Ministerium der Justiz
Begutachtung von Straftätern - Karin Schubert: Justiz und Psychiatrie müssen zum Schutz der Gesellschaft eng zusammenarbeiten
Magdeburg/ Halle. (MJ) Wie kann die Gesellschaft vor Gewalt- oder Straftätern geschützt werden? Immer wieder führt diese Frage zu heftigen - teils populistischen - Diskussionen in der öffentlichkeit. "So verständlich die Angst der Bevölkerung aber auch ist," so Sachsen-Anhalts Justizministerin Karin Schubert (SPD). "Die Diskussion darf nicht dazu führen, dass die Justiz ihr Augenmaß verliert. Insbesondere bei Straftätern mit psychischen Störungen ist eine angemessene Reaktion erforderlich. Fehleinschätzungen von derartigen Störungen können gerade auch für die Allgemeinheit fatale Folgen haben. Darum ist eine objektive und wissenschaftlich nachvollziehbare Beurteilung von Straftätern unerlässlich", betont die Ministerin anlässlich des Kongresses "Psychiatrie und Justiz" am heutigen Mittwoch in Halle.
Zur Bekämpfung von Sexual- und Gewalttaten verlangt das Gesetz seit zwei Jahren die enge Zusammenarbeit zwischen Justiz und Psychiatrie. Längst nicht mehr werden die Gutachter nur eingeschaltet, um die Schuldfähigkeit eines Straftäters zu beurteilen. Vielmehr geht es heute darum, Kriminalprognosen zu erstellen. Auf deren Grundlage hat die Justiz ihre Entscheidung zu treffen, welche Maßnahme erforderlich ist, um einen Rückfall des Straftäters zu verhindern und so die Allgemeinheit vor ihm zu schützen. Zusätzliche forensische Aufgaben kommen auf die Justiz und insbesondere den Justizvollzug aufgrund eines neuen Gesetzes zu, das von den Bundesländern spätestens bis zum 1. Januar 2003 die Errichtung sozialtherapeutischer Anstalten für behandlungsfähige Gewalt- und Sexualstraftäter fordert.
"Diese Sensibilisierung ist insbesondere im Umgang mit Sexualstraftätern erforderlich", ist Ministerin Schubert überzeugt. "Aber sie stellt die Verantwortlichen seitens der Justiz und der Psychiatrie vor eine enorme Verantwortung." Dieser könnten die Beteiligten nur gerecht werden, wenn sie eng zusammenarbeiteten und Wissen sowie Erfahrungen untereinander austauschten, so die Ministerin.
Karin Schubert begrüßt darum eine neue Analysemethode, die unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Marneros, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg und Gerichtsgutachter, entwickelt worden ist: Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens soll das "Angeklagten-Screening" Juristen die Möglichkeit geben, schnell zu erkennen, ob ein psychiatrisches Gutachten erforderlich ist. "Nach dem Hallenser Angeklagten-Projekt der beiden Experten ist dies eine weitere Möglichkeit, der Justiz Material und Hinweise für eine angemessene Beurteilung eines Straftäters zur Verfügung zu stellen", so die Justizministerin.
Zu Ihrer Information: Das Wort "forensisch" heißt "die Gerichtsverhandlung betreffend; gerichtlich". Als forensische Psychiatrie bezeichnet man daher die Erkennung und Behandlung seelischer Störungen und Geisteskrankheiten, die für die Gerichtspraxis von Bedeutung sind. Ein mögliches Beispiel ist die Frage nach der Schuldfähigkeit eines Straftäters. Um die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Psychiatrie zu verbessern, ist in Halle vor zwei Jahren ein Arbeitskreis Forensik gebildet worden.
Ziel ist die Fortbildung der Verantwortlichen beider Bereiche und ein fachübergreifender Erfahrungsaustausch. Darüber hinaus ist von den Professoren Dr. Andreas Marneros und Dr. Dieter Rössner von der Juristischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg das "Hallenser Angelagten-Projekt" entwickelt worden. Es erforscht psychische Störungen bei Straftätern und ist 1999 mit dem "Krafft-Ebing-Preis" ausgezeichnet worden. Der Kongress "Psychiatrie und Justiz" unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Marneros und Prof. Dr. Dieter Rössner findet heute und morgen im Melanchthonianum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg statt.
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