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Magdeburg, den 28.03.2010

?Forum für Wirtschaft und Arbeit? verabschiedet Thesen zur Bildungspolitik Wirtschafts- und Arbeitsminister Haseloff: "Duale Berufsausbildung darf nicht zur "Restgröße" werden"

Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - Pressemitteilung Nr.: 050/10 Ministerium für Wirtschaft und Arbeit - Pressemitteilung Nr.: 050/10 Magdeburg, den 29. März 2010 ¿Forum für Wirtschaft und Arbeit¿ verabschiedet Thesen zur Bildungspolitik Wirtschafts- und Arbeitsminister Haseloff: "Duale Berufsausbildung darf nicht zur "Restgröße" werden" ¿Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes kann nicht nur mit Fördermitteln angestoßen werden. Eine zunehmende Bedeutung erlangen nicht-monetäre Standortfaktoren. Derzeit können schon bei einem Drittel der ausbildenden Unternehmen die Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Hauptgrund ist die mangelnde Ausbildungsreife vieler Bewerber. Der Bildungspolitik kommt daher mit Blick auf die Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs eine zentrale Rolle zu.¿ Das sagte heute Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Reiner Haseloff anlässlich der Vorstellung der vom ¿Forum für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt¿ erarbeiteten Thesen zur Bildungspolitik. Die Thesen umfassen Vorschläge und Forderungen für alle Phasen des Lernens ¿ von der frühkindlichen Bildung über die schulische und berufliche Ausbildung bis hin zum lebenslangen Lernen und zur Qualifizierung während der Berufsausübung. Das Forum will eine breite Diskussion anstoßen über eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben der Gegenwart. ¿Facharbeiter stellen mit über zwei Dritteln die übergroße Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung in Sachsen-Anhalt. Um auch künftig Wirtschaftswachstum zu erzielen, sind Facharbeiter in Größenordnungen erforderlich und müssen qualifiziert ausgebildet werden. Die duale Berufsausbildung darf im Wettbewerb mit den akademischen Abschlüssen nicht zu einer "Restgröße" werden¿, so Haseloff. Das Forum empfiehlt eine bessere Zusammenarbeit der Schulen mit der Wirtschaft, um eine optimale Berufsorientierung zu erreichen, sowie die Erhöhung des Praxisbezugs des Unterrichts durch eine verstärkte Nutzung von Schülerpraktika. Auch müssten die Potenziale frühkindlichen Lernens besser genutzt und die Berufsschulen in ihrem Kerngeschäft ertüchtigt werden. Das Forum ist der Auffassung, dass mehr Eigenverantwortung der Schulen ein Weg sein könnte, die Ausbildungsreife sowohl in den Grundkompetenzen (Deutsch und mathematische, naturwissenschaftliche und technische Fächer) als auch in den sozialen Fähigkeiten (Zuverlässigkeit, Team- und Konfliktfähigkeit, Leistungsbereitschaft) zu erhöhen. Eine stärker leistungsorientierte Vergütung können sich die Mitglieder des Forums ebenso vorstellen wie mehr Freiraum in Fragen des Budgets und Personals. Carola Schaar , Präsidentin der Industrie und Handelskammer Halle-Dessau, hob für die Industrie- und Handelskammern des Landes die Besonderheiten der dualen beruflichen Ausbildung hervor: ¿Die Jugendlichen lernen in der Schule und im Betrieb. Sie erwerben neben dem theoretischen Rüstzeug auch berufliche Erfahrung und Handlungsfähigkeit. Die Arbeit im Unternehmen mit den Kollegen befördert die sozialen Kompetenzen. Disziplin, Leistungsbereitschaft und Teamfähigkeit werden quasi nebenbei vermittelt, das ist der besondere Mehrwert der beruflichen dualen Ausbildung gegenüber Schule und Studium¿, so Schaar.   