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Magdeburg, den 04.03.2005

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zu den Vorfällen im Polizeigewahrsam TOP 16 der Landtagssitzung am 3./4. März 2005

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 030/05 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 030/05 Magdeburg, den 3. März 2005 Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zu den Vorfällen im Polizeigewahrsam TOP 16 der Landtagssitzung am 3./4. März 2005 Anrede, in den ersten zwei Monaten diesen Jahres starben in Gewahrsam der Polizei unseres Landes zwei Menschen. Die Medien haben ausführlich darüber berichtet. In Dessau kam am 7. Januar Oury Jallow auf tragische Weise bei einem Brand ums Leben. Und in Magdeburg verstarb am 18. Februar Michael Lippert vermutlich an Unterkühlung oder Herzversagen. Oury Jallow war erst 21 Jahre alt. Er war abgelehnter Asylbewerber und wohnte zuletzt in Roßlau. Michael Lippert verstarb in seinem 51. Lebensjahr. Er war am Ende seines Lebens ohne festen Wohnsitz. Ihr Tod muss jeden betroffen machen, der sich die letzten Stunden und Minuten ihres Lebens vor Augen führt. Dies gilt besonders für den fürchterlichen Tod, den Oury Jallow erlitten hat. Anrede, nach beiden Todesfällen hat die Polizei unverzüglich die erforderlichen Ermittlungen zur Todesursache aufgenommen: die Staatsanwaltschaft informiert bzw. dort Anzeige erstattet und unter deren Leitung weitere Ermittlungen eingeleitet bzw. durchgeführt. So ist es gesetzlich vorgeschrieben, und so haben Polizei und Staatsanwaltschaft gehandelt. Die öffentlichkeit ist über beide Fälle umgehend informiert worden. über die Presse ist auch über die Todesopfer und die Umstände berichtet worden, unter denen sie gestorben sind. Es ist berichtet worden über Versäumnisse oder Fehler von Polizeibeamten und die hierzu getroffenen disziplinarrechtlichen Maßnahmen: zum Beispiel Suspendierung des verantwortlichen Dienstgruppenleiters in Dessau, die Umsetzung von weiteren Beamten, die Einleitung von Disziplinarverfahren. über Einzelheiten wurde der Ausschuss für Recht und Verfassung informiert: am 2. Februar durch das Innenministerium und am 16. Februar durch das Innenministerium, den Generalstaatsanwalt sowie die zuständige Staatsanwaltschaft. Anrede, zu dem Todesfall in Dessau sind die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und die eingeleiteten Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen. Zu dem Todesfall in Magdeburg hat die Staatsanwaltschaft in einer Presseerklärung am 24. Februar mitgeteilt, dass gegen Polizeibeamte kein Anfangsverdacht für eine Straftat besteht. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung bestehen nach dieser Pressemitteilung derzeit jedoch gegen die Rettungskräfte, indem sie die weitere medizinische Versorgung des später Verstorbenen nicht für erforderlich hielten und ihn statt dessen in die Obhut der Polizei gaben. Ob diese mögliche Pflichtverletzung ursächlich für den Todeseintritt war, sei in weiteren Ermittlungen zu klären. Anrede, neben den genannten straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren sind eine Reihe präventiver Maßnahmen getroffen worden, um Risiken für die in polizeilichen Gewahrsam genommenen Personen weitestgehend auszuschließen. Unmittelbar nach dem Todesfall in Dessau ist angeordnet worden, alle im Land vorhandenen Gewahrsamsräume der Polizei hinsichtlich möglicher Mängel zu überprüfen und ggf. vorhandene Defizite sofort abzustellen. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt und beauftragt, den Komplex Unterbringung von Personen im Gewahrsam der Polizei umfassend zu untersuchen und bis zum 15. Mai einen Bericht vorzulegen. Schwerpunkte des Berichts sollen sein: Rechtsvorschriften sowie baulich-technische und administrativ-organisatorische Regelungen für den Polizeigewahrsam in den einzelnen Behörden und Dienststellen einschließlich Optimierungsbedarf. Die Arbeitsgruppe besteht aus knapp 30 Beamten der Polizei. Fachleute aus dem Justizvollzug und dem Geschäftsbereich des Sozialministeriums sollen beteiligt werden. Die Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten erhielten die Weisung, - nochmals alle Bediensteten auf den äußerst sorgsamen Umgang mit den in Gewahrsam genommenen Personen hinzuweisen und - die Gewahrsamsräume regelmäßig durch die Abteilungsleiter Polizei überprüfen und