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Magdeburg, den 13.06.2006

Innenminister Hövelmann stellt Verfassungs­schutzbericht 2005 vor: Gegen Rechtsextre­mismus entschieden gegensteuern

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 111/06 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 111/06 Magdeburg, den 14. Juni 2006 Innenminister Hövelmann stellt Verfassungs­schutzbericht 2005 vor: Gegen Rechtsextre­mismus entschieden gegensteuern Am gestrigen Dienstag hat die Landesregierung den von Innenminister Holger Hövelmann eingebrachten Verfassungs­schutzbericht 2005 beschlossen. Der Bericht beschreibt die wichtigsten Entwicklungen in den Bereichen des politischen Extremismus und terroristischer Bedrohung. ¿Die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren haben wieder zugenommen. Auch wenn unser Staat dadurch nicht existenziell bedroht ist, müssen wir den Rechtsextremismus mit seinen ausgrenzenden, diffamierenden und häufig gewalttäti­gen und damit menschenfeindlichen Zügen als eine Gefähr­dung unseres demokratischen Gemeinwesens begreifen¿, erklärte Hövelmann heute vor der Presse in Magdeburg. ¿Die Landesregierung wird deshalb entschlossen gegensteuern. Die Möglichkeiten der Beobachtung durch den Verfassungsschutz und der polizeilichen  Repression sind dabei ebenso wichtig wie eine aktive Aufklärung in den Schulen und durch politische Bildung.¿ Als besonders besorgniserregend bezeichnete Hövelmann das im Verfassungsschutzbericht bilanzierte Anwachsen des rechtsextremistischen Personenpotenzials und die drastische Zunahme der auf das Konto von Rechtsextremisten gehenden Straf- und Gewalttaten: ¿Über diese Entwicklungen vorbehaltlos aufzuklären und ihnen mit allen zu Gebote stehenden rechts­staatlichen Mitteln entgegenzutreten, ist das erklärte Ziel der Landesregierung.¿ Der Minister hob hervor, dass durch die bereits im Vorfeld straf­barer Handlungen angesiedelte Arbeit des Verfassungsschut­zes entscheidende Informationen über die Planung von Skin­headkonzerten gewonnen und an die zuständigen Stellen wei­tergegeben wurden. Auf diese Weise sei es gelungen, die An­zahl der Skinheadkonzerte in Sachsen-Anhalt ein weiteres Mal zu reduzieren. Insbesondere im Hinblick auf den gegenläufigen Bundestrend handele es sich dabei um ein ermutigendes Signal. Der Verfassungsschutzbericht 2005 stellt über den Rechtsextremismus hinaus die von islamistischen Extremisten und Terroristen ausgehenden Gefahren dar. Es ist von ei­ner anhaltenden Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland und damit ¿ wenn auch in leicht abgeschwächter Form ¿ für Sachsen-Anhalt auszugehen. Die wichtigsten Themenbereiche im Einzelnen: I.    Rechtsextremismus Das rechtsextremistische Personenpotenzial nahm im Berichtszeitraum zu. Dies geht vor allem auf Mitgliederzuwächse im Bereich der rechtsextremistischen Parteien und auf die erstmalige Berücksichtigung der 2004 gegründeten ¿Exilregierung Deutsches Reich¿ zurück. Auch die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten nahm nach Jahren des Rückgangs wieder zu. Rechtsextremisten[1] 2004 2005 Parteien und Vereinigungen 370 440 Neonazis 250 250 Gewaltbereite Rechtsextremisten 600 650 Sonstige Personenzusammenschlüsse 10 120 Gesamt: 1.230 1.460[2] Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten im Bereich Rechtsextremismus stieg im Berichtszeitraum erneut an. Dies ist vor allem auf die starke Zunahme an so genann­ten Propagandadelikten zurückzuführen, die um 260 Fälle anstiegen. Eine Vielzahl von ihnen steht im Zusammenhang mit dem Tragen von Kleidung mit dem erst seit Ende 