Der Präsident der Handwerkskammer Magdeburg, Werner Vesterling , betonte: ¿Niemand darf beim permanenten Veränderungsprozess im Handwerk zurückgelassen werden. Unsere Gesellschaft kann es sich auf Dauer nicht leisten auf Humanressourcen zu verzichten.¿ Der Präsident der Handwerkskammer Halle (Saale), Thomas Keindorf , unterstrich die Notwendigkeit der Sicherung des Fachkräftebedarfs in Sachsen-Anhalt: ¿Diese Aufgabe ist nur gesamtgesellschaftlich lösbar. Daher begrüßt das Handwerk, dass im Forum für Wirtschaft und Arbeit dazu die Grundlagen geschaffen wurden.¿ Der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, Klemens Gutmann, unterstrich: ¿Die Wirtschaft braucht praxis- und ergebnisorientierte Schulabsolventen, die ihre Chancen in der Arbeitswelt selbständig ergreifen. Hier stehen die Anforderungen der Unternehmen einerseits und die humanistisch geprägten Ziele der Schule andererseits oft in einem gewissen Spannungsfeld. Wir wollen unsere Forderungen nach qualitativen und inhaltlichen Verbesserungen der Schulausbildung so formulieren, dass sie mit den zentralen Bildungszielen in Einklang gebracht werden können. Wir glauben, dass uns das hier gelungen ist." Kay Senius , Vorsitzender der Geschäftsführung der BA-Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, sagte: ¿Aufgrund des demographisch bedingten Bewerberrückgangs nähern sich Angebot und Nachfrage am Ausbildungsmarkt in Sachsen-Anhalt zumindest rein rechnerisch rasant an. Doch der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung verläuft für Jugendliche mit schwächeren Leistungen nach wie vor nicht reibungslos. Aber auch diese jungen Menschen brauchen Erfolgschancen. Helfen kann hier beispielsweise eine frühzeitige, ideenreiche Berufsorientierung. Das unterstützen die Agenturen für Arbeit mit ihren Informations-, Beratungs-, Vermittlungs- und Förderdienstleistungen. Darüber hinaus ist das Engagement der Eltern und Lehrer gefragt. Und es muss immer mehr Unternehmern gelingen, Schülerinnen und Schüler für ihre Ausbildungsangebote zu begeistern. Auch ein leistungsschwächerer, aber für seinen Berufswunsch motivierter Schüler kann während der Ausbildung im Betrieb zur Hochform auflaufen.¿ Hintergrund: 2005 gab es in Sachsen-Anhalt 32.173 Schulabgänger, 2009 waren es nur noch 18.461. 10,7 Prozent hatten keinen Schulabschluss (2005 waren es noch 11,9 Prozent). Mehr als halbiert hat sich binnen vier Jahren die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber von 30.276 (2005) auf nur noch 14.538 (2009). Die demographischen Prognosen zeigen, dass sich dieses Bild nicht so schnell zum Besseren wandelt. Das ¿Forum für Wirtschaft und Arbeit¿ wurde 2002 gegründet. Ihm gehören Repräsentanten der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, der Industrie- und Handelskammern Magdeburg und Halle-Dessau, der Handwerkskammern Halle (Saale) und Magdeburg, des Landesverbandes der Freien Berufe Sachsen-Anhalt, der Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, des Landesvorstandsbüros des DGB sowie des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt an. Forum für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt Thesen zur Bildungspolitik in Sachsen-Anhalt 1. Berufliche Bildung anerkennen und duale Ausbildung stärken! Facharbeiter stellen mit über zwei Drittel die übergroße Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung (sv-pflichtig Beschäftigte nach Arbeitsortprinzip 68 Prozent) in Sachsen-Anhalt. Fast ein Zehntel