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Magdeburg, den 24.09.2007

Sachsen-Anhalt-Monitor 2007: Hohe Zustimmung zur Demokratie als Staatsform und deutliche Ablehnung des Rechtsextremismus/ Enttäuschung über das Funktionieren der Demokratie Ministerpräsident Böhmer: ?Klarer Handlungsauftrag für Politiker, die politischen Zusammenhänge besser zu erklären?

Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 488/07 Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 488/07 Magdeburg, den 24. September 2007 Sachsen-Anhalt-Monitor 2007: Hohe Zustimmung zur Demokratie als Staatsform und deutliche Ablehnung des Rechtsextremismus/ Enttäuschung über das Funktionieren der Demokratie Ministerpräsident Böhmer: ¿Klarer Handlungsauftrag für Politiker, die politischen Zusammenhänge besser zu erklären¿ Zum ersten Mal seit Neugründung des Landes 1990 gibt ein ¿Sachsen-Anhalt-Monitor 2007¿ Aufschluss über die politischen Einstellungen der Bevölkerung und die Stimmung im Land. 1.000 Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts wurden zwischen Juni und Juli 2007 in einer breit angelegten Studie befragt. Die repräsentative Umfrage wurde durchgeführt von Infratest dimap und ausgewertet vom Institut für Politikwissenschaft und Japanologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Ergebnisse des Sachsen-Anhalt-Monitor wurden heute in der Landeshauptstadt Magdeburg von Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer und dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Everhard Holtmann vorgestellt. ¿Die allermeisten Sachsen-Anhalter sind weder demokratiefeindlich noch rechtsextrem. Die Studie belegt im Gegenteil eine hohe Zustimmung zur Demokratie als Staatsform und eine deutliche Ablehnung rechtsextremistischer Einstellungen und Parteien. Dies ist in einer Gesellschaft, die einen sehr grundsätzlichen Systemwechsel zu bewältigen hat, alles andere als selbstverständlich.¿ So fasste Ministerpräsident Böhmer eines der Ergebnisse zusammen. Andererseits habe die Umfrage aber auch eine große Enttäuschung über das Funktionieren der Demokratie , den Mangel an Teilhabe und ein Nichtverständnis politischer Verfahren zu Tage gefördert. Der Regierungschef: ¿Dies ist ein klarer Handlungsauftrag an alle Politiker auf allen Ebenen, in der Bevölkerung die politischen Zusammenhänge besser zu erklären.¿ Der deutlich positivere Grundtenor der Jugend stimme ihn zuversichtlich, dass diese die Folgen der deutschen Einheit selbstbewusst meistern würde. Das sei auch der beste ¿Schutz¿ gegenüber einer ¿Weichzeichnung¿ der DDR als ¿soziale Insel¿. Böhmer appellierte auch an die Schulen und Medien, der Vermittlung von Wissen über die Funktionsweise der Demokratie und eines fairen DDR-Bildes, das den historischen Tatsachen entspreche, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Der Regierungschef skizzierte die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte der Studie wie folgt: 1. Stimmung im Land Die Stimmung im Land hat sich deutlich verbessert. Das ist nicht nur daran abzulesen, dass eine große Mehrheit von 72 Prozent mit ihrer derzeitigen Lebenssituation zufrieden ist. Auch die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Landes als gut bzw. sehr gut hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert: von 14 Prozent (1998) über den Tiefpunkt 5 Prozent (2002) auf nun 29 Prozent. Gleichwohl gibt es nach wie vor einen deutlichen Unterschied zwischen der guten Beurteilung der persönlichen Lebenssituation und der des Wirtschaftsstandortes Sachsen-Anhalt insgesamt, der kritischer gesehen wird. Erfreulich ist