: 47
Magdeburg, den 14.04.2005

Rede von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verfas­sungsschutzrechtlicher Vorschriften und zur Stärkung des Verfassungsschutzes

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 047/05 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 047/05 Magdeburg, den 14. April 2005 Rede von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verfas­sungsschutzrechtlicher Vorschriften und zur Stärkung des Verfassungsschutzes TOP 9 der Landtagssitzung am 14./15. April 2005 Anrede, die Welt steht heute vor einer neuen sicherheitspolitischen Herausforderung. Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus ist eine der großen Gefahren für die absehbare Zukunft. Die Anschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika sind uns allen noch in Erinnerung. Die Anschläge vom 11. März 2004 in Madrid, bei denen im Abstand weniger Minuten zehn Sprengsätze in vier Pendlerzügen explodierten und 191 Tote und mehr als 1.600 Verletzte forderten, haben zudem deutlich gemacht, dass sich auch Europa im Visier islamistischer Terroristen befindet. Vor diesem Hintergrund der weltweiten terroristischen Be­drohungslage und der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Sachsen-Anhalt als Teil eines weltweiten Gefahrenraumes anzusehen sind, kommt dem Ver­fassungsschutz bei der Terrorismusbekämpfung im Rahmen seiner Vorfeldaufklärung eine herausragende Aufgabe zu. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen daher die Befug­nisse des Verfassungsschutzes an diese Bedrohungslage angepasst werden. Insbesondere soll der Verfassungsschutz des Landes die Be­fugnis erhalten, auch solche Bestrebungen zu beobachten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten. Gerade sie sind ein gefährlicher Nährboden für den wachsenden Terroris­mus. Entsprechend den Regelungen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Bundes sollen die Befugnisse des Landesverfassungsschutzes an die des Bundesamtes für Verfassungsschutz angepasst werden. Diese Erweiterungen sind durchgängig mit der entsprechenden Festlegung von Kontrollrechten der einschlägigen parlamen­tarischen Gremien sowie der Wahrung der Rechte des Betroffenen verknüpft. Ausländische Gruppierungen nutzen ‑ wie der Anschlag vom 11. September 2001 gezeigt hat ‑ auch die Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung terroristischer Aktionen im Ausland. Dies gilt insbesondere für logistische Vorbereitungen und ihre Finanzierung. Die Verfassungsschutzbehörde benötigt daher Informationen über Geldflüsse und Kontobewegungen, um die finanziellen Ressourcen und damit die Gefährlichkeit solcher Finanzierungen frühestmöglich einschätzen zu können. Die Verfassungsschutzbehörde soll daher nach dem Gesetzentwurf eine mit einer Aus­kunftsverpflichtung der Geldinstitute korrespondierende Befugnis erhalten, unter den gesetzlichen Voraussetzungen Informationen über Konten einzuholen. Anrede, die Verfassungsschutzbehörde benötigt im Rahmen ihrer präventiven Funktionen ebenfalls Informationen über die Kommunikationswege terroristischer Gruppen, um die Überwachung der Kommunikationsinhalte im Wege der Post- und Fernmelde­überwachung nach dem Artikel 10‑Gesetz vorzubereiten. Frühzeitig und umfassend verfügbare Informationen über Reisewege ermöglichen die rechtzeitige Analyse internationaler terroristischer Gruppen, ihrer Ruhe- und Vorbereitungsräume, aber auch ihrer Zielgebiete. Auskünfte zu den Begleitumständen der Telekommunikation und der Nutzung von Telediensten können wichtige Aufschlüsse über Beteiligte terroristischer Netzwerke geben. Aus diesen Gründen sind daher auch Auskunftspflichten für Luftverkehrsunter­nehmen, Postdienstleister, Telekommunikationsdienstleister und Telediensteanbieter vorgesehen. Weiterhin sollen die Regelungen zur Registereinsicht und zu Auskunfts- und Übermittlungsbefugnissen bzw. zum Einsatz des sog. ¿IMSI-Catchers¿, der zur Er­mittlung der Geräte- und Kartennummer von Telefonen und auf dieser Basis auch zur Lokalisierung des Standortes dient, im Rahmen der Novellierung erweitert werden. Von den entsprechenden Befugnissen muss über die Terrorismusbekämpfung hinaus auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Be­standes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes bzw. zur Beobachtung des gewaltbereiten Inlandsextremismus Gebrauch gemacht werden können. Anrede, Artikel 2 des Gesetzesvorhabens soll die erforderliche gesetzliche Grundlage für Sicherheitsüberprüfungen, die aus Gründen des Geheimschutzes oder des vorbeu­genden personellen Sabotageschutzes erforderlich sind, schaffen. Das Gesetz ersetzt die untergesetzlichen Sicherheitsrichtlinien * und trifft darüber hinaus Regelungen für den vorbeugenden personellen Sabotageschutz auf Landes­ebene. Mit dem Gesetz wird für die mit einer Sicherheitsüberprüfung verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die verfassungsrechtlich geforderte gesetzliche Grundlage geschaffen. Anrede, mit