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Magdeburg, den 17.06.2010

Landtag schließt Gebietsreform ab ? Hövelmann: ?Die Reform macht die kommunale Selbstverwaltung zukunftsfähig?

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 074/10 Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 074/10 Magdeburg, den 18. Juni 2010 Landtag schließt Gebietsreform ab ¿ Hövelmann: ¿Die Reform macht die kommunale Selbstverwaltung zukunftsfähig¿ Es gilt das gesprochene Wort! Der Landtag berät am heutigen Freitag abschließend über zwölf Gesetzentwürfe zur Gemeindegebietsreform. In der Debatte erklärt Innenminister Holger Hövelmann (SPD): ¿In der heutigen zweiten Lesung sollen das Zweite Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform und die elf Gesetze über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend jeweils die elf Landkreise unseres Landes beschlossen werden. Am 18. Februar 2010 habe ich hier gestanden und die Entwürfe dieser zwölf Gesetze eingebracht. Zum Schluss meiner Einbringungsrede, an die ich heute anknüpfen möchte, hatte ich ausgeführt, dass wir mit der Einbringung der Gesetzentwürfe auf der Zielgeraden der Gemeindegebietsreform eingebogen sind. Heute nun werden wir die Zielgerade durchlaufen, so hoffe ich, und die erste Reform unseres Bundeslandes, die in den Gebietsstand der Gemeinden eingreift, abschließen. Erlauben Sie mir einen kurzen Blick zurück: Im August 2007 ¿ also vor fast drei Jahren ¿ fiel mit der Vorlage des von der Landesregierung erarbeiteten Leitbildes der Startschuss für die Gemeindegebietsreform. Damals gab es in Sachsen-Anhalt 1.033 kreisangehörige Gemeinden, die 93 Verwaltungsgemeinschaften angehörten. Nahezu 70 Prozent dieser Gemeinden wiesen weniger als 1.000 Einwohner auf. Sachsen-Anhalt war damit das Bundesland mit der kleinteiligsten Struktur. Schon seit der politischen Wende und der damit erfolgten Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung war zunehmend deutlich geworden, dass insbesondere die kleinen Gemeinden häufig nicht in der Lage sind, die in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben des eigenen Wirkungskreises gemäß den gesetzlichen Anforderungen selbständig zu erfüllen. Mit dem Kooperationsmodell der Verwaltungsgemeinschaft und dessen Fortentwicklung wurden Maßnahmen ergriffen, um die gemeindliche Verwaltungskraft zu stärken und die Leistungsschwäche der gemeindlichen Ebene zu kompensieren. Doch auch dabei sind wir letztlich an Grenzen gestoßen. Die sich immer weiter verschärfenden Rahmenbedingungen kommunalen Handelns, wie insbesondere die immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen und die negative Bevölkerungsentwicklung, erforderten letztlich eine Abkehr von der kommunalen Kleinteiligkeit und eine Aufgabe des Modells der Verwaltungsgemeinschaft hin zu größeren kommunalen Strukturen. Die regierungstragenden Parteien ¿ CDU und SPD ¿ haben das erkannt. Sie setzten auf eine Neugliederung der gemeindlichen Ebene. Auf größere und damit zukunftsfähigere Gemeinden. Auf Einheitsgemeinden und letztlich auch ¿ in Ausnahmefällen ¿ auf Verbandsgemeinden. Am 24. Januar 2008 haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, das Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform beschlossen, mit dem Sie das von der Landesregierung entwickelte Leitbild zur Gemeindegebietsreform in Gesetzesform gegossen haben. Die Neugliederung der kommunalen Ebene erhielt damit ihre entscheidende Weichenstellung. Sowohl Artikel 1 des Begleitgesetzes, das Gesetz über die Grundsätze der Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt, als auch Artikel 2 des Begleitgesetzes, das Verbandsgemeindegesetz, waren Gegenstand zahlreicher kommunaler Verfassungsbeschwerden. Nach den Urteilen des Verfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt begegnen die Regelungen beider Gesetze keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Unmissverständlichkeit in den Urteilen des Verfassungsgerichts macht mich zuversichtlich, dass auch die heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetze, die in strikter Kontinuität zum ersten Begleitgesetz konzipiert wurden, jeder verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten werden. Es besteht kein Grund zu verschweigen, dass die Gemeindegebietsreform von Anfang an von Kritik begleitet wurde. Überwiegend handelte es sich dabei um konstruktive Kritik. Mit den vorgetragenen Anregungen und Bedenken haben wir uns ernsthaft und detailliert auseinandergesetzt. Das kann ich auch denjenigen Kritikern versichern, die ihre Anregungen und Bedenken nicht in den Gesetzen wiederfinden. Mehreren dieser Bedenken wurde mit den Beschlussempfehlungen des Innenausschusses Rechnung getragen. Ich nenne die Möglichkeit zur Überleitung von Gemeinderäten und Bürgermeistern als künftige Ortschaftsräte und Ortsbürgermeister sowie die Entsendung von zusätzlichen Gemeinderatsmitgliedern aus diesen Ortschaftsräten. Dieser Moment bietet mir Gelegenheit, den Mitgliedern des Ausschusses für Inneres für die gute und zielorientierte Zusammenarbeit zu danken. Während die Diskussion zu Beginn der Gemeindegebietsreform teilweise emotional geführt worden ist, entwickelte sich im Fortgang der Beratungen eine äußerst sachlich geprägte Atmosphäre, die in den konstruktiven Beratungen des Innenausschusses in der Klausurtagung in Letzlingen ihren ¿ aus meiner Sicht ¿ positiven Höhepunkt fanden. Von Anfang an ging es darum, eine Gemeindegebietsreform Realität werden zu lassen, die die kommunale Selbstverwaltung zukunftsfähig macht und längerfristig Bestand haben wird. Und um dieses Ziel habe ich gern mit Ihnen gestritten. Und ich möchte an dieser Stelle auch betonen, dass Sachsen-Anhalt mit seiner Gemeindereform ein erfolgreiches Beispiel für andere Bundesländer abgibt, die ¿ wie zum Beispiel Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern ¿ noch vor einer Gemeindegebietsreform stehen. Bereits bei der Einbringung der hier heute zur Beschlussfassung anstehenden Gesetzentwürfe am 18. Februar 2010 hatte ich erwähnt, dass sich im Verlauf der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform, die bis zum 30. Juni 2009 andauerte, mehr als 830 Gemeinden zu leitbildgerechten Strukturen zusammengefunden haben. Und auch nach dem 30. Juni 2009 gab es noch freiwillige Zusammenschlüsse auf der Grundlage von Gebietsänderungsverträgen. Aber selbst nach dem 18. Februar 2010, der Einbringung der hier heute zur Beschlussfassung anstehenden zwölf Gesetze, haben sich noch weitere Gemeinden zu leitbildgerechten Strukturen zusammengeschlossen: Die in der Verwaltungsgemeinschaft Östlicher Saalkreis gelegene Gemeinde Braschwitz hat sich mit Wirkung zum 20. April 2010 in die Stadt Landsberg eingemeinden lassen und die im Landkreis Stendal gelegene Gemeinde Vinzelberg mit Wirkung zum 29. April 2010 in die Hansestadt Stendal. Besondere Erwähnung verdienen die 19 Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Tangerhütte-Land, die sich mit Wirkung zum 31. Mai 2010 zur Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte zusammengefunden haben. Somit entscheiden Sie mit der Beschlussfassung über die elf Gesetze über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt über die gesetzliche Zuordnung von 129 Gemeinden. Ab dem 1. Januar 2011, dem Zeitpunkt, an dem die letzten gesetzlichen Zuordnungen wirksam werden, wird es damit in Sachsen-Anhalt 219 Gemeinden geben, davon 104 Einheitsgemeinden und 18 Verbandsgemeinden mit insgesamt 115 Mitgliedsgemeinden. In den Gemeinden, über deren Zuordnung Sie gleich beschließen