ebenfalls, dass die Mehrheit der Befragten positiv in die Zukunft blickt. Das gilt sowohl für die persönlichen Aussichten, die von zwei Dritteln (67 Prozent) hoffnungsvoll beurteilt werden, als auch für die Zukunft des Bundeslandes, die 58 Prozent eher optimistisch sehen. Dieses insgesamt erfreuliche Bild wird dadurch getrübt, dass sich immerhin 15 Prozent der Bürgerinnen und Bürger als ¿Verlierer¿ einstufen. Sie sind mit ihrer Lebenssituation unzufrieden, fühlen sich ungerecht behandelt, haben eher pessimistische Erwartungen an die Zukunft und empfinden die Gesellschaft als Ganze als ungerecht. 2. Verankerung der Demokratie in der Bevölkerung Die Zustimmung zur Demokratie als ¿beste aller Staatsideen¿ ist hoch. 79 Prozent der Sachsen-Anhalter teilen diese Einschätzung. Selbst der überwiegende Teil derjenigen, die sich in der Umfrage als ¿Nichtwähler¿ zu erkennen gegeben haben, ist dieser Ansicht (71 Prozent). Unabhängig von dieser grundsätzlich hohen Zustimmung zur Demokratie als Staatsform sind viele nicht mit dem Funktionieren der Demokratie einverstanden und bewerten politische Institutionen und Parteien negativ. So sind 57 Prozent der Sachsen-Anhalter unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland, wobei die Institutionen des Landes besser abschneiden als die des Bundes. Das größte Vertrauen wird noch den direkt gewählten kommunalen Organen entgegengebracht. Auch wird von den Befragten die mangelnde Lösungskompetenz des Staates bei dringenden Problemen wie Alterung und Kindermangel, Lohngerechtigkeit, Abwanderung und Arbeitslosigkeit beklagt. Ebenso wird keine hinreichende Öffnung des politischen Systems gesehen. Eine deutliche Mehrheit ist der Auffassung, dass sich Politiker nicht um die Probleme der einfachen Leute kümmern (73 Prozent), dass Abgeordnete schnell den Kontakt zum Volk verlieren (85 Prozent) und dass sich die Parteien nur für die Stimmen der Wähler interessieren (74 Prozent). Hinzu kommt, dass knapp 60 Prozent die Gesetze, über die diskutiert wird, nicht verstehen. Vor allem die älteren Jahrgänge und die niedriger Gebildeten sehen kaum Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen. Außerdem schätzen besonders die Langzeitarbeitslosen die Politiker als abgehoben und volksfern ein. Erfreulich ist, dass sich die deutlich bekundete Unzufriedenheit über die Funktionsweise der Demokratie nicht auf die bestehende Verfassungsordnung überträgt. Mit dem Grundgesetz sind nämlich drei Viertel (72 Prozent) der Sachsen-Anhalter prinzipiell einverstanden. 3. Wahlmüdigkeit In der Befragung ¿outeten¿ sich 28 Prozent als Nichtwähler. Auch ein Teil der 8 Prozent der Jung- und Erstwähler, die die Demokratie ablehnen, ist zum Nichtwählerpotential zu rechnen. Das mangelnde Verständnis der demokratischen Abläufe, ein zu schwaches Vertrauen in zentrale politische Institutionen und die geringe Wertschätzung von Politikern dämpfen die Bereitschaft, zur Wahl zu gehen. Das vorherrschende Demokratieverständnis der Sachsen-Anhalter ist auch 17 Jahre nach der deutschen Vereinigung, besonders bei den älteren Bürgern, durch die mangelnde Erfahrung mit dem System geprägt. Die Enttäuschung resultiert also auch aus falschen Vorstellungen über demokratische Verfahrensweisen. Die Altersgruppen, die mindestens die Hälfte ihres Lebens nach der Wende verbrachten (18 bis bis 34-jährige), sehen erheblich häufiger die Chance, politisch Einfluss zu nehmen. Während 61 Prozent der über 60jährigen die Aussage bejahen ¿Leute wie ich haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut¿. Die Wahlmüdigkeit ist aber auch durch den