Ministerin Kuppe will Frühwarnsystem zum Schutz vor Kindesvernachlässigung ausbauen
Ministerium für Gesundheit und Soziales - - Pressemitteilung Nr.: 148/06 Ministerium für Gesundheit und Soziales - Pressemitteilung Nr.: 148/06 Magdeburg, den 20. Oktober 2006 Ministerin Kuppe will Frühwarnsystem zum Schutz vor Kindesvernachlässigung ausbauen Sozialministerin Dr. Gerlinde Kuppe hat am Freitag im Landtag auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema Kindesvernachlässigung gesprochen. In der Folge veröffentlichen wir das Redemanuskript: Kevin, Benjamin, Jessica ... Drei Namen. Hinter jedem verbirgt sich eine Tragödie: Kindesmisshandlung und Kindestötung. Leid, Trauer, Schuld, Versagen - die Suche nach den Verantwortlichen. Das Drehbuch läuft fast immer gleich ab. Medial begleitet uns das Thema aktuell seit dem Tod von Kevin; die Betroffenheit wird auch noch einige Tage vorhalten, aber was passiert dann? Auch in der Vergangenheit sind in Deutschland Kinder verhungert, zu Tode gequält worden, verwahrlost und verkümmert. Deshalb muss diese Debatte mehr als kurzfristige Betroffenheit auslösen. Mit Appellen ist es nicht getan; wir müssen handeln und zwar nachhaltig. Es gilt, das Kindeswohl zu stärken, Kinder vor Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch besser zu schützen. Das heißt aber auch: Wir müssen die Eltern stärken, ihre Erziehungskompetenz erhöhen. Das heißt, der Staat muss Eltern bei der Bewältigung ihres Lebens mit Kindern unterstützen. Was wir brauchen ist eine Allianz für Kinder: Jugend- Sozial- und Gesundheitsamt, Beratungsstellen, die Ärzteschaft, Hebammen, die Kitas und Schulen sowie Justiz und Polizei müssen noch besser mit einander arbeiten. Das bedeutet zunächst: Sie müssen voneinander wissen. So hat die Polizei durchaus Informationen, die für ihre polizeiliche Arbeit eher zweitrangig sind. Für das Jugendamt können sie dagegen von größter Bedeutung sein. Wir müssen erreichen, dass diese Information dann auch zeitnah und unaufgefordert zum Jugendamt gelangt. Das heißt, wir müssen die bisweilen starre Abgrenzung der Institutionen aufbrechen. Die Fachwelt spricht von einer ¿Versäulung¿. Diese Versäulung ist zu überwinden. Und wir müssen näher zu den Menschen hin. Gute Ansätze gibt es. Ich nenne Magdeburg. Die Landshauptstadt hat in den Stadtteilen regionale Sozialzentren eingerichtet. Die sozialen Angebote werden gebündelt. Hilfe wird ¿aus einer Hand¿ angeboten. Zusätzlich hat das Jugendamt mit allen Trägern von Einrichtungen und Diensten Vereinbarungen (nach § 8 a SGB XIII Kinder- und Jugendhilferecht) zum besseren Schutz vor Vernachlässigung geschlossen. Es gibt eindeutige Festlegungen und seit Anfang 2006 ein monatliches Fortbildungsangebot. Das Jugendamt der Landeshauptstadt beabsichtigt ferner, mit der Ärzteschaft und den Schulen Kooperationsvereinbarungen zu schließen, um sie als Partner in der Sorge für die Kinder fest einzubinden. Zweites Beispiel: Halle baut in den Stadtteilen und Wohnquartieren ein ¿pro-aktiv-System¿ auf. Jeweils in einer Einrichtung ¿ sei es Kita, Hort oder Jugendfreizeitreff ¿ werden die Dienste an einen sozial-pädagogischen Dienst angebunden. Dieser primär präventive Ansatz bindet alle Dienste aus dem Bereich der Jugend- und Sozialhilfe ein und knüpft an die unmittelbare Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger an. Die Sozialraumorientierung der einzelnen Stadtteile wird herunter gebrochen auf die Wohnquartiere und kooperiert mit den Wohnungsgesellschaften und beteiligt die Bevölkerung. Gesellschaftliche Verantwortung für das Wohl unserer Kinder darf aber nicht allein bei der Jugendhilfe und anderen sozialen Behörden abgeladen werden. Es ist unverzichtbar, sich fachübergreifend des Themas anzunehmen. Ich finde es daher nur konsequent, dass beispielsweise der Präsident des Landgerichts Stendal zu einem Kolloquium ¿Kommunikatives Netzwerk Kindeswohl¿ Akteure und Akteurinnen aus Landkreisen und Jugendämtern, Familien- und Vormundschaftsgerichten, Jugend- und Amtsgerichten, von der Staatsanwaltschaft und der Polizei eingeladen hat. Es ist auch gut, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes gleich mit an den Tisch kommt, um mögliche Hemmnisse des Datentransfers unmittelbar ansprechen zu können. Wir brauchen weiterhin ein Frühwarnsystem