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Magdeburg, den 12.05.2003

Innenminister Jeziorsky stellt Verfassungsschutzbericht 2002 vor: Nach wie vor latente Gefahr durch internationalen Terrorismus/ Stärkung der Verfassungsschutzbehörde/ Rückgang politisch motivierter Straftaten im Bereich Rechts

Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 224/03 Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 224/03 Magdeburg, den 13. Mai 2003 Innenminister Jeziorsky stellt Verfassungsschutzbericht 2002 vor: Nach wie vor latente Gefahr durch internationalen Terrorismus/ Stärkung der Verfassungsschutzbehörde/ Rückgang politisch motivierter Straftaten im Bereich Rechts In ihrer heutigen Kabinettssitzung hat die Landesregierung den von Innenminister Klaus Jeziorsky eingebrachten Verfassungsschutzbericht 2002 zur Kenntnis genommen. Der Bericht beschreibt in erster Linie die Entwicklungen in den Bereichen des politischen Extremismus. Seine vorrangige Aufgabe ist die Information und Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger. Innenminister Jeziorsky: ¿Der Verfassungsschutzbericht 2002 informiert über die Gefahren des politischen Extremismus jeglicher Couleur  und die Absichten von Verfassungsfeinden. Solche Informationsangebote sind Ausdruck und wichtiges Instrument einer wehrhaften Demokratie.¿ Nach den verheerenden Anschlägen des 11. September 2001 habe das Berichtsjahr unter dem Eindruck einer weltweit veränderten Sicherheitslage gestanden. Die weiteren Attentate auf Djerba und Bali sowie in Moskau und Mombasa hätten verdeutlicht, dass von dem internationalen Terrorismus nach wie vor eine nicht auf bestimmte Länder oder Erdteile beschränkte, latente Bedrohung ausgehe. ¿Dies ist kein Grund, in Panik zu verfallen, zeigt aber die Notwendigkeit eines konsequenten Handelns aller Verantwortlichen in Politik und Behörden¿, so der Innenminister. Folgerichtig seien im Jahr 2002 mit zahlreichen Gesetzesänderungen die Rahmenbedingungen für ein effektiveres Wirken der Sicherheitsbehörden geschaffen worden. Im Zuständigkeitsbereich des Innenministers betreffe dies auch die Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung der Verfassungsschutzbehörde, die zudem in ihrer Organisationsstruktur den aktuellen Erfordernissen angepasst worden sei. Dem Verfassungsschutz komme in dem gerade jetzt notwendigen Zusammenwirken aller Sicherheitsbehörden eine besondere Bedeutung zu, da seine Tätigkeit darauf abziele, mögliche terroristische und extremistische Bestrebungen zu beobachten und frühzeitig Gefahren zu erkennen. In diesem Zusammenhang habe auch die Beobachtung des nach wie vor starken Rechtsextremismus eine besondere Bedeutung. Erfreulicherweise seien die politisch motivierten Straftaten dieses Spektrums im Berichtsjahr in Sachsen-Anhalt deutlich zurückgegangen. Eine ebenfalls rückläufig Tendenz zeige die Anzahl hiesiger Neonazis, obgleich deren vornehmlich im Raum Halle betriebener Ausbau von Strukturen weiterhin genau beobachtet werden müsse. Jeziorsky bewertete den Bedeutungsverlust der im Land aktiven rechtsextremistischen Parteien DVU, REP und FDVP positiv. Ob und inwieweit der NPD-Landesverband hiervon und vom Ausgang des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht profitiere, werde von der Verfassungsschutzbehörde aufmerksam verfolgt. Zur so genannten V-Mann-Problematik betonte der Minister: ¿Es ist es mir wichtig, bei dieser Gelegenheit zu versichern, dass eine von der NPD selbst unterstellte Steuerung der Politik der Partei durch V-Leute von der Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt nicht stattgefunden hat.