Vertrauensverlust der Institutionen geprägt. Im Vergleich zum Jahr 2000 haben sowohl die Landeregierung als auch der Landtag und die Gemeindevertretungen an Vertrauen verloren. Dabei wird fehlende Kommunikation zwischen Politikern und Bevölkerung beklagt und mangelnde Präsenz der Politik vor Ort. Dass eine größere Nähe und Erreichbarkeit von Politikern vertrauensbildend wirkt, wird dadurch bestätigt, dass die Sachsen-Anhalter das größte Vertrauen noch den direkt gewählten kommunalen Organen entgegen bringen. Zu dem passt nicht, dass die Beteiligung bei den Kommunalwahlen die geringste war. 4. Rechtsextremismus Eines der überraschendsten Ergebnisse der Befragung ist, dass sich die rechtsextremistischen Einstellungen der Sachsen-Anhalter nur gering von denen in den alten Bundesländern unterscheiden und sogar deutlich unter dem Durchschnitt der neuen Länder liegen. Dies wurde an den Parametern autoritäre Grundeinstellungen, Einstellungen gegenüber Ausländern, antisemitische Einstellungen und Einstellungen zu rechtsextremistischen Parteien wie DVU und NPD gemessen. Danach bejahen 73 Prozent, dass ¿jeder in seinem persönlichen Umfeld rechtsextremistischen Tendenzen entgegentreten sollte¿. Nur acht Prozent unterstützen die Aussage, dass man ¿den hier lebenden Ausländern jede politische Betätigung in Deutschland untersagen sollte¿. 13 Prozent sind der Auffassung, dass man ¿die hier lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken sollte, wenn Arbeit knapp wird¿. Vergleicht man die Einstellungen gegenüber Ausländern im Deutschlandvergleich, so kristallisiert sich heraus, dass Sachsen-Anhalter etwas weniger ausländerfeindlich sind als die übrigen Ostdeutschen und damit eher den Westdeutschen vergleichbar. Bei den Parametern ¿Ausländer sollten ihren Lebensstil besser an den der Deutschen anpassen¿ bzw. ¿Politische Betätigung untersagen¿ liegen die Sachsen-Anhalter in ihren Zustimmungen sogar leicht unter dem Anteil der Bevölkerung Westdeutschlands (46 zu 47 Prozent bzw. 8 zu 14 Prozent). Noch eindeutiger wird dieses Bild, wenn man sich die Ergebnisse zum Antisemitismus vor Augen hält. Über zwei Drittel (68 Prozent) der Sachsen-Anhalter sind beschämt über die Verbrechen, die Deutsche an Juden begangen haben. Damit liegen sie 20 Prozentpunkte über dem westdeutschen Anteilswert (49 Prozent) und zehn Prozentpunkte über dem ostdeutschen (58 Prozent). 5. DDR-Bild Nur eine Minderheit der Befragten (21 Prozent) wünscht sich die DDR zurück. Für die überwiegende Zahl der Sachsen-Anhalter haben sich die mit dem Systemwechsel verbundenen Hoffnungen ausreichend (59 Prozent) oder leidlich (25 Prozent) erfüllt. Nur fünf Prozent sagen, sie haben sich ¿gar nicht erfüllt¿. Für 54 Prozent überwiegen die Vorzüge der Einigung und 65 Prozent haben persönlich überwiegend vorteilhafte Erfahrungen gemacht. Besonders werden der Zugewinn an persönlicher Freiheit (80 Prozent), die Anhebung des Lebensstandards (65 Prozent), die Erweiterung individueller Lebenschancen (58 Prozent), die Verbesserung der Wirtschaftskraft (56 Prozent), die Ablösung eines autoritären Regimes durch einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat (55 Prozent) und der Schutz vor staatlicher Willkür (54 Prozent) genannt. Allerdings wird die DDR auch als eindeutig sozialer als die heutige Bundesrepublik beurteilt. So hat sich für 84 Prozent der Befragten der Umgang der Menschen miteinander verschlechtert, für 75 Prozent die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, für 64 Prozent die soziale Absicherung, für 60 Prozent die Garantie sozialer Gerechtigkeit, für jeweils 59 