in Sachsen-Anhalt: Eine ganz wichtige Rolle dabei können Familienhebammen übernehmen. Die Hebamme genießt Vertrauen in der Bevölkerung. Es ist völlig normal, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, sich ihr anzuvertrauen. Darauf aufbauend können Familienhebammen über die Geburt eines Kindes hinaus Familien mit sozialem Handicap begleiten. Im Mittelpunkt des Projektes stehen Familien, deren Erziehungskompetenz zu stärken bzw. zu unterstützen ist. Dies können z.B. minderjährige Mütter, Eltern mit Suchtproblemen, Eltern mit psychischen Problemen, Eltern mit Migrationshintergrund, Eltern mit eingeschränkten Fähigkeiten in der Alltagsbewältigung oder Familien in besonderer Armut sein. Da Angebote staatlicher Hilfe von den beschriebenen Familien häufig als Einmischung empfunden werden, ist eine Hebamme ¿ wie bereits erwähnt - besonders geeignet, eine unkomplizierte Beratungs- und Unterstützungsleistung zu erbringen. Vom Bund Deutscher Hebammen wurde dazu eine Fortbildung ¿ und Zusatzqualifikation zertifiziert. In Sachsen-Anhalt läuft die erste Fortbildungsreihe noch bis Ende Dezember 2006, inhaltlich reicht sie vom Adoptionsrecht bis zur Zahngesundheit. Die zehn Hebammen, die in dem Projekt tätig sind, gehen bereits seit Juli 2006 in die Familien. Ich will das Projekt - gemeinsam mit dem Landesverband der Hebammen - ausbauen. Bereits zu Jahresbeginn 2007 soll eine zweite Fortbildungswelle starten. Die Zahl der Familienhebammen soll sich im nächsten Jahr verdoppeln. Perspektivisch sollten mindestens 28 Familienhebammen, also zwei pro künftigem Landkreis und kreisfreier Stadt, in unserem Land tätig werden. Das Familienhebammenprojekt Sachsen-Anhalt stellt jedoch nur einen Baustein in einem Frühwarnsystem dar. Ich erwähne nur kurz das vom DRK-Landesverband in Kooperation mit dem Landesverband der Kinder- und Jugenderholungszentren Sachsen-Anhalt e.V. erarbeitete Familienprojekt ¿ELAN¿, die Aktivitäten der sozialen Beratungsstellen, die Initiativen der Familienverbände und die vom Land 1999 und 2002 mit initiierten Leitfäden zur Identifizierung von Gewalt an Kindern für die Ärzteschaft, Erzieherinnen und Erzieher und die Lehrerschaft. Für mich reicht das Frühwarnsystem auch in unsere Kindertagesstätten hinein. Ich appelliere an die Erzieherinnen und Erzieher und an die Eltern, noch genauer hinzuschauen und hinzuhören. Manche Tragödie könnte dadurch vielleicht frühzeitig bemerkt oder sogar verhindert werden. Gerade in den Kindertagesstätten können aber auch Weichen gestellt werden: Wir haben hier die Chance, den ¿Teufelskreis¿ der Benachteiligung zu durchbrechen und Kinder stark zu machen. Auch deshalb lege ich so großen Wert auf die Verbesserung der frühkindlichen Bildung in Tageseinrichtungen. Sie ist eine geeignete Strategie, auch Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen gleichwertige Startbedingungen für den späteren Schulbesuch, für eine erfolgreiche Berufsausbildung und eine selbständige, von staatlichen Sozialleistungen unabhängige Lebensführung zu ermöglichen. In ein Frühwarnsystem gehört für mich auch hinein, die Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter neu zu ordnen und verbindlich zu machen. Der Bundesrat hat die Bundesregierung beauftragt, die rechtlichen Grundlagen dafür zu prüfen. Sie sehen an der Fülle der aufgezeigten Maßnahmen, dass bereits von Vielen viel getan wird. Das entbindet uns nicht vom weiteren engagierten Handeln und das heißt insbesondere konsequent vorangehen - bei der Umsetzung der begonnenen Projekte - bei der Vernetzung der Akteure - bei der Entwicklung neuer Initiativen. Wir können dafür ein Zeichen setzen und die Rechte der Kinder umfassender in unserer Landesverfassung verankern. Wir müssen prüfen, ob weitere Landes- und Bundesgesetze geändert werden müssen, um das Kindeswohl besser zu berücksichtigen. Wir können mit den Freiwilligendiensten im Land zusammen ein Projekt ¿Familienpatinnen und ¿paten¿ entwickeln und Wir können die Lokalen Bündnisse für Familien noch in breiterem Umfang als örtliche Netzwerker nutzen. Dies ist keine abschließende Liste, zeigt aber einen Teil der vorhandenen Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen auf und beschreibt die Aktivitäten der nächsten Zeit. 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