2004 verbotenen ¿Thor-Steinar¿-Logo. Im annähernd gleichen Verhältnis wuchs die Anzahl der politisch motivierten Gewaltdelikte an. Diese Entwicklung und das zu­nehmend rücksichtslosere Vorgehen der Straftäter sind Zeichen der veränderten Situation im subkulturellen Bereich des Rechtsextremismus. Nach wie vor sind politische Gegner, Andersdenkende und -aussehende Hauptziel­gruppen gewalttätiger Übergriffe von Rechtsextremisten. Der seit 2001 in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnende Anstieg der Zahl der rechtsextremistischen Skinheadkonzerte setzte sich auch im Jahr 2005 fort. In Sachsen-Anhalt dagegen verringerte sich die Anzahl dieser Konzerte deutlich. Im Be­richtsjahr fanden nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes elf derartige Veran­staltungen statt (2004: 23). Die rückläufige Entwicklung im Land ist nicht zuletzt auf die enge Kooperation zwischen den Sicherheits- und Ordnungsbehörden zurückzuführen. Auch 2005 erschienen strafrechtlich relevante Tonträger deutscher rechtsextremisti­scher Bands. Dabei handelte es sich unter anderem um CDs, die von in den USA ansässigen Vertrieben hergestellt wurden. Diese schüren regelmäßig Hass gegen Angehörige von Minderheiten und insgesamt gegen alle Menschen, die nicht dem eigenen rechtsextremistischen Weltbild entsprechen, und greifen demokratische Ge­sellschaftsformen an. Die so genannten Fanzines haben ihre Bedeutung als wichtiges Kommunikationsmittel der rechtsextremistischen Szene durch den zunehmenden Einfluss des Internet ein­gebüßt. Zu den bekanntesten rechtsextremistischen Fanzines in Sachsen-Anhalt zählen ¿Meinungsfreiheit¿ (Klötze/Landkreis Salzwedel), ¿Streetwar¿ (Markwerben/ Landkreis Weißenfels), ¿Fahnenträger¿ (Wolfen/Landkreis Bitterfeld), ¿Der Vorstoß ¿ Das nationale Heftchen aus der Altmark¿ (Region Altmark) und ¿Ostara¿ (Region Sangerhausen). Seit Anfang 2004 planen deutsche Rechtsextremisten unter der Bezeichnung ¿Projekt Schulhof¿ die kostenlose und bundesweite Verteilung von CDs mit dem Titel ¿Anpas­sung ist Feigheit ¿ Lieder aus dem Untergrund¿. Die enge Zusammenarbeit der zu­ständigen Stellen, die strafprozessualen und jugendschützenden Maßnahmen und eine gezielte intensive Öffentlichkeitsarbeit haben dazu geführt, dass die von den Initiatoren ursprünglich angekündigte, zentral gesteuerte und flächendeckende Ver­teilung im Bundesgebiet nicht realisiert werden konnte. Gleichwohl wurden punktuelle, nicht zeitgleiche Verteilaktionen regionaler Szeneaktivisten bekannt. Bundesweit wur­den inzwischen etwa 4.000, im Land Sachsen-Anhalt dagegen nur sehr wenige Ein­zelexemplare der durch das Amtsgericht Halle mit einem bundesweiten Einziehungs- und Beschlagnahmebeschluss belegten CD sichergestellt. Auch im Jahr 2005 bildete die ¿Nationaldemokratische Partei Deutschlands¿ (NPD) einen Kristallisationspunkt für die fortdauernden Versuche des rechtsextremistischen Lagers zur Einigung. Ihr Ziel, durch Wahlabsprachen mit der ¿Deutschen Volksunion¿ (DVU) den Einzug in Länderparlamente und in den Deutschen Bundestag zu errei­chen, scheiterte. Dem NPD-Landesvorstand gelang es, den Landesverband auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Dieser konnte sich vor allem im Süden Sachsen-Anhalts etablieren. NPD-Mitglieder haben dort mehrere Mandate auf kommunaler Ebene inne. Der Lan­desverband verfügt über neun Kreisverbände und mehrere Ortsbereichsgruppen. Die NPD-Jugendorganisation ¿Junge Nationaldemokraten¿ (JN), die ihre Positionen aggressiver als ihre Mutterorganisation vertritt und als Bindeglied zu den Neonazis fungiert, gründete im August einen Landesverband in Sachsen-Anhalt. Über diesen wird versucht, Einfluss auf die parteiungebundene rechtsextremistische Szene zu nehmen. Die DVU bleibt auch mit einer bundesweit rückläufigen Mitgliederzahl die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ihr Einfluss im rechtsextremistischen Spektrum gilt dennoch als gering.  