(LAG LSA) Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Oberbürgermeister
Arbeitsgericht Naumburg, Urteil vom 28.02.2008 - 1 Ca 1904/07 -
Nach § 70 Abs. 1 GO-LSA sind Verpflichtungsgeschäfte der Gemeinde vom Bürgermeister handschriftlich zu unterzeichnen und mit dem Dienstsiegel zu versehen.
Die Kündigungserklärung eines Arbeitsverhältnisses durch den Oberbürgermeister einer Gemeinde beinhaltet nach Auffassung des Arbeitsgerichts Naumburg ein einseitiges Verpflichtungsgeschäft i. S. v. § 70 Abs. 1 GO-LSA. Im Rahmen der Abgabe von privatrechtlichen Erklärungen handelt es sich bei der Regelung des § 70 Abs. 1 GO-LSA aber nicht um eine echte Formvorschrift i. S. d. Kommunalrechts, sondern um eine materielle Vorschrift über die Beschränkung der Außenvertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter der Gemeinde. Werden Formvorschriften durch den Oberbürgermeister nicht eingehalten, so handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
Der Oberbürgermeister der Stadt Z. beabsichtigte, im Oktober 2007 die außerordentliche Kündigung eines Amtsleiters als Tarifbeschäftigten wegen qualitativer Minderleistungen. Auf Anfrage lehnte der Gemeinderatsvorsitzende die Einberufung einer Sondersitzung des Gemeinderates hierzu ab. Der Oberbürgermeister berief sich deshalb auf seine Eilzuständigkeit in dringenden Angelegenheiten des Gemeinderates nach § 62 Abs. 4 GO-LSA und sprach dem Amtsleiter nach Beteiligung der örtlichen Personalvertretung mit Schreiben vom 22.10.2007 die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.
Mit Schreiben vom 08.11.2007 erfolgte eine weitere vorsorgliche ordentliche Kündigung zum 31.03.2008.
Beide Kündigungsschreiben waren vom Oberbürgermeister handschriftlich unterzeichnet, jedoch nicht mit einem Dienstsiegel versehen. Eine Beschlussfassung fand in der Kündigungssache des Amtsleiters im Gemeinderat der Stadt Z. nicht statt.
Der klagende Amtsleiter rügt in seinen Kündigungsschutzklagen die mangelnde Vertretungsmacht des Oberbürgermeisters zum Ausspruch der Kündigungen vom 22.10.2007 und 08.11.2007 im Ergebnis zu Recht. Mangels einer Eilzuständigkeit des Oberbürgermeisters war für den Ausspruch der Kündigungen des Amtsleiters jeweils ein Gemeinderatsbeschluss erforderlich.
Zwar wird durch die Nichtbeachtung der internen Entscheidungsbefugnis des Gemeinderates gemäß § 44 Abs. 4 Ziff. 1 GO-LSA die Erklärung des Oberbürgermeisters im Außenverhältnis nicht ohne weiteres unwirksam - schließlich ist der Oberbürgermeister der gesetzliche Vertreter der Stadt Z.- jedoch mangeln die Kündigungsschreiben wegen der fehlenden Dienstsiegel zudem an der gesetzlichen Legitimation im Außenverhältnis.
Die gemeindeordnungswidrig erklärten Kündigungen konnten gemäß § 180 S. 2 BGB vom Vertretenen (hier Gemeinderat) mit rückwirkender Kraft - bei der außerordentlichen Kündigung nur innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB - genehmigt werden. Eine Genehmigung der Kündigungen durch den Gemeinderat der Stadt Z. erfolgte nicht, so dass beide Kündigungserklärungen wegen mangelnder Vertretungsmacht des Oberbürgermeisters unwirksam sind.
Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Böger
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