Rede von Innenminister Dr. Manfred Püchel anlässlich des 1. Landespräventionstages Sachsen-Anhalts am 19. Oktober 2000 im Palais am Fürstenwall in Magdeburg
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 135/00 Magdeburg, den 20. Oktober 2000 Rede von Innenminister Dr. Manfred Püchel anlässlich des 1. Landespräventionstages Sachsen-Anhalts am 19. Oktober 2000 im Palais am Fürstenwall in Magdeburg Informationsforum "Prävention als kommunales Handlungsfeld" Es gilt das gesprochene Wort! Anrede, zur Eröffnung des Forums "Prävention als kommunales Handlungsfeld" möchte ich die Gelegenheit auch noch einmal persönlich nutzen und Sie anlässlich des ersten Landes-präventionstages Sachsen-Anhalt in Magdeburg begrüßen. Ich freue mich, dass mir Frau Szabados, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Jugend und Soziales der Stadt Halle sowie Herr Strauch, erster ehrenamtlicher Bürgermeister in Hannover, mit ihren Erfahrungen und ihrem Fachwissen während des Forums zur Seite stehen. Herr Strauch ist gleichzeitig Vorsitzender des kriminalpräventiven Rates seiner Stadt und kann deshalb mit seinen Erfahrungen besonders hilfreich für uns sein. Als Innenminister, der für Polizei und Kommunen zuständig ist, war ich natürlich sehr daran interessiert, an der Gestaltung dieses Forums mit seinem besonderen kommunalen Bezug mitzuwirken. Ich wende mich dem Thema Kommunale Kriminalitätsvorbeugung nicht nur sozusagen Kraft Amtes zu. Sondern ich bin davon überzeugt, dass der Kriminalitätsvorbeugung, also der Prävention neben der repressiven Kriminalitätsbekämpfung eine gleichwertige, wenn nicht sogar eine vorrangige Rolle zufällt. Der alte medizinische Leitsatz: Vorbeugen ist besser als heilen, stimmt auch hier. Anrede, Kriminalität ist stets ein Thema der öffentlichen Diskussion. Plakative Aussagen beeinflussen derartige öffentliche Diskussionen. Wie beispielsweise Die Kriminalität explodiert! Die Globalisierung der Wirtschafts- und Finanzmärkte fördert die Ausbreitung der Organisierten Kriminalität und Wirtschaftskriminalität! Die Kriminalität bei Kindern und Jugendlichen nimmt dramatisch zu, die Gewaltbereitschaft steigt an! Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung schwindet, die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, wächst! Sicherheit fällt uns als Gesellschaft nicht so einfach in den Schoß. Sie muss täglich erarbeitet werden. Die aus dem Gewaltmonopol abgeleitete Schutzpflicht des Staates darf jedoch nicht einseitig ausgelegt werden. Als ob es alleinige Aufgabe des Staates wäre, für diese Sicherheit Sorge zu tragen. Polizei und Justiz sind in ihrem Kampf gegen Kriminalität auf die Mithilfe und Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Beispiele in der täglichen polizeilichen Praxis beweisen, dass wir nicht nur eine Gesellschaft von Feiglingen und Wegsehern sind. Mithilfe zur Unterstützung polizeilicher Ermittlungen oder Zivilcourage im Einzelfall reichen jedoch im Hinblick auf einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz im Bereich der Kriminalitätsvorbeugung nicht aus. Gemeint ist hier insbesondere eine stärkere Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger im Sinne einer gemeinwesen-orientierten Kriminalitätsvorbeugung. Zukünftige Sicherheitskonzepte müssen der Erkenntnis Rechnung tragen, dass der Kriminalität nur dort erfolgreich begegnet werden kann, wo sie entsteht, begünstigt oder gefördert wird ¿ also in unseren Städten und Gemeinden. Ich glaube, es heißt "Eulen nach Athen zu tragen", wenn ich an dieser Stelle hervorhebe, dass bei rund 70 % aller Straftaten die ermittelten Tatverdächtigen einen örtlichen Bezug zum Tatort aufweisen. Im Hinblick darauf greift kommunale Kriminalprävention diese Erkenntnis auf. Wobei