Gutachter des Bergbausanierers LMBV und des Bergamtes einig: Hoher Druck in tiefer liegenden Grundwasserleitern war maßgeblich für das Unglück in Nachterstedt
Die Gutachter der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) und des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (LAGB), Prof. Dr.-Ing. Rolf Katzenbach und Dr.-Ing. Michael Clostermann, haben heute in Magdeburg ihre unabhängig voneinander erstellten Abschlussgutachten zur Ursachenermittlung des Unglücks von Nachterstedt vorgestellt. Beide Gutachten kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der sehr hohe Druck im obersten Liegendgrundwasserleiter (grundwasserführende Sedimente unterhalb des Kohleflözes) unter dem Rutschungsbereich zum Unglückszeitpunkt maßgeblich für das Entstehen und das Ausmaß der Böschungsbewegung war. Der von der LMBV beauftragte Gutachter Prof. Katzenbach, Direktor des Instituts und der Versuchsanstalt für Geotechnik der Technischen Universität Darmstadt, stellt in seinem Abschlussgutachten fest, dass die Böschungsbewegung durch ein nicht vorhersehbares dynamisches Initial und den ebenfalls unvorhersehbaren, hohen artesischen Wasserüberdruck als Folge der anomalen lokalen Rinnenstruktur des Liegendgrundwasserleiters verursacht worden sei. Der Gutachter des LAGB, Dr. Clostermann, Geschäftsführer des Dortmunder Markscheiderisch-Geotechnisches Consulting, kommt in seinem Abschlussgutachten zum Ergebnis, dass die herrschenden Grundwasserverhältnisse im Liegenden, insbesondere die hohen Grundwasserdrücke, und die locker gelagerten Kippenmaterialien unter Wasser die wesentliche Ursache für das Böschungsversagen gewesen seien. Die Wasserstände im Hangenden (grundwasserführende Sedimente oberhalb des Kohleflözes und bergmännisch gekippte Sedimente) hätten zwar standsicherheitsmindernd gewirkt, sind aber für das Ausmaß der Böschungsbewegung vom 18. Juli 2009 allein nicht verantwortlich. ?Nach der intensiven Erforschung der Ursachen des Böschungsunglücks kommt es nun darauf an, eine Perspektive für die weitere Nutzung des Concordia Sees als Naherholungsgebiet und für touristische Zwecke aufzuzeigen. Dabei hat der Schutz von Leib und Leben auch weiterhin oberste Priorität?, erklärte Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Hartmut Möllring. Ergebnis der von den Gutachtern festgestellten Schadensursachen und der dabei gewonnenen Erkenntnisse ist auch, dass derzeit Risiken für die Standsicherheit der übrigen Kippen-Böschungen noch nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Vor diesem Hintergrund kann die Sperrung des Concordia Sees zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufgehoben werden. Die gemeinsamen Anstrengungen des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft, der LMBV und des LAGB richten sich nun auf die Sanierung und Wiedernutzbarmachung des Concordia Sees. ?Das gemeinsame Ziel ist es, den Concordia See so schnell wie sicherheitstechnisch vertretbar wieder einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. Gemeinsam werden wir darauf hinarbeiten, eine Teilnutzung des Concordia Sees am Schadelebener Ufer in der Saison 2015 zu ermöglichen?, erklärten Minister Hartmut Möllring und der Vorsitzende der Geschäftsführung der LMBV, Prof. Mahmut Kuyumcu. Die LMBV wird in enger Abstimmung mit dem LAGB die für die Sanierung erforderlichen restlichen Untersuchungen für die übrigen Böschungen des Concordia Sees hinsichtlich der verkippten Materialien sowie der hydrogeologischen Verhältnisse so rasch wie möglich abschließen und die sich hieraus ergebenden Maßnahmen zur Gewährleistung einer dauerhaften Standsicherheit unter Einbeziehung aller Randbedingungen ergreifen. Hintergrundinformation: Am 18. Juli 2009 hatte sich in den frühen Morgenstunden an der Südböschung des Concordia Sees in Nachterstedt, eines teilgefluteten Tagebaurestlochs, eine Böschungsbewegung von erheblichem Ausmaß ereignet. Infolge dieser Böschungsbewegung kam es zu einer Massenumlagerung von etwa 4,5 Millionen Kubikmetern. Dieser Erdrutsch erreichte auch die Wohnsiedlung ?Am Ring?. Drei Bewohner wurden in die Tiefe gerissen und starben, weitere 41 Menschen mussten ihre Häuser aufgeben. Zur Ursachenermittlung der Böschungsbewegung und zur Vorbereitung der Sicherungs- und Sanierungsarbeiten hatte Prof. Katzenbach gemeinsam mit dem Bergbausanierungsunternehmen LMBV unmittelbar nach der Böschungsbewegung ein umfangreiches Erkundungsprogramm entworfen und sukzessive umgesetzt. Das Programm wurde vom LAGB und seinem Gutachter auf der Grundlage der entsprechenden Betriebsplanzulassungen bergrechtlich begleitet und überwacht. Wesentliche Erkundungs- und Sicherungsmaßnahmen waren dabei unter anderem: · Sichtung und Auswertung von rund 20.000 bergbaulichen Altunterlagen bis zurück in das 19. Jahrhundert, · detaillierte Erschließung der komplexen Lagerstättenstrukturen in Nachterstedt mit Hilfe von 186 land- und seeseitigen Bohrungen mit insgesamt rund 12.840 Bohrmetern sowie 71 weiteren Drucksondierungen, · Ausbau von 184 Messstellen zur Untersuchung der komplexen Grundwasserverhältnisse im Untersuchungsgebiet und zur Erfassung hydrodynamischer Vorgänge, · Herstellung und Inbetriebnahme von 28 Filterbrunnen, · Durchführung eines Wiederanstiegsversuchs zur kleinräumlichen und quantitativen Identifizierung der hydrogeologischen und hydrodynamischen Anomalien, · Entnahme und Untersuchung von rund 4.100 Bodenproben durch beide Gutachter, · Durchführung zahlreicher Untersuchungen (Lotungen des Seegrundes; terrestrische und satellitengestützte Verformungsmessungen; seismische Messungen; aerogeophysikalische Untersuchungen, etc.). Nach nunmehr vier Jahren intensiver Recherche sowie der Durchführung und Auswertung des Erkundungsprogramms legten beide Gutachter Ende Juni / Anfang Juli 2013 ihre unabhängig voneinander erstellten Abschlussgutachten zur Ursachenermittlung der Böschungsbewegung vor. Diese haben aufgrund der Komplexität der durchgeführten Ursachenermittlungen, der durchgeführten Feld- und Laboruntersuchungen, der danach aufgestellten Modelle und der durchgeführten Standsicherheitsberechnungen einen Umfang von jeweils rund 200 Aktenordnern. Die jeweiligen Textfassungen der Gutachten (ohne Anlagen) und die zusammenfassenden Darstellungen der Gutachter können auf den Internetseiten der LMBV (www.lmbv.de) bzw. des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (www.mw.sachsen-anhalt.de) eingesehen werden.
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