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Magdeburg, den 27.04.2000

Justizministerin Karin Schubert bei Europäischer Konferenz: "Sachsen-Anhalt prüft besseren Schutz vor häuslicher Gewalt"

Ministerium der Justiz - Pressemitteilung Nr.: 26/00 Magdeburg, den 28. April 2000 Justizministerin Karin Schubert bei Europäischer Konferenz: "Sachsen-Anhalt prüft besseren Schutz vor häuslicher Gewalt" Magdeburg/Mallorca (MJ) Sachsen-Anhalts Justizministerin Karin Schubert (SPD) fordert eine zügige Verbesserung der Gesetze zum Schutz von Frauen und Kindern, die Opfer von Gewalt im häuslichen Nahbereich geworden sind. "Das Land Sachsen-Anhalt prüft derzeit, in welcher Form durch Landesgesetze ein besserer Schutz vor Gewalt im sozialen Nahraum möglich ist", so die Ministerin bei dem "Europäischen Konferenz über Gewalt gegen Frauen und Kinder" in Calvia (Mallorca). "Allein in Sachsen-Anhalt suchen rund 1.100 Frauen Zuflucht in einem der Frauenhäuser", erklärt Karin Schubert. Die Ursache liege in der Mehrzahl der Fälle in vorangegangener Gewalt durch den Ehemann oder Partner. In vielen Fällen seien Kinder ebenfalls betroffen. "Es ist jedoch nicht einzusehen, dass die, die Opfer geworden sind, auch noch ihr gewohntes und vertrautes Umfeld verlassen müssen", kritisiert die Ministerin. Dass eine schnelle räumliche Trennung in derartigen Situationen jedoch absolut erforderlich sei, wird ihrer Ansicht nach durch die polizeiliche Statistik belegt: Mehr als drei viertel aller Morde und rund einviertel aller Totschläge sind im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt innerhalb der Familie verübt worden. "Ziel zum Schutz von Frauen und Kindern muss darum sein, eine verfassungsrechtlich durchsetzbare Regelung zu finden, den Täter auch in Sachsen-Anhalt aus der Wohnung verweisen zu können", betont die Justizministerin. Karin Schubert unterstützt die Bestrebungen des Bundesministeriums der Justiz (BMJ), die eine Gesetzesänderung zum zivilrechtlichen Schutz bei Gewalttaten vorsehen. So sieht ein Referentenentwurf des BMJ vor, dass künftig vom Gericht auch in den Fällen, wo es noch nicht zu einer Gewalttat gekommen ist, Maßnahmen angeordnet werden können. "Nach dem Entwurf soll beispielsweise bereits bei ausgesprochenen Drohungen angeordnet werden können, dass sich der Täter nicht mehr an bestimmten Orten aufhalten darf. Ferner kann dem Täter untersagt werden, Kontakt zu dem Opfer aufzunehmen ¿ egal ob per Telefon, E-mail oder über das Internet. Derart detaillierte Maßnahmen zur Verhinderung möglicher Gewalttaten halte ich für dringend erforderlich", so Sachsen-Anhalts Justizministerin. In ihrer Eröffnungsrede bei der "Europäischen Konferenz über Gewalt gegen Frauen und Kinder" weist die Ministerin darauf hin, dass in Sachsen-Anhalt bereits umfangreiche Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern ergriffen worden sind. Dazu gehören justizeigene Opferberatungsstellen sowie die Einführung von Videokonferenzanlagen im Gerichtssaal zur schonenden Vernehmung von Opferzeugen. Ferner besteht für Opfer von Straftaten ¿ insbesondere von Sexualdelikten - die Möglichkeit, kostenlos einen anwaltlichen Beistand sowohl für das Ermittlungs- als auch das Hauptverfahren zu erhalten. Zu Ihrer Information: Der "Europäische Konferenz über Gewalt gegen Frauen und Kinder" findet vom 28. Bis 30. April in Calvia (Mallorca) statt. Veranstalter ist die "Asociacion de Mujeres Jursias Themis", die von Organisationen aus verschiedenen europäischen Ländern unterstützt wird. Mitveranstalter aus Deutschland ist der Deutsche Juristinnenverband (DJB), der sich für eine familien- und frauenfreundlichere Gesetzgebung einsetzt. Sachsen-Anhalts Justizministerin Karin Schubert ist seit 1980 Mitglied des DJB. Sie gehörte zu den Initiatoren des Kindschaftsreformgesetzes von Juli 1998 sowie dem Zeugenschutzgesetz von April 1998, in dessen Rahmen z. B. die Vernehmung von Zeugen per Videokonferenzanlage und der Beistand durch einen "Opferanwalt" ermöglicht worden ist. Mit der Konferenz verfolgt die "Asociacion de Mujeres Jursias Themis" eine ernsthafte Debatte über Gesetzgebung und Rechtspflege innerhalb der Europäischen Union zum Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder. Deren Ziel ist die Erarbeitung einheitlicher Richtlinien für Europa zur Bekämpfung von Gewaltstraftaten an Frauen und Kindern. Das Projekt wurde von der Europäischen Kommission angenommen und finanziell unterstützt. Rufen Sie mich bei Nachfragen bitte an: Marion van der Kraats, Telefon: 0391 ¿ 567 4134 Rede der Justizministerin des Landes Sachsen-Anhalt Karin Schubert bei der "Europäischen Konferenz über Gewalt gegen Frauen und Kinder",28. April 2000 in Calvia (Mallorca) Es gilt das gesprochene Wort Anrede, I. die zunehmende Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein Thema, das mich in ganz besonderer Weise betroffen macht. Die wirkungsvolle Bekämpfung dieses Phänomens und seiner Ursachen erfordert gemeinsame, länderübergreifende Bemühungen. Ich habe mich daher über die Einladung zu dieser wichtigen Veranstaltung und die damit verbundene Möglichkeit zu einem Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene sehr gefreut. Gewalt gegen Frauen und Kinder ist auch in der Bundesrepublik Deutschland allgegenwärtig. Wie wir wissen, geschieht Gewalt gegen Frauen in erster Linie im häuslichen Bereich, bzw. im sogenannten sozialen Nahbereich. Zu den Geschädigten oder Opfern gehören häufig nicht nur die Frauen selbst, sondern auch ihre Kinder. Der häusliche Bereich ist ein klassischer Ort für körperliche Gewalt