vor allem eine ursachenorientierte strategische Ausrichtung im Mittelpunkt dieses Gedankens stehen sollte. Kompetente Personen aus Politik, Verwaltung, Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft und Polizei sind aufgerufen, zusammen mit Verbänden und Vereinen sowie allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern Probleme der Inneren Sicherheit, die ihre Gemeinde, den Stadtteil, die Stadt oder den Landkreis betreffen, zu erörtern und gemeinsame Lösungswege zu erarbeiten. Dabei halte ich es für besonders wichtig, dass sich die ehrenamtlichen bzw. hauptamtlichen Bürgermeister sowie die Landräte an die Spitze kommunalpräventiver Gremien stellen. Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle, stellvertretend für eine ganze Reihe von erfolgreichen Einzelprojekten, die Initiative "Sicherer Landkreis Anhalt Zerbst e.V.", den Arbeitskreis "Sicherheitspartnerschaft Dessau", den Polizeibeirat des Landkreises Aschersleben-Staßfurt den kriminalpräventiven Beirat der Landeshauptstadt Magdeburg die Initiative Netzwerk gegen Drogen der Stadt Halle sowie den Verein Sicheres Egeln nennen, dessen Mitglied ich seit seiner Gründung bin. Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich für besonders wichtig erachte: Kommunale Kriminalprävention lässt sich nicht "von oben" verordnen. Es ist ein System, das insbesondere mit Blick auf die Beteiligung örtlicher nichtstaatlicher Strukturen und hinsichtlich der Bürgerbeteiligung auf Freiwilligkeit setzt. Die Umsetzung des kriminalpräventiven Gedankens wäre ohne dieses ehrenamtliche Element nicht möglich. Deshalb gilt mein Dank auch allen Beteiligten in den Städten und Gemeinden, in den Landkreisen bzw. in den Verbänden und Vereinen, die sich außerhalb ihrer sonstigen beruflichen oder privaten Verpflichtungen, in kriminalpräventiven Gremien bzw. in einzelnen Projekten engagieren. An diesem Engagement gemessen, muss der landläufigen Auffassung von der "Ellenbogengesellschaft" widersprochen werden. Denn hier setzen sich Menschen vorbildlich für die Gemeinschaft und den Nächsten ein und nicht nur für sich oder gegen andere. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Aufbau einer vernetzten örtlichen Präventionsarbeit nicht immer leicht ist. Aus diesem Grund unterstützt und fördert das Innenministerium seit Jahren diesen Prozess aktiv. Bereits seit 1994 werden Empfehlungen und Hinweise zur Bildung "Runder Tische zur Kriminalitätsvorbeugung" in den Städten und Gemeinden bzw. zur Einrichtung von Polizeibeiräten auf Landkreisebene gegeben. Damit allein ist es jedoch nicht getan. Deshalb habe ich im letzten Jahr der Landesregierung die Gründung eines Landespräventionsrates Sachsen-Anhalt vorgeschlagen. Ansatz war die Erkenntnis, dass die Verhütung von Straftaten immer stärker umfassende gesellschaftliche Ansätze erfordert, die jenseits rein polizeilicher Maßnahmen im repressiven Sinne liegen. Auf Erfahrungen anderer Bundesländer konnte diesbezüglich zurückgegriffen werden. Für die in der Anfangsphase sehr intensive Unterstützung durch den Landespräventionsrat Niedersachsen möchte ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanken; Herr Strauch ist heute erfreulicherweise selbst Referent, so dass ich mich auch ganz persönlich bei Ihnen bedanken kann. Schwerpunkte der zukünftigen Arbeit unseres Landespräventionsrates sind u. a.: Erarbeitung eines Leitfadens zur Unterstützung kriminalpräventiver Räte Mitwirkung an der landesweiten Umsetzung kriminalpräventiver Programme, beispielsweise zu den Themenfeldern "Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen" / "Präventionsstrategien zur Vermeidung von Kinder- und Jugenddelinquenz" / "Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit". Mit der Vorbereitung