Auszüge aus der Rede des Innenministers Klaus Jeziorsky bei der Gedenkveranstaltung aus Anlass des 43. Jahrestages des Baues der Berliner Mauer am Grenzdenkmal Hötensleben
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 135/04 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 135/04 Magdeburg, den 13. August 2004 Auszüge aus der Rede des Innenministers Klaus Jeziorsky bei der Gedenkveranstaltung aus Anlass des 43. Jahrestages des Baues der Berliner Mauer am Grenzdenkmal Hötensleben Es gilt das gesprochene Wort! Am 10. November 1958 kündigte Nikita Chruschtschow, Generalsekretär der KPdSU und Vorsitzender des Obersten Sowjets der Sowjetunion, den Rückzug seines Landes aus der Viermächteverantwortung über Berlin an. Es sei an der Zeit, so der Parteichef, dass die Alliierten auf die Reste des Besatzungsregimes in Berlin verzichteten und dadurch die Herstellung "normaler Zustände in der Hauptstadt der DDR" ermöglichten. Die Sowjetunion werde jedenfalls der DDR alle ihre verbliebenen Hoheitsrechte übertragen. Mit dieser Rede löste Chruschtschow eine Krise um den Status der ehemaligen Reichshauptstadt aus, die zweieinhalb Jahre bedrohlich schwelen sollte. Die Berlin-Krise brachte die Welt an den Rand eines Krieges und führte u. a. zu einem massiven Anschwellen der Fluchtbewegung aus der DDR. Trotzdem verkündete Walter Ulbricht auf einer Pressekonferenz am 15. Juni 1961 eine der bekanntesten Lügen der Weltgeschichte, als er sagte: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Die politischen Führungen der DDR und der Sowjetunion bereiteten derzeit längst die Schließung der Grenze gemeinsam vor. Am 9. August 1961 liefen unter strengster Geheimhaltung die Vorberei-tungen für die Abriegelung Westberlins an. Im Ostberliner Polizeipräsidium wurde ein Haupteinsatzstab unter Leitung des damaligen ZK-Sekretärs der SED für Sicherheitsfragen, Erich Honecker, gebildet. Diesem Stab gehörten u. a. Staatssicherheitschef Erich Mielke sowie ein Vertreter der sowjetischen Streitkräfte an. In der Nacht zum 12. August legte die SED-Führung ihre Planung den verantwortlichen sowjetischen Diplomaten und Militärs vor. Unter Einsatz von Polizei-, Pionier- und Kampfgruppeneinheiten sollten über Nacht 45 Kilometer innerstädtische Grenze und 160 Kilometer am "Ring" um Westberlin abgeriegelt werden. Nach der Absegnung dieses Planes unterzeichnete Ulbricht am 12. August 1961 gegen 16:00 Uhr die Einsatzbefehle. Um 22:30 Uhr trat der Einsatzstab zusammen. Um ein Uhr nachts gingen an der Grenze die Lichter aus ¿ der Einsatz begann. Am 13. August 1961 waren gegen 06:00 Uhr die Zugangswege nach Westberlin im Wesentlichen abgeriegelt. Die "Mauer" stand. Das "Grenzloch" Berlin war geschlossen und die Fluchtmöglichkeit für DDR-Bürger nach Westberlin unterbunden. Der öffentlichkeit versuchte die SED-Führung dagegen ein anderes Motiv für den Mauerbau zu suggerieren. Die offizielle Verlautbarung des Ministerrats der DDR vom 12. August 1961 (Neues Deutschland vom 13. August 1961) lautete: "Zur Unterbindung der feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte Westdeutschlands und Westberlins wird eine solche Kontrolle an den Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich der Grenze zu den Westsektoren von Groß-Berlin eingeführt, wie sie an den Grenzen jedes souveränen Staates üblich ist. (...) Diese Grenzen dürfen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nur noch mit besonderer Genehmigung passiert werden. Solange Westberlin nicht in eine entmilitarisierte neutrale Freie Stadt verwandelt ist, bedürfen Bürger der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik für das überschreiten der Grenze nach Westberlin einer besonderen Bescheinigung." Die Abriegelung der Sektorengrenzen in Berlin am 13. August 1961 war in militärischer Hinsicht eine erfolgreiche Operation, deren Geheimhaltung hervorragend gelungen war. Doch die SED-Führung hatte keinen "Antifaschistischen Schutzwall" errichtet, wie sie später immer wieder behauptete. Sowohl die Mauer rings um Westberlin als auch das Grenzregime an der sogenannten "Staatsgrenze West" richteten sich nicht gegen angeblich drohende bewaffnete überfälle aus der Bundesrepublik. "Grenzverletzer", um an dieser Stelle hier einmal einen DDR-Begriff zu benutzen, waren fast ausschließlich die Menschen der DDR, die auf Grund der Mangelwirtschaft und der politischen Repressalien des SED-Regimes das Land verlassen wollten. Die Errichtung der Mauer hatte nicht etwa zum Ziel, einen feindlichen Angriff aufzuhalten und zu brechen, sondern die eigene Bevölkerung einzusperren. 