an Frauen und Kindern, weil die Privatsphäre ein Raum ist, der sich der öffentlichen Einmischung entzieht. Schätzungen und repräsentative Umfragen zeigen, dass fast jede 3. Frau in der Bundesrepublik Deutschland Gewalt durch ihren Partner in physischer, psychischer oder sexualisierter Form erfahren hat. Ca. 2/3 aller sexuellen Gewaltdelikte finden im sozialen Nahbereich von Familie und Haushalt statt. Die Dunkelziffer der sexuellen Gewaltdelikte im sozialen Nahraum liegt bei ca. 90 %, es werden also lediglich 10 % der Fälle bei der Polizei gemeldet. Statistisch wird jede siebte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung und Nötigung. Mehr als 1/3 aller Morde und ca. ¼ aller Totschläge wurden nach der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Bundesland Sachsen-Anhalt im Jahr 1999 innerhalb der Familie verübt. In der Bundesrepublik suchen jährlich ca. 45.000 Frauen und ebenso viele Kindern Zuflucht in einem der 320 Frauenhäuser, die meisten auf der Flucht vor Gewalttätigkeiten. In Sachsen-Anhalt sind es jährlich ca. 1.100 Frauen. Gewalt gegen Kinder gehört in vielen Familien zum Erziehungsalltag. Etwa 80 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland erfahren in unterschiedlichem Ausmaß Gewalt in der Erziehung. Rund 1, 3 Millionen Kinder werden jährlich körperlich misshandelt, darunter 420.000 wiederholt. Auch das Problem des Menschenhandels mit ausländischen Frauen sowie der Zwangsprostitution tritt in Sachsen-Anhalt wie in anderen Bundesländern der Bundesrepublik seit einigen Jahren verstärkt auf. Der Frauenhandel stellt eine eklatante Verletzung der Menschenrechte von Frauen dar. Es handelt sich um eine besonders menschenverachtende Form der Kriminalität, denn oft wird eine wirtschaftlich aussichtslose Lebenslage der Frauen ausgenutzt. Ich komme hierauf - wie auch auf die besonders problematische Situation der Flüchtlingsfrauen - später noch zurück. Anläßlich der EU-Konferenz "Gewalt gegen Frauen" Ende März 1999 in Köln ist für die Mitgliedstaaten der EU und beitrittswilligen Länder die Empfehlung ausgesprochen worden, - so die Resolution - "ausdrückliche, effektive und klare gesetzliche Regelungen bei häuslicher Gewalt zu schaffen, die auf die sofortige Trennung von Opfern und Täter durch die umgehende Entfernung des gewalttätigen Mannes aus der Wohnung und Umgebung der betroffenen Frau und Kinder gerichtet sind. Der Polizei sind konkrete Handlungsweisen zur Umsetzung der Vorschriften zu geben unter Einbeziehung weiterer opferschützender Maßnahmen ". Ich will daher im folgenden darlegen, inwieweit die gesetzlichen Regelungen in der Bundesrepublik diesen Vorgabe entsprechen und welche änderungen notwendig und sinnvoll sind, um den Schutz von Frauen und Kindern vor Misshandlungen und anderen Formen der Gewalt effektiver zu gestalten. II. Die bereits erwähnte Empfehlung der EU-Konferenz von März 1999 trägt dem Gedanken Rechnung, dass für eine Frau, die sich nach Mißhandlung durch den Ehemann zur Trennung entschließt, an erster Stelle der Wunsch nach Schutz vor weiterer Gewalt steht. Der Wunsch nach Bestrafung des Täters ist zweitrangig. Wichtig ist zunächst, dass eine schnelle räumliche Trennung vollzogen werden kann. Zum anderen muß gewährleistet sein, dass die Frau und die Kinder durch den gewalttätigen Ehemann nicht zu Hause oder andernorts aufgesucht und weiterhin bedroht oder mißhandelt werden. Unter dem Begriff des zivilrechtlichen Schutzes vor häuslicher Gewalt wird vor allem die Möglichkeit verstanden, eine gemeinsam bewohnte Wohnung dem Opfer häuslicher Gewalt allein zuzuweisen. Hierbei ist zwischen den Schutzregelungen für eheliche und nicht eheliche Lebensgemeinschaften zu differenzieren: Maßgebliche Vorschrift für Ehegatten ist die Regelung in § 1361 b des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Zuweisung der Ehewohnung an einen der Ehegatten bei deren Trennung ist insgesamt im Zusammenhang mit den Ehescheidungsvorschriften zu sehen. Gemäß § 1565 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs setzt die Scheidung einer Ehe grundsätzlich voraus, dass die Ehegatten vor Einreichung des Scheidungsantrages ein Jahr getrennt gelebt haben. Die Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten auch gegen den Willen des anderen Ehegatten betrifft damit im Grundsatz alle Ehepaare, die sich trennen und scheiden lassen wollen. Durch das Merkmal der "schweren Härte" und die damit vom Gesetzgeber hoch angesetzte "Eingriffsschwelle" soll die Zuweisungsmöglichkeit auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Ein Anspruch auf Zuweisung der Ehewohnung kann, sofern die Voraussetzungen einer schweren Härte dargelegt und glaubhaft gemacht werden, während eines Scheidungsverfahrens, aber auch schon vorher im Wege einstweiliger Anordnung durchgesetzt werden. Vor Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens würde dies im Wege eines selbständigen Wohnungszuweisungsverfahrens gemäß §§ 1, 2 der Hausratsverordnung mit der Möglichkeit zum Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 13 Abs. 4 der Hausratsverordnung geschehen können. Nach Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens könnte die Wohnungszuweisung unter den Voraussetzungen des § 1361 b des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Wege einstweiliger Anordnung nach § 620, 620 a der Zivilprozeßordnung durchgesetzt werden. Dem Begriff der "schweren Härte" i.S.v. § 1361 b des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt mithin zentrale Bedeutung zu. Diese Voraussetzung wird in der Rechtssprechung, allgemein