des Erfahrungsaustausches und der Kommunikation insbesondere durch Einrichtung einer Gremien- und Projektdatenbank, die allen Akteuren auf örtlicher Ebene zur Verfügung gestellt werden soll, haben wir bereits begonnen. Die Geschäftsstelle des Landespräventionsrates hat mit Stand September 2000 bereits ca.100 kriminalpräventive Projekte in unserem Land erfasst. Eine Dokumentation dazu wird gegenwärtig erstellt und Anfang 2001 an alle Beteiligten als Arbeitsgrundlage verteilt. Dies ist für mich auch ein Beweis dafür, dass die Bemühungen bislang erfolgreich waren und Sachsen-Anhalt im Bereich der kommunalen Präventionsarbeit aus den "Kinderschuhen" schon herausgewachsen ist. Anrede, gleichzeitig ist der Landespräventionsrat Ansprechpartner für vergleichbare Gremien anderer Bundesländer und für das im Aufbau befindliche "Deutsche Forum für Kriminalprävention", das auf Bundesebene im kommenden Jahr als Stiftung gegründet werden soll. Kommunale Präventionsarbeit fokussiert auf den Aspekt der Gemeinwesenorientierung. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein paar wenige Sätze zur Rolle der Polizei in diesem Prozess sagen. Gemeinwesenorientierung und darin eingebettet eine bürgernahe Polizeiarbeit ist wohl unbestritten eine der wesentlichsten Ziele der Polizeiarbeit in Sachsen-Anhalt. Ich erinnere an die Einrichtung von Polizeistationen in den Verwaltungsgemeinschaften sowie an den verstärkten Einsatz von Kontaktbereichsbeamten in städtischen Ballungsräumen. Aber auch in dem erst kürzlich vorgestellten Leitbild der Polizei wird diesem Punkt besondere Bedeutung beigemessen. Mit der Fortführung des "Konzeptes zur Erhöhung der Eigenverantwortung und Effizienz der Polizei", kurz KEEP genannt, befinden wir uns in Sachsen-Anhalt auf dem richtigen Weg. Mit der Einrichtung von Dezernaten "Polizeiliche Prävention" in den Polizeidirektionen wird verstärkt dem ursachenorientierten Ansatz der Kriminalitätsvorbeugung Rechnung getragen. Neben den Polizeirevieren, die jeweils örtlich zuständig sind, unterstützen die Dezernate vor allem auch kriminalpräventive Gremien und deren Projektarbeit. Anrede, um zu unterstreichen, was ich hinsichtlich der Notwendigkeit gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen bei einer ursachenorientierten Kriminalitätsvorbeugung gesagt habe, lassen Sie mich zum Abschluss meines einführendes Beitrages auf den großen Rechtsgelehrten Radbruch hinweisen, der in seinem Buch "Einführung in die Rechtswissenschaft" bereits 1929 niedergeschrieben hat: "Es ist des Strafrechts fragwürdige Aufgabe ...., gegen den Verbrecher nachzuholen, was die Sozialpolitik für ihn versäumt hat. Bitterer Gedanke, wie oft die Kosten des Verfahrens und Vollzuges, vor der Tat aufgewendet, genügt hätten, das Verbrechen zu verhindern!" Ich glaube, dieses Zitat hat auch heute nichts an Aktualität verloren. Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion mit Ihnen und darf der Zuversicht Ausdruck geben, dass die kommunale Präventionsarbeit in Sachsen-Anhalt sich auch zukünftig, hoffentlich auch angeregt und gefördert durch den heutigen Tag, gut weiterentwickeln wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bitte nun Herrn Strauch vom Niedersächsischen Landespräventionsrat um seinen Beitrag. Impressum: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Halberstädter Straße 1-2 39112 Magdeburg Tel: (0391) 567-5516 Fax: (0391) 567-5519 Mail: pressestelle@min.mi.lsa-net.de
Impressum:Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-AnhaltVerantwortlich:Danilo WeiserPressesprecherHalberstädter Straße 2 / am "Platz des 17. Juni"39112 MagdeburgTel: (0391) 567-5504/-5514/-5516/-5517/-5377Fax: (0391) 567-5520Mail: Pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de