Der hiesige DVU-Landesverband ist in einem de­solaten Zustand und hat nur noch wenige aktive Mitglieder, die zudem nur noch in sehr geringem Maße Aktivitäten entfalten. Die übrigen rechtsextremistischen Parteien blieben in Sachsen-Anhalt weitgehend bedeutungslos. Im Berichtsjahr wurde die 2004 gegründete ¿Exilregierung Deutsches Reich¿ in die Liste der Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde aufgenommen. Die ¿Exilregierung¿ leugnet die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und behauptet einen Fortbestand des Deutschen Reiches. Sie verfolgt Ziele, die gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und gegen den Gedanken der Völ­kerverständigung gerichtet sind. Sie lehnt das Gesamtsystem der freiheitlichen demo­kratischen Grundordnung ausdrücklich ab. II. Linksextremismus Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Anzahl von Linksextremisten im Land Sachsen-An­halt in ihrer Gesamtheit konstant. Während das Personenpotenzial der Autonomen­szene leicht anstieg, ging die Anzahl der Mitgliedschaften in linksextremistischen Par­teien und Vereinigungen im gleichen Umfang zurück. Linksextremisten[3] 2004 2005 Parteien und sonstige Gruppierungen 275 245 Autonome 260 290 Gesamt: 535 535 Die Anzahl politisch motivierter Straftaten im Bereich Linksextremismus stieg im Be­richtsjahr stark an. Dies trifft auch auf die entsprechenden Gewalttaten zu, die in aller Regel im Zuge von Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten oder vermeintlichen Rechtsextremisten begangen wurden. Schwerpunktregionen der etwa 290 Personen umfassenden Autonomenszene in Sachsen-Anhalt sind nach wie vor die Städte Magdeburg, Halle und Dessau. Auch das Demonstrationsgeschehen spielte sich fast ausschließlich in diesen Regionen ab. Die Häufigkeit von rechtsextremistischen Aufzügen und das stets als provokativ empfundene Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit führten im Berichts­zeitraum dazu, dass auch in der Sichtweise von Autonomen aus Sachsen-Anhalt die Bedeutung des ¿antifaschistischen Kampfes¿ zunahm. Dieser reichte von bloßen ver­balen Reaktionen über Angriffe auf öffentliche Auftritte von Rechtsextremisten bis hin zu einem verstärkten Engagement in Form von eigenen themenbezogenen De­monstrationen. Gegen vermeintliche oder erkannte Personen des gegnerischen politischen Lagers wurde zum Teil mit erheblicher Brutalität vorgegangen. Daneben protestierten Autonome gegen den Vertrieb und Verkauf tatsächlicher oder vermeintlicher rechtsextremistischer Mode und Musik. Ziel war dabei, solche Ver­triebsstrukturen aufzudecken und öffentlich bekannt zu machen. In Revisionsverfahren gegen zwei Magdeburger Autonome bestätigte das Oberlan­desgericht Naumburg die 2003 im Strafverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung verhängten Haftstrafen von zwei und zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Von den linksextremistischen Parteien und Vereinigungen sind in Sachsen-Anhalt nach wie vor lediglich die ¿Deutsche Kommunistische Partei¿ (DKP), die ¿Kommu­nistische Partei Deutschlands¿ (KPD/Ost), die ¿Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands¿ (MLPD) und die ¿Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union ¿ Internatio­nale Arbeiter Assoziation¿ (FAU-IAA) mit eigenen Strukturen vertreten. III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die Gefährdung durch den globalen islamistischen Terrorismus hält weiter an. