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Magdeburg, den 07.10.2009

Hövelmann wirbt um Zustimmung zum Versammlungsgesetz

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 205/09 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 205/09 Magdeburg, den 8. Oktober 2009 Hövelmann wirbt um Zustimmung zum Versammlungsgesetz ¿Ein Stück mehr Rechtssicherheit für die Polizei¿ Sperrfrist: 16:00 Uhr Innenminister Holger Hövelmann (SPD) hat an die Linksfraktion im Landtag appelliert, dem Entwurf für ein Versammlungsgesetz zuzustimmen. ¿Ihre Fraktion hat häufig Mängel der Polizeiarbeit im Umgang mit Rechtsextremisten kritisiert; Sie haben dazu sogar einen Untersuchungsausschuss eingesetzt¿, sagte Hövelmann bei der heutigen abschließenden Landtagsdebatte zu diesem Thema. ¿Auch der Polizeieinsatz bei rechtsextremen Demonstrationen steht immer wieder im Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung. Ich erinnere nur an die Debatten um die jährlichen Aufzüge von Neonazis in der Landeshauptstadt Magdeburg zum Missbrauch des Gedenkens an die alliierten Luftangriffe. Dabei wissen Sie genau, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten bei solchen Gelegenheiten zwischen Baum und Borke sitzen und gezwungen sind, das Demonstrationsrecht von Parteien und Gruppierungen zu schützen, die das Demonstrationsrecht sofort abschaffen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Wenn all Ihre Kritik mehr gewesen sein soll als parteipolitische Polemik, dann appelliere ich an Sie, bei der heutigen Debatte über Ihren Schatten zu springen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und damit ein Stück mehr Rechtssicherheit für die Versammlungsbehörden und die Polizei zu schaffen.¿ Der Redetext im Wortlaut: ¿Laut Artikel 12 Absatz 1 unserer Landesverfassung haben alle Menschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Weitestgehend inhaltsgleich schützt auch das Grundgesetz die Versammlungsfreiheit, deren Ausgestaltung und Umsetzung in den vergangenen Jahrzehnten eine Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hervorgerufen hat. Im Zuge der Föderalismusreform ging nun bekanntermaßen die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder über und es besteht daher der Bedarf, die gesetzlichen Regelungen an die regionalen Gegebenheiten anzupassen und das alte Bundesrecht in Landesgesetzen moderner zu gestalten. Über die Art und Weise der Umsetzung dieses Regelungsauftrages haben Sie heute zu entscheiden. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist in der deutschen Gesellschaft zu Recht fest etabliert. Es ist ein unverzichtbarer Teil des demokratischen Rechtsstaats, auch und gerade als Mittel, Veränderungen in Staat und Gesellschaft einzufordern. Neben der Versammlungsfreiheit ist auch die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. Denn der Inhalt von Meinungsäußerungen, der im Rahmen der Verfassung nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht der Versammlungsfreiheit beschränken. Insbesondere ist es für die Schaffung von einschränkenden Versammlungsvorschriften verfassungsrechtlich ausgeschlossen, daran anzuknüpfen, ob Versammlungen links- oder rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Der Rechtsstaat im Grundgesetz gibt insofern Regelungen vor und jenseits von diesen gilt für den Staat das Gebot einer strikten inhaltlichen Neutralität. Die Garantien des Rechtsstaats dürfen niemals einem politisch wünschenswerten Anliegen zum Opfer fallen, denn an einem opportunistischen Umgang mit dem Recht hat schon die Weimarer Republik im Übergang zum nationalsozialistischen Unrechtsregime gelitten. Und wer daher meint, Grundrechte politisch einfärben zu dürfen, fördert ihre Demontage. Die rechtsstaatliche Toleranz endet allerdings zu Recht dort, wo Rechtsgüter gefährdet werden. Im Juni letzten Jahres hatte ich Ihnen vor diesem Hintergrund den Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Landesversammlungsgesetz vorgestellt. Im Gegensatz beispielsweise zum neuen bayerischen Landesgesetz, das sich als Verwirklichung eines eigenständigen ordnungspolitischen Konzepts verstand, das dem Versammlungsrecht eigene restriktive Akzente verleihen wollte, hatten wir uns ursprünglich darauf beschränkt, lediglich § 15 des geltenden Bundesgesetzes ersetzen zu wollen und das ansonsten grundsätzlich bewährte Bundesversammlungsgesetz weitestgehend wortgleich in Landesrecht zu transformieren. Der Inhalt des Gesetzentwurfs der Landesregierung wurde auch von sämtlichen anwesenden Verfassungsrechtsexperten in der Anhörung des Ausschuss für Inneres im Oktober 2008 grundsätzlich begrüßt. Anregungen im Detail gab es lediglich zu dem Risiko, dass die künftig geltende Ge­samtregelung aus zwei Teilen des Versammlungsrechts nicht hin­reichend transparent sein und daher auch formelle verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen könnte. Diesen Bedenken haben sich die beratenden Ausschüsse in der Folge nicht verschlossen und vor uns liegt nunmehr der Entwurf eines Gesetzes, der zu einem vollständigen und eigenständigen Landesversammlungsrecht führen soll. Mit diesem Entwurf sind nicht nur die erforderlich gewordenen redaktionellen Ungereimtheiten des noch geltenden Bundesgesetzes bereinigt worden, sondern auch die verfassungsrechtlichen Mängel sind beseitigt und die an mehreren Vorschriften angebrachten Präzisierungen und Korrekturen herbeigeführt worden. Zugleich sind im Vergleich zum bisherigen Bundesrecht nicht nur einige verfassungsrechtlich gebotene ,Entschärfungen` vorgesehen, sondern es wurde auch allgemein grundrechtsfreundlicher und weniger