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Magdeburg, den 12.06.2003

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Gesetzentwurf der PDS-Fraktion "Wiederherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit"

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 088/03 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 088/03 Magdeburg, den 13. Juni 2003 Es gilt das gesprochene Wort! Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Gesetzentwurf der PDS-Fraktion "Wiederherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit" TOP 11 der Landtagssitzung vom 12./13. Juni 2003 Anrede, die PDS greift mit ihrem Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit ein seit geraumer Zeit drängendes Problem auf. Das verdient durchaus Anerkennung. Das kommunale Finanzproblem, denn darum handelt es sich im Kern, ist ein ausgesprochen vielschichtiges; mit einem Konglomerat von Ursachen und Wirkungen. Hinzu tritt eine zeitliche Komponente. Der momentane Zustand ist nicht das Produkt eines Augenblicks. Unmöglich kann ich in der hierzu zur Verfügung stehenden Zeit alle Aspekte anreißen. Ich beschränke mich daher auf Stichworte. An den Anfang der Ursachenanalyse gehört die verfehlte Steuerreformpolitik der gegenwärtigen Bundesregierung. Rot-Grün hat dafür gesorgt, dass Großkonzerne zum Teil überhaupt keine Steuern mehr zahlen. Das führt bei Bund, Ländern und Kommunen zu gravierenden Steuerausfällen. Die kommunalen Gewerbesteuereinnahmen haben einen Einbruch zu verzeichnen wie noch nie. Um dem noch die Krone aufzusetzen, hat der Bund die von den Kommunen an Bund und Länder abzuführende Gewerbesteuerumlage drastisch erhöht. Hinzu kommt die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Im Ergebnis ist die Lage inzwischen so desaströs, dass der Bund sich veranlasst sah, eine Gemeindefinanzreformkommission ins Leben zu rufen. Ob aber wirklich - wie angekündigt - für 2004 schon Entlastungen der Kommunen zu erreichen sein werden, ist äußerst fraglich. Zu den Stichworten im Weiteren gehört die andauernde Steuerschwäche der Kommunen in den neuen Bundesländern. Ostspezifisch ist auch der nach wie vor bestehende Nachholbedarf in der Infrastruktur, die im Vergleich noch größere Wirtschaftsschwäche, ein geringeres Produktivitätsniveau, hohe Arbeitslosenzahlen, sinkende Bevölkerungszahlen, Strukturprobleme in der öffentlichen Verwaltung, Vergütungs- und Besoldungsanpassung u. a. Nicht gänzlich auszublenden sind auch die durch in zurückliegenden Legislaturperioden getroffenen Entscheidungen und allgemeinen Rahmenbedingungen hervorgerufenen Zwänge für den Landeshaushalt mit seinen Auswirkungen wiederum auf die kommunalen Finanzen. Was bietet nun der Lösungsansatz der PDS? Jedenfalls nicht den Stein der Weisen zur Lösung der kommunalen Finanzprobleme! Er bietet aber auch nicht einmal eine brauchbare Zwischenlösung. Die PDS schlägt vor, befristet aus der Muss-Regelung zum Haushaltsausgleich eine Soll-Regelung zu machen. Entsprechendes soll für die Finanzplanung gelten. Dieser Vorschlag beinhaltet nicht einmal im Ansatz eine Problemlösung. Im Klartext sagt er nur: Lasst uns für einige Jahre die Augen verschließen, damit wir uns die Probleme nicht ansehen müssen. Dahinter vermag ich nur noch das "Prinzip Hoffnung" zu erkennen, die in einigen Jahren weiter angewachsenen Probleme leichter lösen zu können. Mit seriöser Finanzpolitik hat das in meinen Augen wenig zu tun. Die unausweichliche Konsequenz spricht die PDS nämlich nicht aus. Sie lautet: Momentan werden wir mit dem Problem nicht fertig, lasst uns weiter tüchtig Schulden machen. Dieser "Kopf-in-den-Sand"-Vorschlag widerstrebt mir zutiefst. Probleme, deren Lösung man jetzt anpacken kann, muss man auch sofort in Angriff nehmen. Die Erfahrung lehrt uns, dass Verschieben alles nur noch viel schlimmer macht. Kommunale Welten, die dann in der Konsequenz nur noch (wie lange?) über Kassenkredite "vegetieren" können, sind für diese Regierung kein Leitbild. Anrede, natürlich wissen auch wir, dass das Investitionsverhalten der öffentlichen Hand nicht ohne Auswirkungen auf die Beschäftigungslage, insbesondere in der Bauwirtschaft ist. Deshalb haben wir vorgesorgt und z. B. auch das 100 Millionen Euro umfassende Programm KommInvest 2003 aufgelegt. Das sind voll finanzierte Investitionsmöglichkeiten, die jederzeit von den Kommunen genutzt werden können, auch in Zeiten vorläufiger Haushaltsführung. Das heißt also mit anderen Worten, ob ein Haushalt da ist oder nicht, ob er genehmigt ist oder nicht, ist völlig unbedeutend; lediglich über die Folgekosten muss man sich Gedanken machen. Anrede, allein die Investitionen der öffentlichen Hand können jedoch eine fehlende Konjunktur nicht ersetzen. Derartige Denkansätze sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Zurück zur von der PDS vorgeschlagenen "Wiederbelebungsmaßnahme", zur Soll-Regelung für den Haushaltsausgleich. 