Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zur Großen Anfrage der PDS zur Weiterführung der Verwaltungs- und Funktionalreform in Sachsen-Anhalt
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 223/02 Magdeburg, den 12. Dezember 2002 Es gilt das gesprochene Wort! Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zur Großen Anfrage der PDS zur Weiterführung der Verwaltungs- und Funktionalreform in Sachsen-Anhalt TOP 3 der Landtagssitzung am 12./13.12.2002 Anrede die Große Anfrage gibt mir die Gelegenheit, die Leitlinie für die Verwaltungs-, Funktional- und Kommunalreform darzulegen. Das Reformvorhaben gliedert sich in den ersten Baustein zur Reform der staatlichen Verwaltung und einen zweiten Baustein zur übertragung von staatlichen Aufgaben auf die kommunale Ebene. Den dritten Baustein wird die interkommunale Aufgabenverlagerung bilden. Anrede mit dieser Vorgehensweise verdeutlicht die Landesregierung, dass eine Reform der öffentlichen Verwaltung zunächst auf der staatlichen Ebene beginnen muss. Diese Herangehensweise unterscheidet die jetzige Landesregierung von der Vorgängerregierung, die mit ihrem ersten Vorschaltgesetz vom 5. Dezember 2000 den Schwerpunkt allein auf die Reform der kommunalen Strukturen gelegt hatte. Dabei ist festzuhalten, dass die Vorgängerregierung zunächst neue Strukturen schaffen wollte, ohne sich über den Aufgabenbestand der jeweiligen Verwaltungsbehörden im Klaren zu sein. Erst nach Verabschiedung des dritten Vorschaltgesetzes wurde zum Ende der vergangenen Legislaturperiode mit der Verabschiedung des Entschließungsantrages vom 17.01.2002 im Landtag der Aufgabenbestand für die einzelnen Verwaltungsebenen grob umrissen. Wir sind grundsätzlich anderer Auffassung! Behördenstrukturen sind kein Selbstzweck! Erst müssen die Aufgaben festgelegt werden, dann die Struktur! Anrede Mit der Einbringung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes hat die Landesregierung den ersten Schritt zur Verwaltungsmodernisierung getan. Statt dreier Regierungspräsidien, die jeweils für ihre Region die Koordinierung und Bündelung staatlicher Aufgaben wahrnehmen, wird zum 01.01.2004 ein Landesverwaltungsamt die staatlichen Vollzugsaufgaben übernehmen. Es ist das Ziel, und der Ihnen vorliegende Entwurf des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes sieht das ausdrücklich vor, die Aufgaben des künftigen Landesverwaltungsamtes jeweils nur an einem Standort wahrnehmen zu lassen: Die Querschnitts- und Leitungsaufgaben sowie vorrangig Koordinierungs- und Bündelungsaufgaben am Hauptsitz in Halle, die weniger koordinierungs- und bündelungsrelevanten Aufgaben in den Nebenstellen in Magdeburg und Dessau. Der Entwurf des bereits erwähnten Gesetzes legt ebenfalls fest, welche Kriterien bei der Verlagerung von Aufgaben von Sonderbehörden auf das Landesverwaltungsamt zu Grunde zu legen sind. Nach Verabschiedung des Gesetzes wird die Landesregierung daher unverzüglich entscheiden, welche Sonderbehörden oder Teile von diesen in das Landesverwaltungsamt eingegliedert werden. Anrede, die Modernisierung der Landesverwaltung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Ab- und Umbau von Landesbehörden, sondern soll auch die inneren Strukturen der Behörden optimieren. § 2 des Entwurfs des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes verpflichtet zur systematischen Erfassung des gesamten Aufgabenbestandes innerhalb der mittelbaren und unmittelbaren Landesverwaltung bis zum 30. Juni 2003. Zunächst kann im Sinne einer Zweckkritik die Notwendigkeit der Durchführung einer Aufgabe überprüft werden. Die Erfassung des Aufgabenbestandes soll aber auch die überprüfung der Art und Weise der Aufgabenerfüllung und damit eine Vollzugskritik ermöglichen. Erweist sich danach eine staatliche Aufgabe als weiterhin unverzichtbar, wird die Möglichkeit der Erledigung durch Private zu prüfen sein. Voraussetzung ist jedoch, dass ein Wettbewerb am Markt möglich ist und Private die Aufgabe wirtschaftlicher und wirksamer als die öffentliche Verwaltung erfüllen können. Sollte sich die Aufgabe als nicht privatisierbar erweisen, so ist die Aufgabe zu kommunalisieren. Erst wenn die Aufgabe nicht wirtschaftlicher und zweckmäßiger durch die Kommunen erledigt werden können, ist sie durch das Landesverwaltungsamt wahrzunehmen. Durch dieses im Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz vorgegebene Prüfraster ist die gesamte unmittelbare Landesverwaltung in der Pflicht zu begründen, warum eine Aufgabe weder privatisiert noch kommunalisiert werden kann und weiterhin durch Landesdienststellen wahrgenommen werden muss. Ein so umfassendes Vorhaben kann nur mit Hilfe einer Datenbank durchgeführt werden, Dazu hatte mein Haus ein Datenerhebungsprogramm zur Erfassung und weiteren Behandlung der Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt entwickelt und mit den anderen Ressorts sowie den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Die Nutzung dieser Datenbank, die in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr zur Anwendung kam, lässt auch eine Erfassung des finanziellen Aufwandes zu, der gerade auch für die Veränderung des Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen bei der Funktionalreform