formuliert, dann bejaht, wenn der Ehegatte, der aus der Wohnung hinausgewiesen werden soll, in grob rücksichtsloser Weise das Zusammenwohnen für den anderen Ehegatten und/oder die Kinder unerträglich macht. Als Beispiele werden regelmäßig aufgeführt Fälle schwerer körperlicher Mißhandlungen der Familienmitglieder, also der Ehefrau und/oder der Kinder, aber auch schwere Störungen des Familienlebens z.B. durch Alkohol - oder Drogenmißbrauch. Theoretisch werden also Fälle von Gewalttätigkeit regelmäßig als schwere Härte angesehen. Dennoch kommt es in der gerichtlichen Praxis bei Beantwortung der Frage, ob im Falle häuslicher Gewalt eine schwere Härte im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, zu stark voneinander abweichenden Bewerbungen durch die jeweils entscheidenden Gerichte. Hier bestehen insbesondere regionale Unterschiede, was die Interpretation des Begriffs der "schweren Härte" anbelangt. Für die von Gewalttätigkeit meist des Ehemannes betroffenen Ehefrauen und Kinder ist es jedoch kaum nachvollziehbar, dass Gewalt und Schläge je nach Region unterschiedliche bewertet werden. Zum anderen wird als Effekt solch unterschiedlicher Bewertungen ¿ insbesondere durch eine besonders enge Interpretation des Begriffs "schwere Härte" ¿ vielen von Gewalttätigkeit Betroffenen der Eindruck vermittelt, dass es gar keinen Zweck habe, einen Wohnungszuweisungsantrag zu stellen. Bei den nicht miteinander verheirateten Partnern einer Lebensgemeinschaft, unabhängig davon, ob es sich um verschieden- oder gleichgeschlechtliche Partner handelt, ist bei dem Wunsch nach räumlicher Trennung zunächst entscheidend, welcher Partner Mietvertragspartei ist. Ist der gewalttätige Partner Mietvertragspartei, wird sich der andere Teil nur durch Auszug weiteren Gewalttätigkeiten entziehen können. Es gibt dann praktisch keine Möglichkeit, z.B. durch Erlangung einer einstweiligen Verfügung die Zuweisung der gemeinsam bewohnten Wohnung durchzusetzen. Hat der von Gewalt betroffene Partner den "Schläger" in die von Ihm gemietete Wohnung aufgenommen, kann er jederzeit dessen Auszug verlangen, muss einen solchen Anspruch normalerweise aber im Wege einer Räumungsklage durchsetzen. Eine einstweilige Verfügung ist gemäß § 940 a der Zivilprozeßordnung bei Gefahr für Leib und Leben, d.h. auch bei der Befürchtung weiterer Gewalttätigkeiten, zulässig. Wenn beide Partner der Lebensgemeinschaft Parteien des Mietvertrages sind, sind die Möglichkeiten, einen Partner im Wege einstweiliger Verfügung vorläufig aus der Wohnung zu weisen, wegen dessen vertraglicher Berechtigung zum Besitz der Wohnung beschränkt. Das Bundesministerium der Justiz hat nunmehr einen Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten sowie zur Erleichterung der überlassung der Ehewohnung bei Trennung" vorgelegt. Hiermit soll der zivilrechtliche Schutz bei Gewalttaten verbessert werden. Die Neuregelungen sollen den Zivilgerichten klare Rechtsgrundlagen für Schutzmaßnahmen der von Gewalt betroffenen Bürger geben. Dies gilt insbesondere für Gewalttaten, die sich im sozialen Nahraum des Opfers ereignen. Ich will hier kurz auf das Kernstück des Gesetzsentwurfs eingehen, nämlich das in Artikel 1 vorgesehene "Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten (Gewaltschutzgesetz)". Der aus 3 Paragraphen bestehende Entwurf regelt in § 1 Absatz 1 die Ermächtigung für die Zivilgerichte, die zur Abwendung weiterer Verletzungen von Körper, Gesundheit oder Freiheit des oder der Verletzten erforderlichen Maßnahmen ("Schutzanordnungen") zu treffen. Die Ermächtigung ist nicht auf die Fälle häuslicher Gewalt beschränkt worden, sondern gilt in allen Fällen, in denen jemand das Opfer einer Gewalttat geworden ist. Ganz wichtig erscheint mir, dass das Gericht auch in den Fällen, in denen es zwar noch nicht zu einer Gewalttat, wohl aber zu einer Drohung mit einer solchen Tat gekommen ist, die zur Verhinderung der Gewalttat erforderlichen Maßnahmen anordnen kann. § 1 Absatz 2 des Entwurfs enthält eine Konkretisierung der Maßnahmen, die das Gericht nach Absatz 1 treffen kann, wobei es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Zum Schutz des Opfers kann das Gericht zum Beispiel anordnen, dass sich der Täter an gerichtlich bestimmten Orten nicht aufhalten darf. Ferner könnte dem Täter aufgegeben werden, unzumutbare Zusammentreffen mit dem Opfer zu vermeiden oder Kontaktaufnahmen, sei es durch persönliches Erscheinen oder mittelbar über Telefon, Telefax, E-mail oder Internet, zu unterlassen. Weiteres Beispiel für eine Schutzanordnung ist das Gebot an den Täter, unverzüglich einen näher zu bestimmenden Abstand zum Opfer einzunehmen, wenn es zu zufälligen Treffen kommt. § 2 des Entwurfs enthält die allgemeine materiell-rechtliche Grundlage für die Wohnungsüberlassung in den Fällen, in denen Gewalttaten im Rahmen einer häuslichen Lebensgemeinschaft - auch in einer Ehe - begangen werden und dies erforderlich ist um eine unbillige Härte für die verletzte Person zu vermeiden. Eine unbillige Härte soll auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern gefährdet ist. Aber auch eine änderung des § 1361 b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist beabsichtigt. Unter anderem soll die Eingriffsschwelle für die überlassung der Ehewohnung abgesenkt werden: Der Begriff der "schweren" Härte wird durch den der "unbilligen" Härte ersetzt. Sinnvoll erscheint mi r darüber hinaus, dass dem Entwurf nach in den Fällen der häuslichen Gewalt eine teilweise überlassung der Wohnung in der Regel nicht in Betracht kommt. Hervorheben möchte