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Magdeburg, den 26.02.2010

Innenminister Hövelmann informiert über leichten Rückgang der politisch motivierten Kriminalität

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 019/10 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 019/10 Magdeburg, den 26. Februar 2010 Innenminister Hövelmann informiert über leichten Rückgang der politisch motivierten Kriminalität Weniger Gewalt von rechts und links In Magdeburg stellte Innenminister Holger Hövelmann heute vor der Presse die Statistik der politisch motivierten Kriminalität für das Jahr 2009 vor. Der Minister im Wortlaut: ¿ Ich begrüße Sie heute recht herzlich zur Vorstellung der Ent­wicklung der politisch motivierten Kriminalität in Sachsen-Anhalt im Jahr 2009. Auch wenn heute in Teilbereichen erfreuliche Tendenzen zu berichten sind, will ich eine grundsätzliche Bemerkung voranstellen: Die Demokratie wird in Sachsen-Anhalt unverändert von politischen Extremisten bedroht. Eine besondere Gefährdung geht dabei nach wie vor vom Rechts­extremismus aus. Für Ausländer, Juden, Behinderte, Anders­denkende und manchmal auch nur anders Aussehende wird diese Bedrohung oft zur Realität. Damit können und dürfen wir uns nicht abfinden. Zur Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität zunächst einige Kernaussagen: Musste ich im vergangenen Jahr noch einen erheblichen An­stieg der politisch motivierten Straftaten bekannt geben, kann ich heute feststellen, dass sich dieser Trend nicht fortgesetzt hat. Insgesamt gibt es einen Rückgang um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl rechtsmotivierter Straftaten ist deutlich zurückgegangen. Erfreulich ist, dass die Gewaltdelikte von rechts wie von links zurückgegangen sind. Gleichzeitig ist die Aufklärungsquote in diesen Phänomenbereichen verbessert worden. Kritisch ist anzumerken, dass sich die Aufklärungsquote insgesamt verringert hat. Erkennbar ist, dass wir trotz des Straftatenrückgangs noch immer ein viel zu hohes Niveau politisch motivierter Straftaten haben. Die Zahl rechter Straftaten ist jedoch deutlich um 177 Fälle (minus 10,1 Prozent) gesunken. Bei den linksmotivierten Straftaten sind vier Fälle mehr registriert worden, mit einem Plus von 1,2 Prozent, also ein geringer Anstieg. Die Zahl der politisch motivierten Ausländerkriminalität ist bei niedrigem Niveau um neun Fälle auf nunmehr fünf Straftaten zurückgegangen. Die Zahl der nicht zuzuordnenden Fälle ist deutlich um 143 Fälle auf 192 Fälle gestiegen. Der Grund ist vor allem, dass diesem Bereich 147 Straftaten in Wahlkämpfen zuzuordnen sind, insbesondere Zerstörungen von Wahlplakaten. Diese nicht zuzuordnenden Fälle sind nicht zu verwechseln mit den sogenannten Staatsschutzdelikten ohne explizite politische Motivation, deren Anzahl sich gegenüber dem Vorjahr nicht verändert hat. Der Anteil rechter Straftaten 2009 hat sich um ca. sieben Prozent-Punkte auf 72,5 Prozent verringert. Propagandadelikte haben dabei an rechtsmotivierten Delikten weiterhin einen hohen Anteil von ca. 75 Prozent. Der Anteil der politisch motivierten Kriminalität links ist geringfügig um 0,5 Prozentpunkte auf 15,4 Prozent angestiegen. Eine wichtige Kennziffer bei der Bewertung der Kriminalitätsbelastung ist die Häufig­keitszahl, also, wie viele Straftaten bezogen auf 100 000 Einwohner registriert worden sind. Der Landesdurchschnitt liegt bei 92 politisch motivierten Straftaten bezogen auf 100.000 Einwohner. Bei Betrachtung der Zuständigkeitsbereiche der drei Polizeidirektionen sind keine gravierenden Unterschiede zu erkennen. Die Belastung ist in Ost und Nord etwas höher und in Süd liegt sie unter dem Landes­durchschnitt. Ein Vergleich der Landkreise zeigt, dass die Belastung dort sehr unterschiedlich ist. So ist die Kriminalitätsbelastung zum