der sv-pflichtig Beschäftigten sind akademisch gebildet und ebenfalls rund ein Zehntel hat keinen Abschluss. Um auch zukünftig Wirtschaftswachstum zu erzielen, sind Facharbeiter in Größenordnungen erforderlich und müssen ausgebildet werden. Die duale Berufsausbildung darf im Wettbewerb mit den akademischen Abschlüssen nicht zu einer ¿Restgröße¿ werden. Es kann nicht darum gehen, die Studierendenquote um ihrer selbst Willen zu erhöhen. Es geht an den Marktbedürfnissen vorbei, wenn die Hälfte eines Ausbildungsjahrgangs ein Studium aufnimmt. 2. Vorsorge durch Berufsorientierung!     Leider brechen immer noch zu viele Auszubildende und Studenten ihre berufliche Bildung bzw. ihr Studium ab. Es entstehen somit erhöhte Kosten für die Gesellschaft, aber auch für die Unternehmen. Besonders mit dem Projekt BRAFO wurde für Sekundarschulen landesweit ein einheitliches Instrument zur Berufsorientierung geschaffen. Das Forum für Wirtschaft und Arbeit setzt stark auf Verstetigung und verbindliche Ausgestaltung und Umsetzung dieses Ansatzes. Auch das Instrument ¿Berufswahlsiegel¿ - ein Wettbewerb, dem sich Schulen stellen können - muss landesweit eingesetzt werden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Einzelinitiativen. Im Bereich der Gymnasien ist noch Nachholbedarf erkennbar. Insbesondere sollte über die naturwissenschaftlichen und technischen Studienfächer informiert und dafür geworben werden, um den Anteil Studierender in diesen Studienrichtungen zu erhöhen. 3. Berufsschulen im Kerngeschäft ertüchtigen!         Aufgabe der Berufsbildenden Schulen ist es, theoretisches  Wissen im Rahmen der dualen Ausbildung zu vermitteln. In den Unternehmen werden die praktischen Kenntnisse vermittelt, Berufserfahrungen gesammelt und bestimmte soziale Kompetenzen, wie Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein im Arbeitsalltag erworben. Daher sollten vollzeitschulische Maßnahmen zurückgefahren werden, wenn eine gleichwertige duale Ausbildung existiert. Absolventen dualer Ausbildung haben auf Grund ihrer gesammelten Berufserfahrung größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. 4. Plurale, vielseitige und freie Weiterbildungslandschaft erhalten! Universitäten und Hochschulen sollen durch Angebote zur wissenschaftlichen Weiterbildung von Beschäftigten den Know-How-Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft unterstützen, aber keine Angebote im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung unterbreiten. 5. Potenziale frühkindlichen Lernens besser nutzen! Frühkindliche Bildung leistet einen wichtigen Beitrag, um soziale Ausgrenzung zu verhindern und verbessert die Zukunftschancen von Kindern. Die vorhandenen und derzeit neu eingeführten Bildungspläne in den Kindertagesstätten sind konsequent umzusetzen. Die Sprachförderung ist zu verbessern. Die Angebote der Stiftung ¿Haus der kleinen Forscher¿ sollten landesweit angenommen werden. 6. Das Niveau der Schulabgänger und -gängerinnen ist zu verbessern! Derzeit können bereits schon bei einem Drittel der ausbildenden Unternehmen Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Hauptgrund ist die mangelnde Ausbildungsreife vieler Bewerber. Die Jugendlichen, Eltern und Lehrkräfte sind für dieses Thema zu sensibilisieren. Es ist eine wichtige Aufgabe vor allem der Sekundarschule, die Ausbildungsreife der Jugendlichen weiter zu entwickeln. Dazu tragen Maßnahmen wie die Erhöhung der Kernfachstunden, weitere Stunden für die individuelle Förderung, die Erweiterung des Praxisbezuges durch Betriebspraktika sowie die neuen Lehrpläne für die Sekundarschule bei. Dazu gehört auch ein qualifiziertes Angebot an Ganztagsschulen. Besondere Aufmerksamkeit ist auf die Stärkung der Grundkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutsch und den MINT-Fächern zu legen. Auch soziale Fähigkeiten, wie Zuverlässigkeit, Team- und Konfliktfähigkeit sowie Tugenden wie Leistungsbereitschaft und Zielstrebigkeit müssen verstärkt vermittelt werden. 