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Magdeburg, den 11.09.2005

Innenstaatssekretär Thomas Pleye eröffnet Ausstellung in Dessau ?Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma?

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 123/05 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 123/05 Magdeburg, den 8. September 2005 Innenstaatssekretär Thomas Pleye eröffnet Ausstellung in Dessau ¿Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma¿ Es gilt das gesprochene Wort! Die Verbrechen der Nationalsozialisten sind, so wird mitunter argumentiert, hinlänglich bekannt und die Opfer längst benannt. Im Übrigen sei es über 60 Jahre her, dass die Alliierten der NS-Barbarei ein Ende bereitet hätten. Zudem kann heute als gesichert gelten, dass die Abgrenzung vom Nationalsozialismus eine der grundlegenden Konstanten in der Politik der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Auch die DDR begriff sich als antifaschistischer Staat. Hinter dieser scheinbaren Gemeinsamkeit der Abgrenzung vom NS-Staat verbargen sich jedoch grundlegende Unterschiede: Im Westen Deutschlands beriefen sich die Vertreter des neuen Staates insbesondere auf den bürgerlichen Widerstand. Relativ früh wurde der Blick auf die Menschenrechtsverletzungen an den Juden Europas ausgeweitet, ehe in den 50er Jahren das Schweigen um die nationalsozialistischen Verbrechen und die hierfür verantwortlichen Täter einsetzte. Erst Ende der 60er Jahre begann die Generation der Nachgeborenen verstärkt nach Tätern und Opfern zu fragen. Eine neue Qualität erreichte die Auseinandersetzung um die NS-Verbrechen in der Bundesrepublik in den 80er Jahren, auch beeinflusst durch die Rede Richard von Weizsäckers vor dem Deutschen Bundestag im Jahre 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. Insbesondere hat sich die Diskussion um die Fragen der Einbe­ziehung einzelner Teile der Bevölkerung in das NS-Unrechts-Regime seit jener Zeit sowohl in der Forschung als auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich intensiviert. Trotz aller Unterschiede gab es in der Gedenkkultur beider deutscher Staaten eine bemerkenswerte Übereinkunft: Das tausendfache Leid, das Sinti und Roma in ganz Europa von den Nazis zugefügt wurde, wurde nicht oder nur äußerst unzureichend thematisiert. Dieser Sachverhalt hatte für diese Opfergruppe schwerwiegende Konsequenzen: 1. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR wurde es den Betroffenen schwer gemacht, als Opfer des NS-Regimes anerkannt zu werden. So schrieb bereits am 6. Februar 1946 die Abteilung ¿Opfer des Faschismus¿ der Verwaltung der Provinz Sachsen an die Betreuungsstellen der NS-Opfer: ¿Die Zigeunerfrage ist vom Hauptausschuss für ¿Opfer des Faschismus¿ in Berlin für die gesamte russische Besatzungszone generell geregelt. Da die Zigeuner in Bezug von Aktionen gegen asoziale Elemente verhaftet wurden, können sie nicht als politisch oder rassisch Verfolgte betrachtet werden. Jeder Zigeuner, der den Nachweis erbringt, dass er aufgrund seiner antifaschistischen Tätigkeit oder wegen Zugehörigkeit einer antifaschistischen Organisation verhaftet wurde, kann als ¿Opfer des Faschismus¿ anerkannt werden.¿ An diesem Zitat wird deutlich, dass die althergebrachten Stereotypen auch nach der Beseitigung des NS-Regimes nicht ausgeräumt waren. 2. Die Geschichte der Menschenrechtsverletzungen an den Sinti und Roma in den Jahren 1933 bis 1945 wurde von der historischen Forschung zunächst nicht erforscht und dargestellt. Sie ist auch heute noch unvollständig erforscht und folgerichtig der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Dabei waren bis Mitte der 30er Jahre auch in Anhalt, zum Beispiel in Dessau und Umgebung, die Sinti und Roma präsent. Im Frühjahr 1938 wurden viele von ihnen gezwungen, in ein Lager am Stadtrand von Magdeburg zu ziehen, von wo sie Anfang 1943 auf Befehl Himmlers nach Auschwitz deportiert wurden. Dort sind viele von ihnen gestorben. Leider ist hierüber bisher kaum publiziert worden und wenig bekannt. Um so bedeutungsvoller ist es, wenn heute an das Leid dieser Bevölkerungsgruppe während der Zeit der NS-Diktatur erinnert wird. Die Kenntnis um die Menschenrechtsverletzungen an Sinti und Roma ist eine Grundvoraussetzung für das Schaffen von Verständnis über deren soziale Situation, Gedankenwelt und Biografie. Die Geschichte der Sinti und Roma ist zu einem erheblichen Teil eine Geschichte der Ausgrenzung vom gesellschaftlichen Leben der Mehrheitsbevölkerung. Zur Überwindung dieser Situation benötigen wir zunächst Wissen um die Geschichte dieser unschuldigen Opfer. Ich bin deshalb den Initiatoren dieser Ausstellung dankbar für die Anstrengungen, die sie unternommen haben, damit diese Sonderausstellung des Dokumentationszentrums deutscher Sinti und Roma gezeigt werden kann. Den Veranstaltern ist es auch gelungen, ausstellungsbegleitend ein facettenreiches Rahmenprogramm zu entwerfen. Ganz besonders danken möchte ich Frau Jana Müller vom alternativen Jugendzentrum hier in Dessau, auf deren Initiative das Projekt realisiert worden ist. Ich wünsche der Ausstellung und dem Rahmenprogramm ein interessiertes Publikum und erhoffe mir, dass damit ein Beitrag zum besseren Verständnis von Geschichte, Kultur und Gegenwart der Sinti und Roma in unserer Gesellschaft geleistet wird. Impressum: Verantwortlich: Dr. Matthias Schuppe Pressestelle Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni 39112  Magdeburg Tel: (0391) 567-5516/5517 Fax: (0391) 567-5519 Mail: pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de

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