von wesentlicher Bedeutung ist. Ein weiteres wichtiges Element im Rahmen der Binnenmodernisierung stellt Electronic Government ¿ kurz e-Government ¿ dar. Darunter fällt nicht nur die Verbesserung der Beziehungen zwischen Bürger und Verwaltung über elektronische Zugangswege. Damit werden vielmehr alle wechselseitigen Beziehungen zwischen Bürgern, Wirtschaftsunternehmen, Politik, Regierung und Verwaltung erfasst. Ein Beispiel für die Neugestaltung der Beziehung Verwaltung-Bürger stellt das Liegenschaftskataster-Online dar. Auszüge aus dem Liegenschaftskataster sollen zukünftig mit elektronischen On-Line-Diensten rund um die Uhr direkt vom häuslichen PC aus abgefragt werden können. Aber auch die Beschaffung von Gütern für die Behörden der Landesverwaltung soll zukünftig auf elektronischem Weg ermöglicht werden. Dies ist nicht nur ein erleichterter Zugang von Unternehmen zur öffentlichen Verwaltung, sondern wird auch nach den Erfahrungen des Bundes und anderer Bundesländer zu Kosteneinsparungen führen. Anrede die Funktionalreform stellt den zweiten gesetzgeberischen Baustein zur Verwaltungsmodernisierung dar. Auch hier hat die Vorgängerregierung den Fehler begangen, mit dem zweiten Vorschaltgesetz vom 15. Mai 2001 zunächst Größenklassen für die kommunalen Körperschaften festzulegen, ohne dabei deren Aufgabenbestand abschließend zu definieren. Die von uns beabsichtigte Funktionalreform vermeidet diesen Fehler. Zunächst wird der von der kommunalen Ebene zu übernehmende Aufgabenbestand festgelegt. Ziel dieses Reformvorhabens ist es nämlich, staatliche Aufgaben soweit wie möglich ortsnah zu erledigen. Dabei sollen Aufgabenzuständigkeiten so geregelt werden, dass deren Erledigung bürgerfreundlich und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgen kann. Leitlinie für die zu übertragenden Aufgaben wird der Entschließungsantrag des Landtages vom 17.01.2002 sein. Mit der Verabschiedung eines Gesetzentwurfes zur Funktionalreform, dessen Einbringung für das erste Quartal 2003 geplant ist, wird der Landtag abschließend die zu übertragenden Aufgaben bestimmen. Von daher kann die Beantwortung einiger Fragen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen. Auch bei der Funktionalreform müssen die Behördenstrukturen den Aufgaben folgen. Werden die derzeit in Sachsen-Anhalt vorhandenen kommunalen Strukturen betrachtet, kann festgestellt werden, dass die Landkreise und kreisfreien Städte bereits jetzt in der Lage sind, weitere staatliche Aufgaben zu erfüllen. Dies belegt auch ein Blick über die Landesgrenzen. Außerhalb von Sachsen-Anhalt existieren 50 Landkreise, die unter der Durchschnittsgröße von Landkreisen in Sachsen-Anhalt liegen. Trotz der in diesen Ländern durchgeführten Kommunal- und Verwaltungsreformen wurde ihre Existenzberechtigung nicht in Frage gestellt. Anrede, den dritten gesetzgeberischen Baustein der Verwaltungsmodernisierung stellt die interkommunale Aufgabenverlagerung dar, die nicht nur Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zum Inhalt hat, sondern auch Selbstverwaltungsaufgaben. Auch bei Selbstverwaltungsaufgaben kann im Interesse des Gemeinwohls und der Effizienz eine gemeinsame Erledigung angezeigt sein. Hierfür bietet das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit zwar ein Instrumentarium, dieses ist allein jedoch nicht ausreichend. Daher sollen möglichst frühzeitig und parallel zur Funktionalreform geeignete Instrumentarien für eine gemeinsame Tätigkeit von Kommunen geschaffen werden. Dies wird Anfang 2003 in einem ersten Schritt durch die Novellierung des Rechts der Verwaltungsgemeinschaften auf konkrete gemeindliche Aufgaben bezogen und in einem zweiten Schritt durch eine Novellierung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit in mehr genereller Hinsicht geschehen. Mit dieser Abfolge des Reformprozesses wird sichergestellt, dass jegliche Verwaltungsstruktur rein aufgabenbezogen und nicht lediglich an Zahlengrößen ausgerichtet ist und nur aus diesem Grund auch Veränderungen im Sinne einer Optimierung unterliegen kann. Zusammenfassend stelle ich daher fest, dass Grundlagen für Modernisierung aller Zweige der öffentlichen Verwaltung in diesem Jahr gelegt wurden. Bis Ende 2003 werden die geplanten Maßnahmen weitgehend abgeschlossen oder zumindest sehr weit auf den Weg gebracht sein. Anrede Ich denke, dass mit meinen Ausführungen das Konzept der Landesregierung zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung deutlich geworden ist. Ich bitte dabei abschließend zu beachten, dass wir nach einem guten halben Jahr der Regierungsübernahme doch ein beträchtliches Stück des Weges vorangekommen sind, den die Vorgängerregierung in acht Jahren Regierungszeit nicht zurücklegen konnte. Gleichzeitig dürfte deutlich geworden sein, dass die geplante Reform von uns auch tatsächlich umgesetzt wird und sich nicht in Vorschaltgesetzen und bloßen Entschließungsanträgen erschöpft. Unsere Reformmethodik lautet: Akzeptanz durch überzeugung, Mitgestaltung und Freiwilligkeit! Ich lade Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, zur konstruktiven Mitwirkung an diesem Prozess ein. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. 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