Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer spricht jetzt im Bundestag zur Wirtschaftspolitik
Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 165/04 Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 165/04 Magdeburg, den 28. April 2004 Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer spricht jetzt im Bundestag zur Wirtschaftspolitik Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer spricht heute, Mittwoch, 28. April 2004, 15.30 Uhr, in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. In der Anlage erhalten Sie den Redetext. Rede von Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2004 Anrede, Die Reduzierung der wirtschaftlichen Prognosedaten betrifft uns alle. Sie wird wieder diejenigen am meisten treffen, deren wirtschaftliche Entwicklung ohnehin schon am schlechtesten ist. Seit etwa 1998 ist das wirtschaftliche Bruttowachstum in den neuen Bundesländern geringer als in den alten. Wir müssen dann immer wieder mit dem gepflegten Vorwurf leben, die uns zur Verfügung gestellten finanziellen Hilfen nicht zweckentsprechend verwandt zu haben. Dies ist unbegründet. Seit der Wiedervereinigung hat es in den neuen Bundesländern einen wirtschaftlichen Transformationsprozess und einen Strukturwandel gegeben, der in der Wirtschaftsgeschichte beispiellos ist. Dabei gibt es viele vorzeigbare Erfolge. Richtig ist auch, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen sein kann und ungleichmäßig verlaufen ist. Die neuen Bundesländer umfassen ein Drittel der Fläche, weniger als ein Fünftel der Bevölkerung, und leisten ein Zehntel des Sozialprodukts und nur gut ein Zwanzigstel des Exports von Deutschland. Gemessen am westdeutschen Niveau beträgt das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 62 %, die Produktivität durchschnittlich 72 %, der Kapitalstock je Einwohner 68 %, die öffentliche Infrastruktur je Einwohner 75 %, die Selbständigenquote 88 %, die Lohnstückkosten 108 %, die Arbeitslosenquote 254 %. Da der wirtschaftliche Strukturwandel und Aufbauprozess nicht nur mit einer Währungs- und Wirtschaftsunion begann, sondern bald auch mit einer Sozial- und Rechtsunion, müssen wir Sozialleistungen finanzieren, die deutlich über der eigenen Wirtschaftskraft liegen. Wir müssen in einem Normendickicht und Rechtsrahmen entscheiden, den sich die alten Bundesländer auch erst Mitte der 70er Jahre gegeben haben, und unter dem sie auch nach eigener Sicht ihre Aufbauleistung während der 60er Jahre nicht hätten leisten können. Hinzu kommt, dass wir unsere Wirtschaft gegen einen gesättigten Markt aufbauen müssen und eigentlich nur als Kunden interessant waren und sind, während wir unsere Rolle als Produzenten mühsam erkämpfen müssen. Der so genannte Aufbau Ost ist noch lange nicht vollendet, er ist aber auch nicht grundsätzlich misslungen. Die uns zur Verfügung gestellten SOBEZ werden zur Behebung teilungsbedingter Sonderlasten verwandt. Aber dazu gehören eben auch die Finanzleistungen für die Sonderversorgungssysteme der ehemaligen DDR nach Maßgabe von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes. In keinem neuen Bundesland wir noch Wirtschaftsförderung nach dem so genannten Gießkannenprinzip praktiziert. Das gibt es nur noch in den Medien und wird dort stereotyp wiederholt. Wir möchten allerdings über Struktur- und Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung selbst entscheiden. Das Zusammenlegen der so genannten Ostförderung der vier Förderministerien der Bundesregierung mit zentraler Entscheidung über die Förderwürdigkeit würde die Wiederholung der Wirtschaftssteuerung durch eine neue staatliche Plankommission bedeuten, und wird von allen neuen Bundesländern abgelehnt. Es widerspräche auch zentralen Forderungen der Föderalismuskommission. Wir leugnen nicht, dass wir auch weiterhin Hilfe brauchen. Das heißt aber nicht, noch mehr Geld. Das heißt, mehr Rechte - uns selbst helfen zu können ¿ das heißt, mehr eigene Gestaltungs- und Regelungszuständigkeiten. Wir möchten Bundeswirtschaftsminister Clement beim Wort nehmen und eine so genannte Innovationsregion mit weitgehender Deregulierung werden. Wir brauchen zur Eingliederung von Langzeitarbeitlosen nicht nur eine kurzfristige Eingliederungshilfe, sondern für längere Zeit Lohnzuschüsse. Das ist immer noch besser als Sozialtransfer ohne Gegenleistung. Je eher die im so genannten Korb 2 zugesagten Investitionshilfen zur Verfügung gestellt werden, um so eher können sie wirksam werden. Die Entwicklung der Löhne muss sich konsequent an der Entwicklung der Produktivität orientieren. Was in den Niederlanden schon 1982 im so genannten Pakt von Wassenaar mit den Gewerkschaften vereinbart werden konnte, sollte auch bei uns möglich sein. Für unterentwickelte Regionen sollten grundsätzlich vereinfachte Regelungen im Genehmigungs- und Arbeitsrecht gelten. Dies verlangt eine grundsätzlich neue Strategie der Förderpolitik in Deutschland. Wir erfassen genügend Messdaten, um die wirtschaftliche Situation einer Region definieren zu können. Die Strukturförderung der Europäischen Union praktiziert das längst. Unabhängig von der geografischen Lage oder dem Alter eines Landes ist die Förderbedürftigkeit gegeben, wenn vereinbarte Messwerte in definierter Weise unterschritten werden. Das würde die gegenwärtige Diskussion in Deutschland entkrampfen. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland kann sich nicht bessern, wenn sie nicht zunächst dort besser wird, wo sie noch am schlechtesten ist. Die neuen Bundesländer werden nur aufholen, wenn sie über einen längeren Zeitraum ein höheres Wirtschaftswachstum haben als der Rest der Republik. Wenn uns das nicht gelingt, wird die gesamte Bundesrepublik darunter leiden. Die demografischen Verschiebungen und Wanderungsverluste werden zu Konsequenzen führen, die uns allen schaden und bestehende Probleme verschärfen. Die Wiedervereinigung will niemand rückgängig machen ¿ also können wir die Folgeprobleme nur durch eine gemeinsame Vorwärtsstrategie lösen. Es liegt im wohlverstandenen Interesse des Westens, dass der Aufbau Ost gelingt. Impressum: Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Domplatz 4 39104 Magdeburg Tel: (0391) 567-6666 Fax: (0391) 567-6667 Mail: staatskanzlei@stk.sachsen-anhalt.de
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