bei dieser Gelegenheit kontrollieren zu lassen, ob bei den in der Vergangenheit durchgeführten Ingewahrsamnahmen vorschriftsmäßig verfahren worden ist. Die Abteilungsleiter Polizei haben zukünftig mindestens vierteljährlich mit den für den Polizeigewahrsam unmittelbar Verantwortlichen zu erörtern, ob und ggf. welche Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen sind. Ferner haben die Polizeidirektionen (unabhängig von den Untersuchungen und Vorschlägen der Arbeitsgruppe sowie den aus ihrer Sicht erforderlichen Sofortmaßnahmen) die Gewahrsamnahmen der letzten zwei Jahre hinsichtlich der einzelnen polizeilichen Maßnahmen zu überprüfen und dabei festgestellte Mängel unverzüglich abzustellen. Zusätzlich haben die Behörden eine Reihe konkretisierender Anweisungen zur Gewahrsamsordnung von 1995 erhalten. Ich nenne einige Beispiele: 1. Die Kontrolle der in Gewahrsam genommenen Personen ist jeweils von zwei Beamten durchzuführen. Beide Beamte haben im Gewahrsamsbuch zu dokumentieren, wann die Kontrolle erfolgte und welche Feststellungen bei jeder Kontrolle getroffen wurden. Zur Kontrolle ist der jeweilige Gewahrsamsraum zu betreten. 2. Die Gewahrsamsräume sind unmittelbar vor und nach der Unterbringung von Personen gründlich durch zwei Beamte zu durchsuchen und hinsichtlich möglicher Mängel zu überprüfen. Die Durchsuchung und Prüfung sowie die dabei getroffenen Feststellungen sind von beiden Beamten zu dokumentieren. 3. Bereits bei der Anforderung des Arztes ist möglichst umfassend auf den Zustand der in Gewahrsam genommenen Person hinzuweisen und ¿ soweit möglich ¿ anzugeben, welche Untersuchungen und Feststellungen von Rettungssanitätern oder andere medizinisch fachkundigen Personen bereits getroffen worden sind. Ferner ist darzustellen, in welcher Situation die Person angetroffen bzw. aufgefunden wurde. 4. Der Arzt, der die Gewahrsamsfähigkeit prüft oder feststellt, ist zu befragen, - bei welchem Verhalten der in Gewahrsam genommenen Person eine erneute ärztliche Kontrolle erforderlich ist, - ob und ggf. in welchen Zeitabständen die Person vorübergehend bzw. kurzfristig zu wecken ist und - ob und ggf. in welchen Zeitabständen von weniger als einer halben Stunde die Person zu kontrollieren ist. 5. Es ist eine erneute ärztliche Untersuchung der in Gewahrsam genommenen Person erforderlich, sollte sie nach sechs Stunden Gewahrsam nicht bei klarem Bewusstsein sein. 6. Grundsätzlich sind keine Personen im Polizeigewahrsam zu halten oder in einem Gewahrsamsraum unterzubringen, - die zuvor versucht haben, sich selbst zu verletzen, - die unter Alkohol- und gleichzeitig unter Drogeneinfluss stehen, - die alkoholisiert sind, bei denen jedoch keine Atemalkoholkontrolle durchgeführt werden kann, - die nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung oder einem Unfall mehr als unerheblich verletzt oder aber bewusstlos angetroffen worden sind. Ergänzend zu diesen vorrangig polizeiinternen Maßnahmen ist das Sozialministerium gebeten worden, eine Prüfliste für die bei einer Ingewahrsamnahme erforderliche ärztliche Untersuchung und einen Katalog der Fälle zu erarbeiten, in denen eine Unterbringung im Polizeigewahrsam aus medizinischer Sicht nicht in Betracht kommt. Anrede, gestatten Sie mir abschließend einige Anmerkungen zum Antrag der PDS-Fraktion. Zu den von der PDS-Fraktion aufgeworfenen Fragen muss ich darauf verweisen, dass die von mir angesprochenen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind. Da kein Anlass besteht, daran zu zweifeln, dass diese Verfahren streng nach den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt werden, bedarf es auch keiner Aufforderung des Landtages zu einer vollständigen und rückhaltlosen Aufklärung an die Landesregierung. Hier den Eindruck zu vermitteln, dass die Justiz des Landes Sachsen-Anhalt erst durch den Landtag aufgefordert werden müsse, um die ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen, halte ich für unvertretbar. Anrede, natürlich ist die Landesregierung bereit, nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in den zuständigen Ausschüssen zu berichten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Impressum: Verantwortlich: Dr. Matthias Schuppe Pressestelle Halberstädter Straße 1-2 39112 Magdeburg Tel: (0391) 567-5516/5517 Fax: (0391) 567-5519 Mail: pressestelle@mi.lsa-net.de

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