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist insbesondere aufgrund der Beteiligung an militäri­schen Einsätzen in Afghanistan sowie angesichts der Mithilfe bei der Ausbildung iraki­scher Polizeibeamter und Offiziere gefährdet. Es ist weiter von der Existenz bislang nicht enttarnter Mujahedin auszugehen, die die Bundesrepublik nicht nur als Rück­zugs- und Ruheraum, sondern auch als Vorbereitungsraum und potenzielles Ziel von Anschlägen betrachten. Spätestens seit den Londoner Anschlägen im Juli 2005, bei denen 56 Menschen getötet und etwa 775 verletzt wurden, muss bei der Bewertung der Sicherheitslage berücksichtigt werden, dass terroristische Aktivitäten auch von scheinbar in die Gesellschaft integrierten Personen ausgehen können. Obwohl diese Gefährdungseinschätzung generell auch für Sachsen-Anhalt gilt, kann jedoch aufgrund der hier nicht gefestigten Organisationsstrukturen islamistischer Gruppierungen, der vergleichsweise geringen Ausländerquote sowie der Infrastruktur insgesamt nach wie vor von einer abgeschwächten Bedrohung durch den islamisti­schen Terrorismus ausgegangen werden. In Sachsen-Anhalt ist nach wie vor lediglich der ¿Volkskongress Kurdistans¿ (KONGRA-GEL) als Organisation mit festgefügten Strukturen etabliert. Über Aktivitä­ten anderer Organisationen in Sachsen-Anhalt liegen bisher keine Erkenntnisse vor. Gleichwohl gibt es Hinweise auf hier wohnhafte Einzelpersonen, die mit extremisti­schen Gruppierungen in anderen Bundesländern in Verbindung stehen und diese un­terstützen. Die Anzahl der politisch motivierten Straf- und Gewalttaten im Bereich des Ausländer­extremismus stieg im Berichtsjahr leicht an, bewegte sich aber insgesamt auf niedri­gem Niveau. Der Verfassungsschutzbericht 2005 steht unter der Internetadresse http://www.mi.sachsen-anhalt.de zum Download bereit. Anlage Straf- und Gewalttatenstatistik[4] Vorbemerkung: Bei den statistischen Angaben zu den Straf- und Gewalttaten handelt es sich um Zahlen, die dem Landeskriminalamt im Rahmen des kriminalpolizeilichen Melde­dienstes ¿Politisch motivierte Kriminalität¿ zu übermitteln sind. Dieser Meldedienst beruht auf einem bundesweit einheitlichen Definitionssystem, das die Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Län­der (IMK) am 10. Mai 2001 beschlossen und rückwirkend zum 1. Januar 2001 ein­geführt hat. Danach werden Straftaten nach einem einheitlichen Kriterienkatalog er­fasst und einem Phänomenbereich (im Wesentlichen Politisch motivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts-, Politisch motivierte Ausländerkrimina­lität) zugeordnet. Zentrales Erfassungskriterium ist die politisch motivierte Tat. Der extremistischen Kriminalität ¿ als Teilmenge der politisch motivierten Kriminalität ¿ werden Straftaten zugerechnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlie­gen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt darauf, fundamentale Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. In Sachsen-Anhalt wurden im Berichtsjahr in den Phänomenbereichen Politisch mo­tivierte Kriminalität -links-, Politisch motivierte Kriminalität -rechts- und Politisch moti­vierte Ausländerkriminalität insgesamt 1.372 (Vorjahr: 856) Straftaten registriert.[5] Diese verteilen sich wie folgt: Politisch motivierte Straftaten nach Phänomenbereich 2004 2005 -rechts- 758 1130 -links- 86 222 Ausländerkriminalität 12 20

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