Beispiel im Jerichower Land, im Landkreis Stendal und in Dessau-Roßlau deutlich höher. Für das Jerichower Land ist dies im wesentlichen auf eine beinahe Verdreifachung von rechten Propagandadelikten zurückzuführen. Hier wird deutlich, dass die Aktivitäten der rechten Szene, deren Kern bekannt ist und die über lose Verbindungen ins benachbarte Brandenburg verfügt, stark zugenommen haben. Lassen Sie mich nun zum Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität kommen. Dies ist für die Beurteilung des politischen Extremismus von besonderer Bedeutung. Zusammen sind in beiden Bereichen 54 politisch motivierte Gewalt­straftaten weniger registriert worden (minus 27,3 Prozent). Bei Gewaltdelikten werden wir auch weiterhin einen Schwerpunkt der polizeilichen Ermittlungsarbeit setzen und den Verfolgungsdruck weiterhin hochhalten und konsequent gegen jede Form von Gewalt vorgehen. Tatgelegenheiten bieten besonders Szenetreffpunkte, Versammlungen und Aufzüge, aber auch andere öffentliche Veranstaltungen. Insbesondere die extremistischen Kreise des rechten, aber auch des linken Spektrums greifen leider im Umfeld von Veranstaltungen immer häufiger zur Gewalt als Mittel der Konfliktlösung. In unserem Land sollen alle Menschen friedlich leben können. Ohne Angst, Opfer von Gewalt zu werden. Das ist und muss Ziel verantwortungsvoller Politik bleiben. Die Verteilung der Gewaltdelikte auf die Phänomenbereiche spricht eine deutliche Sprache. Der Schwerpunkt liegt weiterhin eindeutig bei rechtsmotivierter Gewalt, so dass wir hier leider wohl weiterhin einen Spitzenplatz im bundesweiten Vergleich einnehmen werden. Aber auch vom linken Spektrum ist wiederum eine Vielzahl von Gewaltdelikten verübt worden. Dazu zählen unter anderem politisch motivierte Brandanschläge. Sie bedeuten immer hohe Gefahren für die Allgemeinheit. So bearbeitet die Polizei derzeit Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge in Burg und auf ein Polizeiboot in Wittenberg. Letzterer ist glücklicherweise misslungen. Politisch motivierte Kriminalität entsteht häufig bei der Auseinandersetzung rechts gegen links und umgekehrt. Hier ist ein Wandel erkennbar: Wurden derartige Konfrontationsdelikte in den zurückliegenden Jahren mehr situativ begangen, gab es 2009 immer öfter auch geplante Auseinandersetzungen. Erkenntnisse aus anderen Bundesländern deuten ebenfalls auf diese Entwicklung hin. Überwiegend handelte es sich um Körperverletzungsdelikte, aber auch um Sachbeschädigungen am Fahrzeug oder der Wohnung des vermeintlichen politischen Gegners oder an bekannten Szeneobjekten. Ergänzend möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Zahl fremdenfeindlicher Delikte fast halbiert (minus 82 Fälle) hat und die Zahl antisemitische Straftaten um 16 Delikte gesunken ist. Auch dies ist ein positive Entwicklung, verzeichnen wir doch die geringste Anzahl solcher Delikte seit 5 Jahren. Wie steht es nun um die Aufklärungsquote? Bei den links- und rechtsmotivierten Gewaltdelikten ist ein leichter Anstieg der Aufklärungsquote gegenüber 2008 zu registrieren. So liegt die Aufklärungsquote nun bei rechten Gewaltdelikten bei über 83 Prozent und bei linken Gewaltdelikten bei knapp unter 80 Prozent. Dies spricht auch für eine gute und intensive Ermittlungstätigkeit der Polizei. Die (Gesamt-)Aufklärungsquote ist mit 37 Prozent gegenüber 2008 um ca. 6 Prozentpunkte zurückgegangen. Das liegt im wesentlichen an der Deliktsstruktur. So ist der Anteil der Propagandadelikte und der Sachbeschädigungen an der Gesamtzahl der politisch motivierten Kriminalität sehr hoch. Und es ist wohl jedem klar, dass beispielsweise Hakenkreuzschmierereien bei Dunkelheit begangen, ebenso schwer aufzuklären sind, wie Sachbeschädigungen an Wahlplakaten oder ähnlichem. So werden mitunter nur wenige Zentimeter große Hakenkreuze