1962 berichtete Walter Ulbricht an Nikita Chruschtschow, dass es im Zeitraum vom 13. August 1961 bis zum 27. Mai 1962, also innerhalb nur eines dreiviertel Jahres, an der Grenze rund um Berlin 22 Tote und 46 Verletzte gegeben hat. Das sind "nackte" Zahlen, aber hinter jeder Zahl steckt immer ein Einzelschicksal. Wenn die Weltöffentlichkeit in den Zeiten des Kalten Krieges auf die Teilung Deutschlands zu sprechen kam, dann hatte sie zumeist die Berliner Mauer im Sinn. Doch nicht weniger dramatisch und für die Menschen nicht weniger folgenschwer war die Abriegelung der Demarkationslinie zwischen Lübeck und Hof im Mai 1952, als ein "besonderes Grenzregime" an der Zonengrenze mit einem 5 km tiefen Grenzgebiet geschaffen wurde. ür Tausende Menschen, die bis zu dieser Zeit auch über Hötensleben die Kontakte zu ihren Verwandten im Westen pflegten oder einfach nur nach Schöningen zum Einkaufen über die grüne Grenze gelangen wollten, war dieses nun ein gefährliches Unterfangen. Auch Hötensleben lag fortan am Ende der Welt, wenn man es so ausdrücken will. Was im Jahre 1946 mit einem Bretterzaun vor der Brücke über den Grenzbach Aue begann, entwickelte sich in den Jahren und Jahrzehnten danach zu einem perfiden Sperrsystem. Letztlich konnten Mauer und Stacheldraht die inneren Widersprüche des kommunistischen Systems weder beseitigen noch die Bevölkerung auf Dauer einschüchtern. Die "Abstimmung mit den Füßen" der DDR-Bevölkerung und die friedliche Revolution im Herbst 1989, die letztlich zur Maueröffnung am 9. November 1989 führten, zeigen diese Wahrheit besonders eindrucksvoll. Im Ergebnis der friedlichen Revolution im Herbst 1989 in der ehemaligen DDR sind nach dem 9. November 1989 die Mauern entlang der ca. 1.300 km langen innerdeutschen Grenze gefallen. Es ist verständlich, dass große Teile der einst eingemauerten Bevölkerung dieses inhumane Bollwerk der SED-Diktatur für immer durch ihren Abbau beseitigen wollten. Doch bereits Anfang 1990 artikulierten sich weitsichtige Menschen, die schnell begriffen, dass zumindest Teile der Grenzanlagen erhaltenswürdig sind, um nachwachsenden Generationen als Anschauung von diesem menschenunwürdigen Grenzsystem dienen zu können. Damals ging von den Gemeindevertretern Hötenslebens der Beschluss aus, die Mauer in einem Teilabschnitt westlich des Dorfes unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Dies war gewiss keine populäre Maßnahme, wie sich in der Folgezeit zeigen sollte. Doch lassen Sie mich sagen: Die Entscheidung war richtig, weil sie zukunftszugewandt war, denn nach dem Untergang des repressiven SED-Staates wächst im vereinten Deutschland eine Generation heran, die über diese bedrückenden Erfahrungen nicht mehr verfügt. Bei den älteren drohen die Erinnerungen daran zu verblassen. Dabei sind erst 15 Jahre seit jenen bewegenden Ereignissen vom Herbst 1989 vergangen. Doch Anschauungsobjekte können die Menschen motivieren, das Andenken an die Opfer staatlicher Willkürherrschaft zu bewahren und sich Wissen über das SED-Regime anzueignen. Das Grenzdenkmal Hötensleben ist so ein im wahrsten Sinne geschichtsträchtiger Ort, der seine Besucher in besonderer Weise anzusprechen vermag. Hier wird die jüngste Nachkriegsgeschichte in einem wichtigen Teilkomplex aufbewahrt und lebendig. Ich freue mich insbesondere darüber, dass es einer kleinen Gruppe von Bürgern aus Hötensleben mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeinde Hötensleben gelang, diese Anlage unter Denkmalschutz zu stellen und damit für die Nachwelt zu erhalten. In der Zwischenzeit haben sich diese Menschen im Grenzdenkmalverein Hötensleben e.V. zusammen geschlossen. Mein Dank gilt insbesondere Herrn Achim Walter als Vorsitzendem des Grenzdenkmalvereins Hötensleben e.V. und Herrn Dieter Buchwald als Bürgermeister von Hötensleben und Vereinsmitglied. Danken möchte ich auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die durch ihre unermüdliche, engagierte und sachkundige ehrenamtliche Tätigkeit zum Erhalt und Fortbestand des Grenzdenkmals Hötensleben beigetragen haben. Das Land Sachsen-Anhalt ist sich seiner Verantwortung, einen Beitrag zum Fortbestand des Grenzdenkmals zu leisten, seit langem bewusst. Seit 1995 hat es mit nunmehr ca. 200.000 Euro den Erhalt des Grenzdenkmals Hötensleben unterstützt. Folgerichtig hat der Landtag Ende 2001 beschlossen, das Grenzdenkmal Hötensleben mit Wirkung zum 1. Januar 2004 durch das Land zu übernehmen. Es ist jetzt als Außenstelle in die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn eingegliedert worden. Für die wissenschaftliche und pädagogische Betreuung sowie die notwendigen denkmalgerechten Sanierungsarbeiten sind damit jetzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gedenkstättenreferates im Landesverwaltungsamt und insbesondere der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn verantwortlich. Das Land strebt mit dem Grenzdenkmalverein Hötensleben e.V. und der Gemeinde Hötensleben eine vertrauensvolle und in die Zukunft gerichtete Zusammenarbeit an. Uns eint das Ziel, alles dafür zu tun, das Grenzdenkmal Hötensleben als ein Zeugnis der deutschen Nachkriegsgeschichte zu erhalten. Impressum: Verantwortlich: Dr. Matthias Schuppe Pressestelle Halberstädter Straße 1-2 39112 Magdeburg Tel: (0391) 567-5516/5517 Fax: (0391) 567-5519 Mail: pressestelle@mi.lsa-net.de
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