Prozent das Angebot an Bildung und Ausbildung sowie die Gesundheitsversorgung und für 58 Prozent der Schutz vor Kriminalität und Verbrechen. Obwohl für 82 Prozent der Diktaturcharakter des DDR-Regimes außer Frage steht, urteilen 96 Prozent, dass ¿nicht alles schlecht¿ gewesen sei in der DDR bzw. 90 Prozent sagen, in der DDR habe man ¿privat ganz gut leben¿ können. Das Vergangenheitsbild der DDR wird am ehesten durch eigenes Erleben und durch Gespräche in der Familie bestimmt. Völlig nachrangig sind Einflüsse der Schule, des Freundeskreises und der Medien. 6. Defizite im Bildungssystem Die Befragung hat verdeutlicht, dass es Defizite in bestimmten Bereichen des Bildungssystems gibt. Besonders bei der Wissensvermittlung über das Funktionieren der Demokratie und über die DDR werden die Mängel offensichtlich. So haben auch in den jüngeren Altersgruppen vergleichsweise viele kein zutreffendes Verständnis von funktionierender Demokratie: 14 Prozent halten eine demokratische Opposition für entbehrlich, 13 Prozent bestreiten ihren Mitbürgern das Recht, für die eigene Überzeugung auf die Straße zu gehen und fast ein Viertel der 18 bis 24-jährigen lehnt die Möglichkeit eines Regierungswechsels ab. Ähnlich das Ergebnis in Bezug auf die DDR: Nur 12 Prozent der Befragten zwischen 18 und 24 Jahren geben an, dass ihr Bild von der DDR durch die Schule geprägt ist. Für die meisten der jungen Menschen sind die Erlebnisse und Erfahrungen der Eltern und Großeltern die wichtigste Quelle (63 Prozent). 7. Generationenunterschiede Es gibt deutliche Einstellungsunterschiede zwischen den Generationen. Grob kann gesagt werden, dass die 35 bis 59-jährigen demokratiekritischer und zukunftsskeptischer sind. In der jungen Generation (18 bis 34-jährige) zeigt sich dagegen ein großes Zukunftspotenzial. Sie ist alles andere als eine ¿Null-Bock-Generation¿, sondern ist zukunftsoptimistischer und demokratiefester. Auch der so genannte Wohlfühlfaktor ist bei den Jüngeren im geeinten Deutschland deutlich höher ausgeprägt als bei den mittleren und älteren Jahrgängen. Junge Sachsen-Anhalter bewerten die Gesellschaft der Bundesrepublik häufiger als gerecht (38 Prozent), als dies die über 35-jährigen (19 Prozent) tun. Dazu passt, dass sich besonders ältere Befragte in einer ¿Verlierer¿-Situation sehen, wobei die 45 bis 59-jährigen mit einem Anteil von 20 Prozent hervorstechen. 8.  Regionenunterschiede / Landesidentität Die Umfrage hat in wichtigen Kennziffern auch regionale Unterschiede zutage gefördert. So ist in der Altmark mit 75 Prozent die Landesidentität wesentlich stärker ausgeprägt als in der Saale-Unstrut-Region um Halle (63 Prozent). Bei der aktuellen Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zeigen sich die Bürger in Anhalt um Dessau und Bitterfeld sowie in der Saale-Unstrut-Region positiver als in den nördlichen Regionen Altmark und Börde. Das gilt auch für die persönliche Zukunft und die des Landes, die in den südlichen Regionen optimistischer gesehen wird. Generell gilt, dass die Sachsen-Anhalter zu knapp 80 Prozent eher ¿Regionalpatrioten¿ sind. Dieser Befund gilt für alle Landesregionen gleichermaßen. Deshalb ist die insgesamt gestiegene Landesidentität umso bemerkenswerter . Sie ist seit 1995 um 22 Prozentpunkte gewachsen. 67 Prozent der Sachsen-Anhalter fühlen sich nun auch mit dem Land stark oder sehr stark verbunden. Impressum: Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Hegelstraße 42 39104 Magdeburg Tel: (0391) 567-6666 Fax: (0391) 567-6667 Mail: staatskanzlei@stk.sachsen-anhalt.de

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