ich schließlich die beabsichtigte Einfügung eines § 892 a in die Zivilprozeßordnung. Danach kann der Gläubiger - das ist in den uns interessierenden Fällen in der Regel die misshandelt Frau - die Hilfe des Gerichtsvollziehers in Anspruch nehmen, wenn der Schuldner gegen eine Schutzanordnung verstößt. Der Gerichtsvollzieher kann bei Widerstand des Schuldners Gewalt anwenden und sich dazu auch der Hilfe der Polizei bedienen. Die Möglichkeit, Schutzanordnungen nötigenfalls auch zwangsweise durchzusetzen, würde erheblich zur Effektivierung des Rechtsschutzes in den Fällen der häuslichen Gewalt beitragen. III. Auch bei bestmöglicher Organisation der Gerichte ist aber zivilrechtlicher Rechtsschutz nicht immer sofort zu erhalten. Zivilrechtlicher und polizeirechtlicher Schutz müssen flankierend einander zur Seite stehen. Eine Regelung die in diesem Zusammenhang zu Recht immer wieder als beispielhaft hervorgehoben wird, existiert in österreich. Hier wurde in das Polizeigesetz eine sog. Wegweisungsrecht aufgenommen. Gemäß § 38 a des österreichischen Sicherheitspolizeigesetzes ist es der Polizei bzw. der Gendarmerie möglich, eine gewalttätige Person für den Zeitraum von sieben Tagen aus der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen und ein Rückkehrverbot auszusprechen, wenn aufgrund der vorgefundenen Tatsachen anzunehmen ist, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht. Dieses Gesetz schützt alle in einer Wohnung lebenden Personen, ein Verwandtschaftsverhältnis muß nicht gegeben sein. Zugleich hat die von der Gewalt betroffene Person gemäß § 382 b der österreichischen Exekutionsordnung die Möglichkeit, beim Familiengericht eine für drei Monate gültige Schutzanordnung zu beantragen. Der Schutz wird einerseits über die Verlängerung der Wegweisung und des Rückkehrverbotes sowie zum anderen über sog. Bannmeilen und das Verbot der Kontaktaufnahme erreicht. Voraussetzung ist hierbei, dass Anspruchsberechtigte und die gewalttätige Person nahe Angehörige sind. Dies können dem Gesetz nach aber auch Lebensgefährten sein. Die Gesetzgebungskompetenz für das Polizei- und Ordnungsrecht liegt nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik bei den Bundesländern. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt prüft derzeit im Rahmen einer änderung des "Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung" inwieweit eine Wegweisungsregelung eingeführt werden kann. Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass bei einer Umsetzung in Sachsen-Anhalt die geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten sind. Durch das Aussprechen einer Wegweisung aus der ehelichen Wohnung und einem befristeten Rückkehrverbot wird in den durch Artikel 6 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und Artikel 24 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt geschützten Bereich der Ehe und Familie eingegriffen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit sich der grundrechtliche Schutz des Einzelnen auch bei den nichtehelichen Lebensgemeinschaften erstreckt. Grundsätzlich sind zwar eheähnliche Lebensgemeinschaften vom Schutzbereich der Ehe im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes ausgespart. Jedoch unterfällt auch eine solche Lebensgemeinschaft dem Schutzbereich des Eltern- und Erziehungsrechts gem. Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes und Artikel 11 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind. Daneben ist, unabhängig von ehelicher und eheähnlicher Lebensgemeinschaft, der durch Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 17 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt garantierte Schutz der Wohnung zu berücksichtigen. Träger des Grundrechts ist hier der unmittelbare Besitzer der geschützten Räume, z.B. der Eigentümer oder der Mieter. Diese Problematik stellt sich insbesondere, wenn der von der Wegweisung Betroffenen der alleinige Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist. Im Einzelfall sind, z. B. bei beruflicher oder wirtschaftlicher Nutzung der Wohnung, auch Eingriffe in die durch Artikel 12 des Grundgesetzes und Artikel 16 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt geschützte Berufsfreiheit und in die durch Artikel 14 des Grundgesetzes und Artikel 18 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt geschützte Eigentumsgarantie denkbar. Aufgrund eines geänderten gesellschaftlichen Verständnisses von innerfamiliärer Gewalt kommt dem Schutz des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit der betroffenen Frauen größere Bedeutung zu, so dass das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung hinter diesem zurücktreten könnte. IV. Ich möchte nun auf einige in der Bundesrepublik geltende strafrechtlichen Regelungen eingehen, die für den Schutz von Frauen und Kindern relevant sind. Gemäß § 230 des Strafgesetzbuchs wird die vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 des Strafgesetzbuchs nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Gemäß § 374 i.V.m. § 376 der Strafprozeßordnung erhebt die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen nur dann Anklage, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Andernfalls stellt sie das Ermittlungsverfahren ein. Die verletzte Frau kann dann ggf. den Täter selbst vor einem Strafgericht verklagen. Nicht selten ziehen allerdings misshandelte Frauen ihre Strafanzeigen auf Druck der gewalttätigen Ehemänner oder Lebensgefährten zurück. Dies hat noch viel zu oft zur Folge, dass auch die Staatsanwaltschaft - in Unkenntnis dieser Tatsache - das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint. Im Rahmen der Frauenministerinnenkonferenz 1997 wurde daher einstimmig gefordert, dass das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gem. § 230 des Strafgesetzbuchs in diesen Fällen grundsätzlich zu bejahen sei. 1994 hat sich schließlich die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer einstimmig dafür ausgesprochen, dass in den Fällen häuslicher Gewalt die Strafverfolgung stets ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit sei, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung insoweit also nur ausnahmsweise verneint werden könne. Entsprechende ausdrückliche Regelung stehen indessen noch aus. Eine - wie ich finde sehr positive Entwicklung - hat sich hinsichtlich der Strafbarkeit der Vergewaltigung vollzogen. Die Straftatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, wie sie früher in den §§ 177, 178 des Strafgesetzbuchs enthalten waren, wurden 1997 zu einem einheitlichen Verbrechenstatbestand zusammengefaßt. Zudem wurde der Anwendungsbereich der Norm auf Vergewaltigungen zum Nachteil eines Ehepartners ausgedehnt und als weitere Begehungsalternative neben Gewalt und Drohung das Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers eingeführt. Lassen Sie mich an zwei Fällen erläutern, inwieweit die Gesetzesänderung dazu beigetragen hat, früher bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen: Fall 1: Der Angeklagte fuhr mit einer Anhalterin in seinem Pkw an eine abgelegene Stelle in einem unzugänglichen Waldstück. Hier stellte er das Fahrzeug so ab, dass die Zeugin die Beifahrertür nicht öffnen konnte. Anschließend verkehrte er mit der Geschädigten sexuell. Diese war - wie er wußte - damit nicht einverstanden, verzichtete aber auf Gegenwehr oder Flucht, weil ihr diese Mittel aussichtslos erschien. Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine Revision führte zur Aufhebung des Schuldspruchs. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass das bloße Fahren zu einer abgelegenen Stelle, an der die mitgeführte Frau Hilfe nicht erwarten kann, nicht ohne weiteres Gewaltanwendung i.S.des § 177 des Strafgesetzbuchs - in der Fassung vor der Gesetzesänderung - sei. Auch in jeglichem Einschließen oder ähnlicher Beschränkung der Bewegungsfreiheit einer Frau in der Absicht, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, liege nicht bereits Anwendung von Gewalt i.S. dieser Strafvorschrift. Fall 2 : Am Abend des 28.01.1998 hatte der Angeklagte die Geschädigte, die er zuvor in einer U-Bahnstation angesprochen hatte, mit zu sich nach Hause genommen. Allein mit ihr in ihrer Wohnung versetzte er der Geschädigten aus ärger über eine vor kurzem gescheiterte Beziehung zu einer anderen Frau ohne jede Vorwarnung mehrere Schläge ins Gesicht. Als sie zu Boden stürzte, stieß er ihren Kopf auf den Boden und schlug weiter auf die sich anfangs noch vergeblich zur Wehr setzende Frau ein. Schließlich ließ er von ihr ab, legte sie auf ein Bett und entschuldigte sich bei ihr. Durch die Tätlichkeiten trug die Geschädigte zahlreiche Verletzungen davon. Dadurch war sie körperlich so geschwächt, dass sie auch am folgenden Tag nicht fähig war, sich ohne fremde Hilfe vom Bett zu erheben. Am Abend des 29.01.1998 legte sich der Angeklagte neben die Geschädigte auf das Bett. Als er sich ihr sexuell näherte, erklärte sie ihm, es ginge ihr schlecht, er solle sie in Ruhe lassen. Dessen ungeachtet führte er mit der Geschädigten, die - wie ihm bewußt war - aufgrund ihres äußerst schwachen Zustands nicht in der Lage war, sich gegen den ihr physisch überlegenen Angeklagten körperlich zur Wehr zu setzen, den Geschlechtsverkehr aus. Einige Zeit später am selben Abend verkehrte der Angeklagte in der gleichen Weise mit der Geschädigten gegen ihren Willen. Das Landgericht hat die sexuellen übergriffe des Angeklagten als Vergewaltigungen gemäß § 177 des Strafgesetzbuchs gewertet. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Bundesgerichtshof hat diese Verurteilung bestätigt. Dies war jetzt möglich, weil der Gesetzgeber die Begehungsalternative des Ausnutzens einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, geschaffen hatte. Strafbarkeitslücken, die nach früherem Recht auftreten konnten, wenn das Opfer starr vor Schrecken oder aus Angst vor der Anwendung von Gewalt durch den Täter dessen sexuelle Handlungen über sich ergehen ließ, ohne dass Gewalt ausgeübt oder zumindest schlüssig mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gedroht wurde, und wenn das Opfer nur deswegen auf Widerstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint, sind damit geschlossen. Ich will an dieser Stelle auf das Problem des Menschenhandels und der Zwangsprostitution zurückkommen. Menschenhandel im Sinne der §§ 180 a, 180 b, 181 des Strafgesetzbuchs bezeichnet den Zwang zu sexuellen Handlungen unter Ausnutzung der auslandsspezifischen Hilflosigkeit und den Zwang in die Prostitution. Bis vor wenigen Jahren wurden zumeist Frauen aus Afrika, Asien und Lateinamerika mit einem Arbeitsplatzangebot angeworben und in die Prostitution gezwungen - unter Ausnutzung ihrer Abhängigkeit und fast immer mit Gewalt. Inzwischen führt die steigende Nachfrage nach immer jüngeren und minderjährigen Prostituierten in Deutschland zur Einschleusung junger Frauen aus Osteuropa (vor allem aus Tschechien, Polen und Rußland). Bei der Anwerbung in Diskotheken oder Modellagenturen stellen ihnen die Menschenhändler seriöse Jobs oder eine Urlaubsreise in Aussicht. Einige Frauen reisen mit einem Touristenvisum ein, andere