an Bushaltestellen, in Treppenfluren oder auf Spielplätzen festgestellt, bei denen es so gut wie keine Ermittlungsansätze gibt. Die Zahl der Sachbeschädigungen mit oftmals ebenso geringen Ansätzen zur Täterermittlung hat sich seit 2007 auf 487 Straftaten mehr als verdreifacht (2007: 151). Wie stellt sich nun die Täterstruktur dar? Die Altersstruktur verschiebt sich hin zu älteren Tatverdächtigen. Nach wie vor ist eine große Zahl der Tatverdächtigen unter 21Jahre alt (48,2 Prozent). Ihr Anteil ist hier wesentlich höher als bei der Allgemein­kriminalität, der dort 24,5 Prozent beträgt. Die Entwicklung über Jahre zeigt aber einen langsamen Rückzug dieser Altersgruppe aus der Szene, junge Menschen wachsen in Folge bestimmter Reifungsprozesse aus der Szene heraus. Musikveranstaltungen, auf denen Lieder mit gewaltverherrlichenden oder rechts­extremen Texten gespielt werden, bilden vielfach den Einstieg in die rechte Szene. Die Veranstaltungen können aber auch der Ausgangspunkt von Straftaten sein, wenn sie nicht schon selbst Straftatbestände darstellen. Hier wird Gedankengut verbreitet, das der Entwicklung der Jugend schadet und das Empfinden der Bürger erheblich beeinträchtigt. Hier müssen wir immer genauer ¿ hingucken ¿ aber auch hinhören, damit die Grenze des Erlaubten nicht überschritten wird. Die Veranstalter haben sich zunehmend darauf eingestellt und testen ihren Handlungsspielraum aus. Wie aus Urteilen im Zusammenhang mit der Verteilung rechtsextremer CDs erkennbar ist, weiß die Szene inzwischen ganz genau, was geht und was zu Sanktionen führt. Aber: wir werden auch künftig bei Gefahr einer rechtswidrigen Handlung jede Veranstaltung konsequent unterbinden. Was haben wir getan, was tun wir? Die personelle Verstärkung und der Einsatz von Staatsschutzdienststellen in allen Polizeirevieren war eine richtige Entscheidung. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen von Polizei, Verfassungsschutz, Bundespolizei, Kommu­nen ist intensiviert worden. Zunehmend kommt es zu Sicherheitskooperationen vor Ort. Die Fachhochschule Polizei hat zum Thema Bekämpfung des politischen Extremis­mus, insbesondere des Rechtsextremismus, im vergangenen Jahr wiederum eine Vielzahl von Veranstaltungen durchgeführt. Auch auf den Dienststellen der Polizei ist die Thematik mit dem Umgang und den Erscheinungsformen des politischen Extremismus wiederholt in Dienstbesprechungen und Beratungen erörtert worden. Die Landesbereitschaftspolizei hat im Rahmen der Unterstützung der Behörden 24.209 Mannstunden geleistet. Die Landesregierung ist bisher 32-mal monatlich über rechtsextremistische Themen und Reaktionen sowie präventive Aktivitäten unterrichtet worden und hat insoweit den Stellenwert der Thematik auch nach außen unterstrichen. Genauso notwendig wie die polizeiliche Schwerpunktsetzung in diesem Bereich ist eine Fortsetzung unserer gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengungen. Das gilt für die Bürger­bündnisse vor Ort genauso wie für die Kampagne ¿Hingucken und Einmischen¿, aber auch, das will ich hier ausdrücklich unterstreichen, für die Fortsetzung der Bundes­programme mit ihrer klaren Zielrichtung gegen Rechtsextremismus. Aber auch Zivilcourage im Alltag bleibt gefragt. Niemand verlangt von einem Einzelnen, sich einer Gruppe gewaltbereiter Schläger entgegen zu stellen. Aber hilfreich ist es schon, die Polizei zu informieren, zu verständigen. So kann sich jeder durch eine Information, einen Anruf ¿einmischen¿ und zur Aufklärung der Tat beitragen.¿ Impressum: Verantwortlich: Martin Krems Pressestelle Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni 39112  Magdeburg Tel: (0391) 567-5504/-5516/-5517 Fax: (0391) 567-5520 Mail: Pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de

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