7. Qualitätswettbewerb im Schulsystem befördern! Mehr Eigenverantwortung der Schulen könnte ein Weg sein, die Qualität des Unterrichts zu heben. Dazu gehören zum Beispiel Fragen des Budgets und des Personals. Dafür ist es notwendig, den Schulen Bildungsstandards vorzugeben und die Einhaltung dieser Standards durch externe Prüfungen zu gewährleisten. Die Schulleiterinnen und Schulleiter sind so zu qualifizieren, dass sie in stärkerem Maße Verantwortung für die Personalgewinnung und ‑entwicklung sowie für die Leistungsbeurteilung der Lehrkräfte übernehmen. Ziel ist eine stärker leistungsorientierte Vergütung. Auch müssen die Lehrer stärker Eigenverantwortung für die Qualität ihrer Bildungsleistungen wahrnehmen und diese in Evaluierungsverfahren und Veröffentlichungen dokumentieren. 8. Berufliche Spitzenqualifikationen begrifflich adäquat fassen! Die Gleichwertigkeit von im Beruf erworbenen Handlungskompetenzen beruflich Gebildeter soll auch durch geeignete, international verständliche Abschlussbezeichnungen dokumentiert werden. Mit einer Weiterbildung zum Meister/zur Meisterin, Fachkaufmann/-frau oder Fachwirt/-in auf der Basis einer dualen Berufsausbildung und mehrjähriger Berufspraxis erreicht der Absolvent das Bachelor-Niveau. Daher fordert die Wirtschaft eine geeignete Bezeichnung, um auch im Ausland die erworbenen Kompetenzen und das vorhandene Niveau dieser Aus- und Weiterbildung sichtbar zu machen. Es geht nicht darum, eine bestimmte Bezeichnung durchzusetzen, sondern den Inhalt adäquat abzubilden. 9. Neue Lernkulturen stärken! Neuere Ergebnisse der neurologischen und pädagogischen Forschung weisen darauf hin, dass angewandte Lehrmethoden oftmals an den spezifischen Möglichkeiten der Jugendlichen von heute vorbei gehen, insbesondere an denen von Jungen. So soll zum Beispiel das Lernen effektiver werden, sobald die Jugendlichen aktiver in den Lernprozess eingebunden sind. Weg von einer so genannten  ¿Frontalbeschulung¿ hin zu interaktivem Lernen. Hierbei geht es insbesondere darum, mehrere Sinne gleichzeitig anzusprechen, so z. B. beim gleichzeitigen Lesen, Reden und Bewegen. Die individuellen, fächerübergreifenden Lehrpläne für Schüler/‑innen sollen auch die Zusammenarbeit der Fachlehrer bei der Erfüllung der Lehrpläne sichern. Förderangebote für spezifische Lernbereiche, schwächere und starke Jugendliche sind gefordert. Der Praxisbezug des Unterrichts ist durch eine stärkere Nutzung von Schülerpraktika in Unternehmen qualitativ anzureichern. Elektronische Lernmedien werden in ihren Möglichkeiten immer vielfältiger und können auch Praxis immer besser vermitteln. Einsatzmöglichkeiten für diese müssen geprüft und entwickelt werden. Für Sachsen-Anhalt ist dies insbesondere auf Grund der Ausdünnung ländlicher Räume durch den demografischen Wandel von besonderer Bedeutung. Impressum: Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Pressestelle Hasselbachstr. 4 39104 Magdeburg Tel: (0391) 567 - 43 16 Fax: (0391) 567 - 44 43 Mail: pressestelle@mw.sachsen-anhalt.de

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