werden mit falschen Papieren oder illegal von Schleppern über die Grenze gebracht. Hier nehmen die Zuhälter den Frauen Ausweispapiere und Geld ab und vermitteln sie sofort an Bordelle, häufig im ländlichen Raum, wo das Entdeckungsrisiko geringer ist. Durch Drohungen, Schläge, Einsperren oder Vergewaltigung werden die Frauen zur Prostitutionsausübung gezwungen. Den Verdienst teilen sich meist die Zuhälter und Bordellbesitzer, die Frauen bekommen - oft unter Hinweis auf angeblich abzuzahlende Schulden - höchstens ein geringes Taschengeld ausgezahlt. Wenn die Frauen sich wehren, nicht genügend Freier haben oder deren Wünsche nicht erfüllen, erhalten sie weder Kleidung noch Essen, werden mißhandelt, wird mit Drohungen in Bezug auf ihre Angehörigen zu Hause auf sie eingewirkt. Oft werden sie schon nach wenigen Tagen an die nächste Bar weiterverkauft oder nächteweise an zahlungskräftige Kunden. Im Deliktbereich des Menschenhandels ist der Nachweis der Tat regelmäßig nur mit der Aussage von betroffenen Zeuginnen möglich, weil keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Verurteilungsrate ist jedoch gering, denn die Opfer haben in der Regel kein legales Aufenthaltsrecht und werden daher zumeist sofort abgeschoben. Darüber hinaus bringen die betroffenen Frauen sich und ihre Familien im Heimatland durch eine mögliche Aussage in dem Strafverfahren gegen die Menschenhändler oft in große Gefahr. Aus Angst vor Repressionen sind sie nur selten zur Aussage bereit. In Sachsen-Anhalt ist seit 1994 durch einen entsprechenden Erlass gewährleistet, dass Zeuginnen in einem Menschenhandelsverfahren für die Dauer ihrer Zeugeneigenschaft einen gesicherten Aufenthalt bekommen. Aufgrund einer fehlenden Betreuung und psychologischen Unterstützung der Zeuginnen kommt diese Möglichkeit füher allerdings kaum zur Anwendung. Um den Opferschutz in diesem Deliktbereich zu verbessern und zu erreichen, dass von Frauenhandel betroffene Frauen in größerem Umfang als bisher tatsächlich als Zeuginnen im Strafverfahren zur Verfügung stehen, bietet Sachsen-Anhalt nunmehr folgendes an: In Magdeburg, der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, ist kürzlich die Beratungsstelle "Vera" mit einem spezialisierten Beratungsangebot für Ausländerinnen, die Opfer von Frauenhandel geworden sind, eingerichtet worden. Der Name "Vera" steht im Russischen für Glaube und Vertrauen. Aufgabe dieser Stelle, die von einem freien Träger betrieben wird, ist die sozialpädagogische Betreuung der ausländischen Frauen, die Hilfe bei Rückreisevorbereitungen und die Gewinnung der Frauen als Zeuginnen für das Strafverfahren sowie die Prozessvorbereitung und Prozessbegleitung. Außerdem soll künftig ausländischen Opfern von Frauenhandel in Sachsen-Anhalt grundsätzlich ein auf vier Wochen befristeter Abschiebeschutz gewährt werden. Damit soll den betroffenen Frauen Gelegenheit gegeben werden, in dieser Zeit entweder die Entscheidung zu treffen, sich den Strafverfolgungsbehörden als Zeugin zur Verfügung zu stellen oder ihre freiwillige Ausreise zu organisieren. Dazu wird das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt die betreffenden landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften aus dem Ausländerrecht entsprechend ändern. Angesichts der schwer wiegenden und lang anhaltenden psychischen Verletzungen, die sich als Folge einer solchen Straftat bei der geschädigten Frau einstellen, muß ihre besonders schutzwürdige Position im Strafprozeß gegen den Täter ausreichend Berücksichtigung finden. Befragungen von Opferzeugen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Zeugen die Auswirkungen eines Prozesses auf ihr Befinden im Nachhinein negativ einschätzen. Die Rechte auch von Frauen als Opfer von Gewalttaten müssen daher im Strafverfahren gestärkt werden. In das Strafgesetzbuch wurden daher 1998 Regelungen eingefügt, die hierzu bereits einen wesentlichen Beitrag leisten, so die Videovernehmung von Zeuginnen, die Opfer von Sexualdelikten geworden sind, mit der diesen ein persönliches Erscheinen in der Hauptverhandlung vor Gericht erspart werden kann und die Bestellung eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand für Opfer von Sexualdelikten. Das Gesetz war sehr umstritten, vor allem wegen der damit verbundenen Kosten. Trotzdem konnten die genannten Regelungen letztlich durchgesetzt werden. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat 1999 den Entwurf eines Gesetzes zur änderung der Strafprozeßordnung in den Bundesrat - hierbei handelt es sich um das Gesetzgebungsorgan der Bundesländer - eingebracht, den die Landesregierung Sachsen-Anhalt derzeit prüft. Mit dem Gesetzesentwurf sollen die Rolle der verletzten Person im Strafprozeß neu bestimmt und ihre Rechte und Stellung im Verfahren gestärkt werden. Der Ausbau der Verletztenrechte soll hiernach auf drei Ebenen erfolgen: Verbesserung des Schutzes der allgemeinen Persönlichkeitsrechte im Strafverfahren, Gewährung einer aktiven Teilnahme der verletzten Person am Strafverfahren, Verbesserung der Möglichkeiten für Geschädigte, vermögensrechtliche Ansprüche bereits im Strafverfahren geltend zu machen. Im Hinblick auf die hier behandelte Thematik soll nicht auf alle Einzelheiten des Gesetzesentwurfs eingegangen werden. Wichtig erscheint mir jedoch zunächst, dass die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf das Schamgefühl von Zeuginnen bei körperlichen Untersuchungen betont wird. Die betroffene Frau, die gerade im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat besonderer Fürsorge und Rücksichtnahme