarktkonferenz über Wege aus der Massenarbeitslosigkeit beraten. Über 150 Gäste, darunter Landes- und Kommunalpolitiker sowie Arbeitsmarkt- und Sozialexperten, hörten Fachvorträge renommierter Arbeitswissenschaftler. Bei einer Podiumsdiskussion suchten führende Vertreter der Landespolitik nach Antworten zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation auch in Sachsen-Anhalt. ¿Wir haben der Konferenz ein sehr optimistisches Motto gegeben¿, sagte Wirtschaftsminister Dr. Horst Rehberger, der zugleich Vorsitzender des Forums für Wirtschaft und Arbeit ist: ¿Mehr Markt für den Arbeitsmarkt ¿ mehr Beschäftigung ist möglich!¿ Da stehe, so Rehberger, bewusst kein Fragezeichen. ¿Wir haben damit deutlich gemacht, wohin nach unserer Überzeugung die Reise gehen muss.¿ Diese Ausgangsthese wurde von allen Referenten bestätigt. ¿Massenarbeitslosigkeit ist in Deutschland schon seit fast drei Jahrzehnten ein gravierendes Problem, weil wir keinen Markt haben am Arbeitsmarkt. Solange wir das nicht ändern, bleiben durchgreifende Erfolge aus¿, konstatierte Prof. Dr. Norbert Berthold von der Universität Würzburg. ¿Je stärker die Politik versucht, mit ihren Mitteln Arbeitslosigkeit abzubauen und damit in den Markt eingreift, desto stärker steigt die Arbeitslosigkeit¿, so sieht es Berthold. ¿Denn Politik kann keine Beschäftigung im 1. Arbeitsmarkt schaffen ¿ sie organisiert Beschäftigungsmöglichkeiten am 2. und 3. Arbeitsmarkt, die sofort in Konkurrenz treten zum 1. Arbeitsmarkt.¿ Ziel der Konferenz war auch eine kritische Würdigung staatlicher Versuche, in den Arbeitsmarkt lenkend einzugreifen und so die Massenarbeitslosigkeit abzubauen. Ob Euro-Jobs, Einstiegsgeld oder Mini-Jobs, ob Hartz 1 oder Hartz 2 und Hartz 3 ¿ all diese Experimente, so Prof. Dr. Christoph Schmidt vom RWI Essen und Dr. Alexander Spermann vom Zentrum Europäischer Wirtschaftsforschung Mannheim, blieben mehr oder weniger wirkungslos. ¿Die Hoffnungen, mit den Hartz-Reformen die Arbeitslosenzahlen zu halbieren oder zumindest um zwei Millionen zu senken, erwiesen sich als Illusion¿, so Prof. Dr. Hermann Scherl von der Universität Erlangen. Schon die Ausgangsthese war realitätsfremd, meint Scherl: ¿Es wurde so getan, als sei die hohe Arbeitslosigkeit in erster Linie ein Problem mangelhafter Arbeitsvermittlung; man müsse dort den Hebel ansetzen, dann werde das Problem aus der Welt geschaffen.¿ Spermann und der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Bruno Kaltenborn stellten neue Arbeitsmarktmodelle vor. Sie sollen vor allem im Niedriglohnsektor Beschäftigung schaffen. Denn bisherige Ansätze von Kombilöhnen und Lohnkostenzuschüssen erwiesen sich in der Praxis als kaum durchsetzbar, weil sie unter anderem sowohl für die Beschäftigten als auch für die Verwaltung viel zu kompliziert sind. Was aber verbirgt sich hinter der Forderung: Mehr Markt im Arbeitsmarkt? Deutschland, so hieß es im Verlauf der Diskussion, gehört zu den Ländern mit ausgesprochen starker zentralistischer Regulierung des Arbeitsmarktes. ¿Wir schlagen zuviel über einen Leisten¿, meine Dr. Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung Nürnberg. Regionale und betriebliche Unterschiede finden kaum Beachtung, der Arbeitsmarkt wird zentralistisch gelenkt und finanziert, ein Wettbewerb findet nicht statt am Arbeitsmarkt, so die Thesen der Wissenschaftler. Sie plädieren für eine Übertragung der Arbeitsmarktpolitik in kommunale Verantwortung ¿ mit allen finanziellen Befugnissen und mit dem Recht, regional zu experimentieren ¿ soll heißen: Mehr Flexibilität bei Löhnen und Arbeitszeiten zulassen, neue Formen der Tarifautonomie mit betrieblichen Bündnissen und ertragsabhängigen Löhnen, mehr Platz für Experimente, um die wirklich wirksamen Methoden im Praxistest zu ermitteln. Dieser Umbruch in der Arbeitsmarktpolitik müsse einhergehen mit einem deutlichen Abbau von Lohnzusatzkosten, sei es durch Steuern oder soziale Sicherungssysteme. ¿Die entscheidende Weichenstellung muss durch den Bund kommen¿, meinte denn auch Minister Rehberger, der wie andere Konferenzteilnehmer große Erwartungen in die jetzt laufenden Koalitionsverhandlungen setzt. Sachsen-Anhalts DGB-Vorsitzender Udo Gebhardt warnt allerdings vor zu rigorosen Einschnitten: ¿Bei den Wahlen zum Bundestag haben die Wähler entschieden, was reguliert und was dereguliert werden soll. Sie haben sich auf keinen Fall für einen totalen Umbruch entschieden.¿ Den will auch keiner der Konferenzteilnehmer. Mehr Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt ¿ ja, aber nicht gegen den Markt, sondern mit dem Markt und vor allem für den Markt. Der Sozialstaat soll sich konzentrieren auf sein Kerngeschäft: Absicherung gegen die Wechselfälle des Lebens. Das schließt durchaus die Notwendigkeit ein, einen Niedriglohnsektor zu installieren, der gering Qualifizierten den Weg in Beschäftigung ebnet. Deutschland muss den Spagat meistern zwischen der Bewahrung sozialstaatlicher Prinzipien und einem wirklichen Arbeitsmarkt, denn die permanent desolate Lage am Arbeitsmarkt gefährdet Wachstum und Wohlstand und drängt die sozialen Sicherungssysteme an den Rand des Abgrunds. Das gefährdet die Demokratie, wenn damit extremen Parteien der Nährboden bereitet würde. 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