dem Gesetzesvorhaben ist schließlich in Artikel 3 ein neues Landesausführungs­gesetz zum Artikel 10‑Gesetz verbunden. Damit werden die Änderungen des Artikel 10‑Gesetzes des Bundes** berücksichtigt und die landesrechtlichen Vorschriften angepasst. Die Kontrollbefugnis der G 10‑Kommission, als ein unabhängiges, von der Parlamen­tarischen Kontrollkommission des Landtages bestelltes Gremium, erstreckt sich nicht nur wie bisher auf Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen nach dem Artikel 10‑Gesetz und auf Mitteilungen an die Betroffenen, sondern auf den gesamten Prozess der Verarbeitung der nach dem Artikel 10‑Gesetz erlangten personenbezogenen Daten. Anrede, vor der Einbringung des Gesetzentwurfes in den Landtag ist neben Verbänden und Kammern, auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz angehört worden. Der Gesetzentwurf wurde im Rahmen der Anhörung insbesondere seitens der Industrie- und Handelskammern begrüßt und unterstützt. Anrede, die seitens des Landesbeauftragten für den Datenschutz erfolgten Hinweise haben im Wesentlichen Berücksichtigung im Entwurf gefunden. Allerdings konnten die vorgetragenen Bedenken gegen die Regelungen bezüglich der geplanten Novellierung zur Speicherung, Veränderung und Nutzung personen­bezogener Daten von Minderjährigen sowie die Verlängerung der Löschungsfristen für gespeicherte personenbezogene Daten nicht berücksichtigt werden. Anrede, die Ausweitung der Befugnis zum Speichern, Nutzen und Verarbeiten von Daten zu Minderjährigen auf Personen nach Vollendung des 14. Lebensjahres und vor Voll­endung des 16. Lebensjahres ist erforderlich, weil besonders im islamistischen Spektrum Jugendliche zum Teil in sehr frühem Alter vor dem Hintergrund kultureller Eigenheiten als ¿Kämpfer¿ rekrutiert werden. Insbesondere ist aber auch im rechts­extremistischen Bereich eine deutliche Verjüngung der aktiven Anhänger feststellbar. Um nicht unwiederbringliche Informationslücken entstehen zu lassen, sollen daher auch Erkenntnisse über Jugendliche nach Vollendung des 14. und vor Vollendung des 16. Lebensjahres in amtseigenen Dateien gespeichert werden. Die Speicherung in gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzbehörden ist aus­weislich der vorgesehenen Regelung dagegen unzulässig. Ähnliche Regelungen zur Ausweitung der Befugnis zum Speichern, Nutzen und Ver­arbeiten von Daten zu Minderjährigen auf Personen nach Vollendung des 14. Le­bensjahres und vor Vollendung des 16. Lebensjahres sind übrigens auch in den Verfassungsschutzgesetzen von Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen zu finden. Das am 7. März 2005 vom Brandenburgischen Oberlandesgericht Potsdam gespro­chene Urteil, mit dem elf Jugendliche wegen Gründung und Beteiligung an einer ter­roristischen Vereinigung nach § 129a StGB für schuldig befunden worden sind, ist zudem ein überaus plakatives Beispiel für die Notwendigkeit einer Änderung der be­stehenden Rechtslage. Die jugendlichen Terroristen verübten zwischen August 2003 und Mai 2004 insge­samt zehn Anschläge auf Imbissbuden, Restaurants und Geschäfte im Land Bran­denburg, die von Ausländern geführt wurden. Nach den Feststellungen des Gerichts wurden die Taten aus Fremdenhass verübt. Zum Tatzeitpunkt waren die Täter zwi­schen 14 und 18 Jahre alt. Anrede, ebenso kann auf die Verlängerung der Löschungsfrist für gespeicherte personenbe­zogene Daten nicht verzichtet werden, da eine inhaltliche Notwendigkeit zur Verlän­gerung der Speicherfristen besteht. Diese Änderung entspricht im Wesentlichen den vom Bund vorgenommenen Änderungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz. Anrede, diese Änderung trägt ferner auch der besonderen Arbeitsweise einer Verfassungs­schutzbehörde Rechnung. So wird aus Einzelinformationen über einen langen Zeit­raum ein mosaikartiges Lagebild zur Beurteilung von Bestrebungen zusammenge­stellt. Eine zu frühe Vernichtung von Daten birgt die Gefahr, dieses Bild nicht zutreffend erstellen zu können. Anrede, wir benötigen die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Befugnisse, um auf die neue Bedrohungslage reagieren und den notwendigen Schutz der Bevölkerung gewährleisten zu können. Ich bitte auch deshalb um eine zügige Beratung im Innen­ausschuss. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Impressum: Verantwortlich: Dr. Matthias Schuppe Pressestelle Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni 39112  Magdeburg Tel: (0391) 567-5516/5517 Fax: (0391) 567-5519 Mail: pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de *     vom 19. Oktober 1992 **    Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26. Juni 2001

Impressum:Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-AnhaltVerantwortlich:Danilo WeiserPressesprecherHalberstädter Straße 2 / am "Platz des 17. Juni"39112 MagdeburgTel: (0391) 567-5504/-5514/-5516/-5517/-5377Fax: (0391) 567-5520Mail: Pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de

Anhänge zur Pressemitteilung