bedarf, muß dem Entwurf nach künftig darauf hingewiesen werden, dass sie auf Verlangen durch eine Frau oder ärztin untersucht werden kann. Ferner soll die Rechtsstellung des nicht anwaltlichen Zeugenbeistands gestärkt werden. Wird also künftig eine betroffenen Frau als Zeugin vernommen, so ist, wenn sie dies beantragt hat, einer Person ihres Vertrauens die Anwesenheit zu gestatten, es sei denn die Anwesenheit könnte den Untersuchungszweck gefährden. Die aktive Teilnahme der verletzten Person im Strafverfahren soll dadurch in größerem Umfang ermöglicht werden, dass ihr der Termin zur Hauptverhandlung, soweit sie zur Nebenklage berechtigt ist, mitgeteilt und ihr die Anwesenheit in der Hauptverhandlung gestattet wird, auch wenn sie von ihren Nebenklagerecht nicht Gebrauch macht. Bisher hatte sie nur ihre Zeugenpflichten wahrzunehmen. Schließlich soll ein eigenes Akteneinsichtsrecht für Verletzte gewährt werden, statt wie bisher lediglich durch einen Rechtsanwalt, den die Verletzten in solchen Fällen auf ihre Kosten mit der Akteneinsicht beauftragen konnten. Die Möglichkeit für Geschädigte, vermögensrechtliche Ansprüche bereits im Strafverfahren geltend zu machen, soll dadurch verbessert werden, dass die Befugnis des Gerichts von einer entsprechenden Entscheidung abzusehen, eingeschränkt wird. Im Hinblick auf die besonders schutzwürdige Position von gewaltgeschädigten Frauen in strafrechtlichen Hauptverhandlungen halte ich im übrigen eine Vorschrift für sinnvoll, die klarstellt, dass auf die Belange von Frauen als Opfer von Gewaltstraftaten in Hauptverhandlungen in besonderer Weise - insbesondere durch Zurückweisung demütigender und bedrängender Fragen - Rücksicht zu nehmen ist. V. Lassen Sie mich nun das Augenmerk auf die besonders problematische Situation der Flüchtlingsfrauen lenken, die oftmals in den europäischen Staaten Asyl suchen. Die Mehrzahl der sich weltweit auf der Flucht befindenden Menschen sind Frauen und Kinder. Die Fluchtursachen von Frauen sind vielfältig. Häufig sind sie Verfolgungen in zweifacher Hinsicht ausgesetzt: Sind Frauen in politischen Bewegungen aktiv, so droht ihnen die Verfolgung wegen ihrer eigenen politischen Aktivität. Oder aber sie werden in die Verfolgung mit einbezogen bzw. unter Druck gesetzt, wenn es darum geht, politischen Gegnern eines Regimes habhaft zu werden. Frauen werden aber auch unmittelbar wegen ihres Geschlechts diskriminiert, wenn sie gesellschaftliche Normen ihres Heimatlandes übertreten. Von rigiden Kleidungsvorschriften über generelle Arbeitsverbote bis hin zu Tötungen von Frauen aus Gründen der Familienehre gibt es eine Menge von schockierenden Praktiken, die Frauen in ihrem Leben bedrohen, in ihrer Würde treffen, demütigen und verletzten. Insoweit gibt es erheblichen rechtlichen und praktischen Handlungsbedarf. Frauenorganisationen fordern seit langem eine verbesserte asylrechtliche Anerkennung von frauenspezifischen Fluchtursachen. So ist in einigen Ländern bereits Asylrechtspraxis, dass nicht entscheidend ist, ob die Verfolgung vom Staat ausgeht, sondern ob der Staat den Frauen gegen diese Verfolgung Schutz bietet. So wurde auch in Magdeburg 1997 eine bemerkenswerte Einzelfallentscheidung getroffen: Einer afrikanischen Frau wurde Schutz gewährt gegen die drohende genitale Verstümmelung im Heimatland. Ferner müssen die Rahmenbedingungen bei der Anhörung im Asylverfahren dahingehend geändert werden, dass die Anhörungen gerade bei Opfern sexueller Gewalt prinzipiell von Frauen durchgeführt werden. Auch die übersetzung sollte durch Dolmetscherinnen erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass den Flüchtlingsfrauen die Darstellung ihrer zum Teil sexuellen Gewalterlebnisse dann leichter fällt. Zulässig sein sollte zudem ein verspätetes Vorbringen von Fluchtursachen bei traumatisierten Flüchtlingsfrauen, ohne dass dies als gesteigertes Vorbringen gewertet wird, was zur Asylablehnung führen kann. VI. Wie wichtig und notwendig Gesetze zum Schutz von Kindern vor Gewalt sind, ist durch eine neue wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Innerfamiliäre Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und ihre Auswirkung aufgezeigt worden. Eine gewalttätige Atmosphäre in der Familie hat hiernach über die unmittelbaren Verletzungen physischer und psychischer Art hinaus auch mittelbare Auswirkungen dadurch, dass Kinder, die Gewalt gegen sich und andere Familienangehörige erleben mußten, später deutlich häufiger selbst durch Gewaltdelikte auffallen als Kinder, denen es vergönnt war, in gewaltfreier Umgebung aufzuwachsen. Eine - auch auf einem Antrag des Bundeslandes Sachsen-Anhalt - basierende Gesetzesintiative vom Mai 1999 sieht daher zur Verbesserung von Kinderrechten u.a. eine änderung des § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches vor. Kinder sollen hiernach gewaltfrei zu erziehen sein. Ferner soll ein Verbot von Körperstrafen, seelischen Verletzungen und andere entwürdigenden Maßnahmen in die Vorschrift aufgenommen werden. Eine Gesetzentwurf der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Partei Bündnis 90/Die Grünen zur ächtung der Gewalt in der Erziehung von Juni 1999 sieht durch änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches ebenfalls vor, dass jedem Kind ein Recht auf gewaltfreie Erziehung eingeräumt wird. Im Vordergrund soll nicht die Strafverfolgung, sondern Hilfe für die betroffenen Kinder, Jugendliche und Eltern stehen. VII. Die Bekämpfung der häuslichen Gewalt betrifft also alle Rechtsgebiete: das Strafrecht, das Zivilrecht und das öffentliche Recht. Die