¿ Auch die Aktivitäten von Linksextremisten, so Jeziorsky weiter, bedürften weiterhin der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Dies belegten vor allem zahlreiche gewalttätige Aktionen, wie zum Beispiel die in Magdeburg stattgefundenen Brandanschläge der Gruppe ¿kommando `freilassung aller politischen gefangenen¿¿, die inzwischen Ermittlungen des Generalbundesanwaltes nach sich zögen. Insgesamt weise die Statistik des Landeskriminalamtes für das Berichtsjahr einen deutlichen Rückgang politisch motivierter Straftaten aus. Gleichzeitig sei die Zahl politisch motivierter Gewalttaten angestiegen. Die wichtigsten Themenbereiche im Einzelnen: I.       Rechtsextremismus Das rechtsextremistische Personenpotenzial nahm in Sachsen-Anhalt im Berichtszeitraum deutlich ab. Dies ist vor allem auf den Mitgliederverlust der rechtsextremistischen Parteien zurückzuführen. Rechtsextremisten 2001 2002 Parteien und Vereinigungen 830 310 Neonazis 300 250 Gewaltbereite Rechtsextremisten 750 730 Sonstige Personenzusammenschlüsse 30 30 Gesamt: 1.910 1.320 Die hiesige, nicht partei- oder organisationsgebundene, rechtsextremistische Szene ließ sich im Berichtszeitraum kaum noch als rein neonazistisch oder subkulturell geprägt einordnen. Vielmehr muss inzwischen von ¿Mischszenen¿ ausgegangen werden, die im Sinne der so genannten ¿Organisierung ohne Organisation¿ als ¿Kameradschaften¿ oder ¿Freie Nationalisten¿ in Erscheinung treten. Die Anzahl politisch motivierter Straftaten im Bereich Rechtsextremismus nahm deutlich ab. Gleichzeitig stieg die Zahl der Gewalttaten in diesem Bereich an. Von dem gewaltbereiten rechtsextremistischen Personenkreis geht nach wie vor eine erhebliche Gefahr aus. Antisemitische Gewalttaten wurden nicht bekannt. Gleichwohl gab es antisemitische Schmierereien. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten schaukelten sich Mitte des Jahres bedrohlich hoch. Beide extremistische Szenen bezichtigten sich einer Reihe von Gewalttaten. Dabei handelte es sich vorwiegend um Brandanschläge gegen Treffpunkte des jeweils anderen Lagers. Rechtsextremistische Skinheads verbreiteten auch im Berichtszeitraum ihre dumpfe Propaganda über das Internet. Mit einer weiteren Zunahme der Agitation über dieses Medium ist angesichts der Möglichkeiten des anonymen Handelns zu rechnen. Bundesweit, so auch in Sachsen-Anhalt, stieg die Anzahl rechtsextremistischer Skinheadkonzerte und so genannter Liederabende erstmals seit 1998 wieder an. Gleichwohl konnte im Berichtsjahr eine Vielzahl solcher Veranstaltungen verhindert werden. Allerdings wird der Zugriff der Sicherheitsbehörden durch die zunehmend konspirative Organisierung der Treffen erschwert. Als Veranstaltungsorte dienen häufig Räumlichkeiten, die in der Verfügungsgewalt von Rechtsextremisten liegen. Auch werden Konzerte und Treffen als ausschließlich private Veranstaltungen deklariert, um das Eingreifen der Sicherheitsbehörden rechtlich zu erschweren. Zum Teil erfolgen Anmeldungen der Konzerte bei den zuständigen Ordnungsbehörden, um im Falle eines Verbotes den Rechtsweg beschreiten zu können. Das Potenzial der Neonaziszene ist in Sachsen-Anhalt von etwa 300 Personen im Jahr 2001 auf nunmehr 250 gesunken. Eine vergleichbare Entwicklung gab es auch auf Bundesebene. Neonazistische Kameradschaften banden sich ¿ anders als im Vorjahr ¿ zum überwiegenden Teil nicht mehr an die NPD. Vielmehr erfolgte eine Annäherung von Neonazis und gewaltbereiten Rechtsextremisten. Im Berichtszeitraum waren Bemühungen einiger rechtsextremistischer ¿Vordenker¿ aus den Reihen der NPD, des ¿Deutschen Kollegs¿ (DK) und anderer sich der ¿nationalen Bewegung¿ verpflichtet fühlender Publizisten um eine Intensivierung der seit Jahren stagnierenden Ideologiedebatte auszumachen. Innerhalb der rechtsextremistischen Parteienlandschaft hat lediglich die ¿Nationaldemokratische Partei Deutschlands¿ (NPD) noch eine gewisse Bedeutung. Als Folge des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht entfaltete die NPD in Sachsen-Anhalt weniger Aktivitäten als im Vorjahr. Die Anzahl der Parteimitglieder ging im Berichtszeitraum bundesweit von 6.500 im Jahr 2001 auf etwa 6.100 zurück. Der Landesverband Sachsen-Anhalt verlor etwa ein Fünftel seiner Mitglieder (200 zum Ende des Berichtsjahres, 240 im Vorjahr). Die innerparteiliche Opposition um Steffen Hupka, die ¿Revolutionäre Plattform¿ (RPF), löste sich formal auf und ist nunmehr ohne Bedeutung. Die übrigen in Sachsen-Anhalt aktiven rechtsextremistischen Parteien ¿Deutsche Volksunion¿ (DVU), ¿Freiheitliche Deutsche Volkspartei¿ (FDVP) und ¿Die Republikaner¿ (REP) waren im Berichtszeitraum weitgehend ohne Bedeutung. II. Linksextremismus Das linksextremistische Personenpotenzial nahm in Sachsen-Anhalt im Berichtszeitraum leicht zu. Linksextremisten 2001 2002 Parteien und Vereinigungen 270 290 Autonome 340 340 Gesamt: 610 630 Die Situation der linksextremistischen Szene hat sich insgesamt aber nur leicht verändert. Schwerpunkte der hiesigen Autonomenszene befinden sich nach wie vor in den Städten Magdeburg, Halle und Dessau. Darüber hinaus wurden entsprechende Aktivitäten vor allem in den Regionen Salzwedel, Stendal, Haldensleben, Gardelegen, Merseburg, Bitterfeld, Burg, Genthin und Halberstadt/Quedlinburg beobachtet. Autonome aus Sachsen-Anhalt kooperieren vor allem mit Gleichgesinnten aus den angrenzenden Bundesländern und Berlin. Der ¿Antifaschismus¿ ist nach wie vor zentrales Thema der Autonomenszene in Sachsen-Anhalt, wobei der ¿antifaschistische Kampf¿ als ¿ oftmals gewalttätiges ¿ Vorgehen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, deren Eigentum und Versammlungsstätten begriffen wird. In diesem Zusammenhang standen im Berichtszeitraum erneut diverse Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten und vermeintlichen Rechtsextremisten. Häufig wurde die unmittelbare Konfrontation mit der rechtsextremistischen Szene bei deren Demonstrationen gesucht. Zudem wurden im Berichtszeitraum neben spontanen Gewalttätigkeiten wechselseitig mehrere Brandanschläge verübt. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang insbesondere zwei solcher Taten, die sich gegen die als Treffpunkt von Rechtsextremisten geltende Magdeburger Gaststätte ¿Zum Reinheitsgebot¿ richteten. Weiteres Aktionsfeld Autonomer war vor allem der ¿Kampf gegen Umstrukturierung¿, der sich vornehmlich gegen die Räumung des Magdeburger Szeneobjektes ¿Ulrike¿ - eines besetzten Hauses in der Große-Diesdorfer-Straße - richtete und Ausgangspunkt einer Reihe weiterer themenbezogener Aktivitäten war. Innerhalb der hiesigen Autonomenszene wurden in Ansätzen terroristische Strukturen erkennbar. In diesem Zusammenhang ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Personen aus der Magdeburger Autonomenszene: Das ¿kommando `freilassung aller politischen gefangenen¿¿ bekannte sich zu zwei am 18. März verübten Brandanschlägen auf ein Gebäude des Landeskriminalamtes und ein Fahrzeug des Bundesgrenzschutzes in Magdeburg. In ihrer Selbstbezichtigung rechtfertigte die Gruppe ihre Anschläge als einen Angriff auf den ¿Gewaltapparat der Herrschenden¿ und bezeichnete sich als Teil einer ¿neuen revolutionären Bewegung¿. Die Anzahl politisch motivierter Straftaten im Bereich Linksextremismus ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. Dies ist im Wesentlichen auf im Vorfeld der Landtagswahlen registrierte Delikte zurückzuführen, die sich in der Mehrzahl gegen die ¿Wahlwerbung rechtsorientierter Parteien¿ richteten. Dabei wurden Wahlplakate beschmiert, abgerissen oder zerstört. Bei den Gewalttaten ist ein geringer Rückgang zu verzeichnen. Die traditionell-kommunistischen Organisationen hielten weiter am klassischen Konzept eines langfristig betriebenen Klassenkampfes mit dem Ziel der Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft fest. Sie versuchten ihre ansonsten geringe Außenwirkung vor allem durch Agitation zu den Landtags- und Bundestagswahlen zu erhöhen. III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Im Bereich des Ausländerextremismus gehen derzeit bundesweit die größten Gefahren von islamistischen Gruppierungen aus. Obgleich in Sachsen-Anhalt bislang keine Organisationsstrukturen von Islamisten bekannt wurden, ist davon auszugehen, dass sich deren Tätigkeit auch hier sicherheitsrelevant auswirken dürfte. In Sachsen-Anhalt sind die Strukturen extremistischer Organisationen von Ausländern noch nicht in dem Maße verfestigt wie in den alten Bundesländern. So verfügte in Sachsen-Anhalt lediglich der ¿Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans¿ (KADEK), ehemals ¿Arbeiterpartei Kurdistans¿ (PKK), über solche Strukturen, wogegen sich andere Organisationen oder Gruppierungen erst im Aufbau befinden. Wie in der gesamten Bundesrepublik entsprachen die Aktivitäten der Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten des KADEK auch in Sachsen-Anhalt dem von der Partei vorgegebenen friedlichen Kurs und wurden gewaltfrei und ohne Störungen durchgeführt.Das Engagement für den KADEK geht in Sachsen-Anhalt vor allem von dem Verein ¿Mezopotamien Kultur Haus e. V.¿ in Halle und dem ¿Kurdisch-Deutschen Kulturverein Magdeburg e. V.¿ aus. Im Bereich des Ausländerextremismus gab es auf niedrigem Niveau einen geringfügigen Zuwachs an Straftaten; Gewalttaten wurden hingegen weniger registriert. Anlage Straf- und Gewalttatenstatistik Vorbemerkung: Bei den statistischen Angaben zu den Straf- und Gewalttaten handelt es sich um Zahlen, die dem Landeskriminalamt im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes ¿Politisch motivierte Kriminalität¿ zu übermitteln sind. Dieser Meldedienst beruht auf einem bundesweit einheitlichen Definitionssystem, das die Ständige Konferenz der Innenminister und ¿senatoren der Länder (IMK) am 10.05.2001 beschlossen und rückwirkend zum 01.01.2001 eingeführt hat. Danach werden Straftaten nach einem einheitlichen Kriterienkatalog erfasst und einem Phänomenbereich (im Wesentlichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts-, Politisch motivierte Ausländerkriminalität) zugeordnet. Damit ist erstmals ein uneingeschränkter zahlenmäßiger Vergleich mit dem Vorjahr möglich. Zentrales Erfassungskriterium ist die politisch motivierte Tat. Der extremistischen Kriminalität ¿ als Teilmenge der politisch motivierten Kriminalität ¿ werden Straftaten zugerechnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt darauf, fundamentale Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. In Sachsen-Anhalt wurden im Berichtsjahr in den Phänomenbereichen Poltisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts- und Politisch motivierte Ausländerkriminalität insgesamt 722 (Vorjahr: 927) Straftaten registriert. Diese verteilen sich wie folgt: Politisch motivierte Straftaten nach Phänomenbereich 2001 2002 -rechts- 830 618 -links- 92 97 Ausländerkriminalität 5

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