werden, leben nach der Bevölkerungszahl vom 31. Dezember 2008 insgesamt 113.290 Bürgerinnen und Bürger. Diese Bürgerinnen und Bürger sind ¿ wie auch die übrigen Bürgerinnen und Bürger ¿ unseres Landes die eigentlichen Adressaten der Gemeindegebietsreform. Erlauben Sie mir daher an dieser Stelle, mich mit meinen Worten einmal an die Bürgerinnen und Bürger der 129 zuzuordnenden Gemeinden zu wenden. Mir ist bewusst, dass manche Bürgerinnen und Bürger der Gemeindegebietsreform skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Manche befürchten sogar, dass die Gemeindegebietsreform negative Auswirkungen auf das Wohnumfeld und das gemeindliche Leben haben könnte. In Schreiben und Gesprächen deuteten mir Bürgerinnen und Bürger an, ihr bisheriges Engagement zum Wohle ihres Heimatortes überdenken zu wollen. Einige sehen in der Gemeindegebietsreform sogar das Ende der kommunalen Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gemeindegebietsreform die kommunale Selbstverwaltung stärken wird. Sie würde ausgehöhlt, wenn wir in Sachsen-Anhalt untätig geblieben wären. Es ist leider eine Tatsache, dass die finanziellen Handlungsspielräume abnehmen, sowohl auf Bundesebene, auf Landesebene und auf kommunaler Ebene. Wird dem nicht durch geeignete Maßnahmen entgegengesteuert, nehmen die Möglichkeiten ab, das Leben vor Ort weiterhin eigenverantwortlich gestalten zu können. Größere Strukturen ¿ Einheitsgemeinden wie auch Verbandsgemeinden ¿ bieten jedenfalls keinen Grund, das bürgerschaftliche Engagement zurückzufahren. Es lohnt sich weiterhin, sich und seine Fähigkeiten zum Wohl der Gemeinde und des Ortsteils einzubringen. Die zuzuordnenden Gemeinden verlieren ihre rechtliche Selbständigkeit. Ihre Seele und ihre Identität verlieren sie dadurch nicht. Die Kirche bleibt im Dorf ¿ unabhängig davon, ob es sich bei dem Dorf um eine Gemeinde oder künftig einen Ortsteil handelt. An dieser Stelle möchte ich dann doch noch einmal das Ziel der Gemeindegebietsreform konkret benennen, wie es insbesondere in § 1 Absatz 1 Satz 1 des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes normiert worden ist: ¿Ziel der Neugliederung der gemeindlichen Ebene im Land Sachsen-Anhalt ist die Schaffung zukunftsfähiger gemeindlicher Strukturen, die in der Lage sind, die eigenen und übertragenen Aufgaben dauerhaft sachgerecht, effizient und in hoher Qualität zu erfüllen und die wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen zu sichern.¿ Dieses Ziel, die Schaffung zukunftsfähiger gemeindlicher Strukturen, werden wir mit diesen Gesetzen erreichen. Dann ist es grundsätzlich an den Kommunen, das zweite Etappenziel und damit das eigentliche Ziel der Gemeindegebietsreform zu erreichen: die eigenen und übertragenen Aufgaben dauerhaft sachgerecht, effizient und in hoher Qualität zu erfüllen und die wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen zu sichern. Mir ist bewusst, dass dieses letzte Etappenziel möglicherweise längere Zeit in Anspruch nehmen wird als die Strecke, deren Endpunkt wir heute erreichen werden. Mir ist aber auch bewusst, dass sowohl die Landesregierung als auch der Landesgesetzgeber die Gemeinden dabei nicht allein lassen dürfen. Wir müssen die Kommunen auch weiterhin begleiten. Die Umsetzung der Gemeindegebietsreform wird uns somit auch weiterhin fordern. In diesem Sinne bitte ich Sie, sowohl dem Zweiten Begleitgesetz als auch den elf Gesetzen über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend die elf Landkreise zuzustimmen.¿ Impressum: Verantwortlich: Martin Krems Pressestelle Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni 39112  Magdeburg Tel: (0391) 567-5504/-5516/-5517 Fax: (0391) 567-5520 Mail: Pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de

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