sich hierbei ergebenden Probleme sind allerdings äußerst komplex. Gesetzliche Regelungen - auch insoweit vereinheitlichende europäische Richtlinien - reichen hier nicht aus; vielmehr müssen Kooperationen zwischen den unterschiedlichen beteiligten Behörden und den nicht-staatlichen Hilfsangeboten dazukommen. Perspektivisch muss die Vernetzung und Kooperation aller beteiligten Institutionen wie Polizei, Justiz, Jugendamt, Beratungsstellen und Frauenhäuser verbessert werden, um einen wirksamen Abbau der häuslichen Gewalt zu erreichen, um dem Täter unmißverständlich zu signalisieren, dass seine Gewalttaten strafrechtlich konsequent verfolgt und gesellschaftlich geächtet werden. Diese Art der Zusammenarbeit zur wirkungsvollen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hatte in der Bundesrepublik Deutschland in der Anti-Gewalt-Arbeit keine Tradition. Erst seit kurzem wird zunehmend die Notwendigkeit von Kooperation gesehen und steigt die Bereitschaft, sich auf entsprechende Modelle einzulassen. Diesbezügliche Projekte gibt es in Hannover und Berlin, aber auch in anderen Städten im Bundesgebiet. In Hannover arbeiten seit 1997 Polizei, Justiz, städtische Beratungseinrichtungen und Beratungsstellen freier Träger in dem "Hannoverschen Interventionsprojekt gegen Männergewalt in der Familie" (kurz: "HAIP") zusammen und vernetzen so die verschiedenen Maßnahmen wie Intervention, Schutz, Beratung, Hilfe und Prävention. Bei Polizeieinsätzen zu Gewalt in der Familie helfen in Hannover die Mitarbeiter des Präventionsprogramms Polizei-Sozialarbeit (kurz: "PPS"), die seit 01.01.1997 den von der Gewalt Betroffenen nach Information durch die Polizei das HAIP erklären und sie zu einem Projekt für die von Gewalt betroffenen Frauen, zu einem Männerprojekt mit einem sozialen Trainingsprogramm oder zu einer Täter-Opfer-Ausgleichsstelle vermitteln. Diese Stellen gehören dem HAIP-Verbund an. Die Einsatzkräfte der Polizei fertigen eine Strafanzeige, die von speziell fortgebildeten HAIP-Teams im Kriminalentwicklungsdienst weiter bearbeitet wird. Geeignete Fälle werden dem bei der Staatsanwaltschaft Hannover bestehenden Sonderdezernat zugeleitet, welches in den geeigneten Fällen den Täter-Opfer-Ausgleich einleitet und durchführt. Hat der Täter hieran teilgenommen, kann das Gericht nach dem Strafgesetzbuch später die Strafe mildern oder ggf. ganz von Strafe absehen. In Berlin gibt es seit 1995 eine Koordinationsstelle der "Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen" (kurz: "BIG"), der u.a. einige Senatsverwaltungen, Polizei und Staatsanwaltschaft angehören. Dieses Interventionsprojekt bietet Anti-Gewalt-Kurse für Männer, hilft bei der Aufnahme in Frauenhäuser, vermittelt Beratungsstellen für die betroffenen Frauen und veranstaltet auch Fortbildungen für Polizeibeamte. Gearbeitet wird an der Einrichtung einer Notrufzentrale. Diese soll nicht nur für betroffene Frauen, sondern auch für Nachbarn, Freunde, Verwandte, ärzte, Lehrer und alle anderen, die Mißhandlungen vermuten, ansprechbar sein. Richterinnen in Berlin tendieren übrigens bei der Wohnungszuweisung gem. § 1361 b des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu einer sehr gemäßigten Haltung was m.E dafür spricht, dass sich das Interventionsprojekt in Berlin bewährt hat. Die Projekte in Hannover und Berlin haben im übrigen maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zahl der Frauen, die Ihre Strafanzeigen auf Druck der Täter zurückziehen, erheblich zurückgegangen ist. Zum Schutz der Frauen vor Gewalt gehört aber auch ein Nachdenken darüber, wie Männer zu einem veränderten Verhalten gelangen können, damit sie nicht zum Mittel der Gewalt greifen, das letztlich immer als Ausdruck von Hilflosigkeit zu sehen ist. Vor diesem Hintergrund ist in diesem Jahr mit Unterstützung der Landesregierung das Projekt "Pro Mann" in Magdeburg entstanden, eine Beratungsstelle für Männer gegen Männergewalt. Voraussetzung für eine solche Beratung ist die Freiwilligkeit sowie die Verantwortungsübernahme für das gewaltsame Handeln. Im Rahmen dieses Projekts wird auch über die Möglichkeit nachgedacht, von Seiten der Staatsanwaltschaft und der Gerichte die Beratung in einer solchen Beratungsstelle beispielsweise im Rahmen der vorläufigen Einstellung von Ermittlungsverfahren aufzuerlegen. VIII. Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt. Ich denke, dass in der Bundesrepublik Deutschland der häuslichen Gewalt durch die konsequente Umsetzung geltenden Rechts wirksam begegnet werden kann. Gleichwohl halte ich die aufgezeigten Gesetzesinitiativen für sinnvoll, weil der Schutz der betroffenen Frauen und auch ihrer Kinder durch die geplanten Regelungen nachhaltig verbessert wird. Unabdingbar für einen effektiven Schutz vor häuslicher Gewalt - aber auch vor anderen Erscheinungsformen gegen Frauen und Kinder gerichtete Gewalt - ist daneben ein Zusammenwirken von Polizei, Justiz und nichtstaatlichen Beratungsstellen. Der Blick muß hierbei auch auf die Täter gerichtet werden. Neben einer konsequenten Sanktionierung muß auch auf ihre zukünftige Verhaltensänderung hingewirkt werden. Dieser Ansatz müsste meiner Auffassung nach bei der Erarbeitung eines Vorschlages für eine vereinheitlichende europäische Richtlinie Beachtung finden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche der Veranstaltung. Impressum: Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Wilhelm-Höpfner-Ring 6 39116 Magdeburg Tel: (0391) 567-4134 Fax: (0391) 567-4225 Mail: presse@mj.lsa-net.de

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