9 von 13 Ländern (ohne Stadtstaaten) haben in ihren Gemeindeordnungen die Muss-Regelung zum Haushaltsausgleich festgeschrieben, während in 4 Ländern eine Soll-Regelung besteht. Die Vorstellungen, die mit einer Soll-Regelung verknüpft werden, sind offenkundig überzogen. Auch unter der Geltung einer Soll-Regelung ist das Ziel des Haushaltsausgleichs nicht in das Belieben gestellt. Rechtlich ist Soll im Regelfall gleich Muss! Natürlich lässt sich in der Praxis die reine Lehre der rechtlichen Anforderungen nicht immer verwirklichen. Wenn objektiv nachvollziehbar ein Haushalt zur Zeit einfach nicht auszugleichen ist, muss dieses Faktum unabhängig von der Formulierung einer gesetzlichen Muss- oder Soll-Regelung hingenommen werden. Wie geht die Praxis mit solchen Fällen um? Es wird ein Haushaltskonsolidierungskonzept gefordert, das den Haushaltsausgleich künftig herbeiführt. Regelmäßig soll dieses Ziel im Zeitrahmen der mittelfristigen Finanzplanung erreicht werden. Aber auch dieser Zeitraum lässt sich einfach nicht immer einhalten. Wie bereits gesagt, muss in diesen Fällen die objektive Unmöglichkeit akzeptiert werden und der Zeitraum der Haushaltskonsolidierung verlängert werden. In Sachsen-Anhalt geschieht dies nach konkret individueller Prüfung. Anderenorts akzeptiert man inzwischen von vornherein einen längeren Zeitraum. Das bedeutet aber, dass auch in den Fällen, in denen es eigentlich nicht geboten ist, die teure Zeit der Führung unausgeglichener Haushalte (Kassenkredite!) hingenommen wird. Eine solche Verfahrensweise kann man aber praktizieren sowohl unter einer Muss-Regelung wie auch unter einer Soll-Regelung. Das Recht braucht man deshalb nicht zu ändern. Die notwendigen Maßnahmen zur Behandlung der Lebenssachverhalte spielen sich nämlich unterhalb der Ebene der Rechtsetzung in der Ebene der Rechtsanwendung ab. Der Praxis, d. h. den Kommunalaufsichtsbehörden in Sachsen-Anhalt, wird zum Teil - und das sind regelmäßig die betroffenen Kommunen ¿ vorgehalten, sie wäre besonders eng in der Rechtsanwendung. Das bisherige Verhalten und die aktuellen Zahlen belegen diesen Vorwurf nicht. Auch bislang wurden in Sachsen-Anhalt unausgeglichene Haushalte von Kommunen akzeptiert, wenn ein Haushaltskonsolidierungskonzept vorgelegt wurde, das den künftigen Haushaltsausgleich aufzeigte. Es wurde und wird auch akzeptiert, dass der Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung überschritten wird. Unabdingbar ist andererseits aber, dass am Ende ein Haushaltsausgleich aufzuzeigen ist. Dies gilt wiederum unabhängig von der landesrechtlichen Ausgestaltung des kommunalen Haushaltsrechts mit einer Soll- oder Muss-Regelung. Die Verfassung setzt nämlich im Interesse einer kontinuierlichen Aufgabenerfüllung das dauernde Bestehen der Kommune als eine der Säulen des Staates neben Bund und Ländern voraus. Es darf nicht sein, dass diese Ebene ausfällt. Sie kann aber auf Dauer nur existieren bei ausgeglichenen Haushalten. Deshalb handelt es sich hier um eine dem einfachen Recht übergeordnete Verfassungsforderung. Anrede, nun zu exakten Zahlen: von den Ende Mai vorgelegten und von der Kommunalaufsicht bearbeiteten 879 kommunalen Haushalten waren 657 ausgeglichen. Das sind ziemlich exakt 75 %. Für das restliche Viertel wird aller Voraussicht nach die Freigabe unter Vorlage eines hinreichenden Haushaltskonsolidierungskonzeptes ebenfalls in Betracht kommen. Die im Antrag der PDS genannten Zahlen entsprechen nicht der Berichtslage meines Hauses. Dies gilt im übrigen auch für den Haushalt der Landeshauptstadt Magdeburg. Ich habe in dieser Woche gemeinsam mit dem Regierungspräsidenten ein Gespräch mit dem OB geführt, in dessen Ergebnis ich davon ausgehe, dass die Genehmigung unter Auflagen bereits Anfang kommender Woche erteilt werden kann. Daran wird deutlich, dass die bestehenden rechtlichen Regelungen einen sachgerechten Umgang mit den kommunalen Haushalten ohne Weiteres zulassen. Ich halte deshalb die von der PDS-Fraktion vorgeschlagene Neuregelung für nicht erforderlich. Impressum: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Halberstädter Straße 1-2 39112 Magdeburg Tel: (0391) 567-5516 Fax: (0391) 567-5519 Mail: pressestelle@mi.lsa-net.de

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