versammlungsbeschränkend geregelt. Unverändert soll es der Gesetzentwurf den Versammlungsbehörden ermöglichen, öffentliche Versammlungen und Aufzüge an bestimmten Orten und bestimmten Tagen einzuschränken, soweit diese in besonderer Weise mit dem Gedenken an die Opfer von Kriegen und nationalsozialistischer Gewaltherrschaft oder mit dem Gedenken an schwere Menschenrechtsverletzungen zu Zeiten der sowjetischen Besatzung und der SED-Diktatur verbunden sind. Diese Einschränkungsmöglichkeiten treffen jedoch nicht das demokratische Grundrecht der Demonstrationsfreiheit als solches, sondern Veranstaltungen, bei denen die konkrete Sorge besteht, dass sie die Würde und Ehre der Opfer von Verfolgung verletzen. Schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs bin ich dem Vorwurf, die Regelungen würden den Hitler­faschismus und die SED-Herrschaft gleichsetzen, nachdrücklich entgegengetreten. Dabei bleibe ich auch jetzt: Jeder Versuch, die historische Einzigartigkeit der Naziverbrechen, des von Deutschland geführten Angriffskrieges und des Völkermords an den europäischen Juden zu relativieren, ist konsequent zurückzuweisen. Diese gerade nicht erfolgte Gleichsetzung in dem vor Ihnen liegenden Gesetzentwurf ändert aber auch nichts daran, dass die Bewahrung des Ansehens von Opfern der sowjetischen Besatzung oder der SED-Diktatur ebenfalls ein schützenswertes Rechtsgut ist, das eine Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit rechtfertigen kann. Für den Begriff der öffentlichen Ordnung im bisherigen Bundesversammlungsrecht ist kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene Regeln verweist, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens angesehen wird. Diese ungeschriebenen Regeln sollen nun als Kernstück des Gesetzes in den Absätzen 2 und 3 des § 13 sowie in § 14 ausformuliert werden, um den hohen Anforderungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit besser gerecht werden zu können. Der Gesetzentwurf soll dadurch eine Erleichterung für die Arbeit der Exekutive, also den jeweils zuständigen Versammlungsbehörden, bieten, da der grundsätzliche Entscheidungsrahmen nunmehr vom Gesetzgeber konkretisiert wird. Insofern ist es sinnvoll, auch diejenigen Orte und Tage aufzunehmen, die bisher nicht mit Aufmärschen oder anderen Schwierigkeiten ins Gewicht gefallen seien. Auch das demonstriert die Übernahme der Verantwortung durch den Gesetzgeber, denn es wird nicht nur reaktiv, sondern gestalterisch gewirkt. Die Versammlungsbehörde hat dann im Einzelfall und unter strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden, ob und welche Auflagen erforderlich und unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 5 und 8 des Grundgesetzes sowie der Artikel 6, 10 und 12 der Landesverfassung angemessen sind. Uns allen ist klar, dass die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Aktivitäten und Einstellungen nicht ausschließlich über ein neues Versammlungsrecht gesteuert werden kann. Denn Staat und Zivilgesellschaft müssen Partner sein. Das heißt - Frühaufsteher müssen wir auch in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und anderen demokratiefeindlichen Strömungen sein. Denn eine auch politisch wache Bürgerschaft ist eine Rückversicherung für Rechtsstaat und Demokratie. Auch Dr. Hahnzog, Verfassungsrichter in Bayern, begrüßte in der Anhörung den Gesetzentwurf Sachsen-Anhalts, stellte jedoch klar: ¿Man kann mit einem solchen Gesetz die Aufmärsche der Rechtsextremen nicht vom Tisch kriegen. Wir als aufrechte Demokraten sind mit unserem bürgerschaftlichen Engagement gefragt, um diesem Tun die Stirn zu bieten.¿ Wir können nun aber mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Gesetzentwurf wohl abgewogen wurde: Denn auf dem sehr konstruktiven Weg zu dem vorliegenden eigenständigen sachsen-anhaltischen Versammlungsgesetz sind die Vor- und Nachteile sowie die Wirkungen einzelner Regelungen des heute vorliegenden Gesetzentwurfs auch verfassungsrechtlich umfassend beleuchtet und die Vor- und Nachteile abgewogen worden. Ich möchte mich zum Abschluss noch einmal ausdrücklich an die Linksfraktion wenden. Ihre Fraktion hat häufig Mängel der Polizeiarbeit im Umgang mit Rechtsextremisten kritisiert; Sie haben dazu sogar einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Auch der Polizeieinsatz bei rechtsextremen Demonstrationen steht immer wieder im Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung. Ich erinnere nur an die Debatten um die jährlichen Aufzüge von Neonazis in der Landeshauptstadt Magdeburg zum Missbrauch des Gedenkens an die alliierten Luftangriffe. Dabei wissen Sie genau, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten bei solchen Gelegenheiten zwischen Baum und Borke sitzen und gezwungen sind, das Demonstrationsrecht von Parteien und Gruppierungen zu schützen, die das Demonstrationsrecht sofort abschaffen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Wenn all Ihre Kritik mehr gewesen sein soll als parteipolitische Polemik, dann appelliere ich an Sie, bei der heutigen Debatte über Ihren Schatten zu springen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und damit ein Stück mehr Rechtssicherheit für die Versammlungsbehörden und die Polizei zu schaffen. Diese Bitte richte ich abschließend an das gesamte Haus und danke für die Aufmerksamkeit.¿ Impressum: Verantwortlich: Martin Krems Pressestelle Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni 39112  Magdeburg Tel: (0391) 567-5504/-5516/-5517 Fax: (0391) 567-5520 Mail: Pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de

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