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Halle (Saale), den 07.07.2015

Natura 2000 Sommer - Ferien - Einladung zum Wandern und Radeln durch das Naturschutzgebiet ?Buchenwald und Hammerbachtal in der Dübener Heide? ? auf den Spuren seltener und schützenswerter Pflanzen und Tiere

?Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!?, wusste schon Johann Wolfgang Goethe und warb damit für das Erkunden von Naturschätzen vor der eigenen Haustür. Diesen Gedanken möchte das Landesverwaltungsamt als Obere Naturschutzbehörde aufgreifen und den Bürgerinnen und Bürgern die Natura 2000 ? Schutzgebiete Sachsen-Anhalts näher bekannt machen.Um sich auf die Spur nach seltenen Tieren und Lebensraumtypen zu begeben, muss man nicht in exotische Gebiete reisen. Einen Schritt vor die Haustür und eine Wanderung ins nahe gelegene Schutzgebiet Buchenwald und Hammerbachtal in der Dübener Heide reicht aus, um sich eine Priese Urlaubsfeeling und Exotik zu holen.  Wald ist nicht gleich Wald. Schon auf den ersten Blick wird dies deutlich. In Reih und Glied gepflanzte Forstmonokulturen erinnern eher an Maisäcker, als dass sie dem romantischen und urwüchsigem Bild eines Waldes entsprächen.     Natürliche oder naturnahe Wälder sind zumeist durch eine hohe Arten- und Strukturvielfalt gekennzeichnet und vermitteln eher das Bild vom Wald als ?Hallraum der Seele?, wie der Dichter Joseph von Eichendorff ihn sah. Wären menschliche Eingriffe vergangener Epochen in die Waldentwicklung unterblieben, hätte dies zu einer nahezu flächendeckenden Bewaldung Deutschlands geführt, wobei sich auf den verschiedenen Standorten eine jeweils typische Waldformation etabliert hätte. Im Bereich der Endmoräne (eiszeitliche Materialaufschiebungen) der Dübener Heide sind dies vornehmlich Buchenwälder.Das FFH-Gebiet ?Buchenwald und Hammerbachtal in der Dübener Heide? beherbergt solche natürlichen bzw. naturnahen Wälder und hebt sich so von den umliegenden, monotonen Nadelwaldforsten ab. Der Charakter des Schutzgebiets wird aufgrund der überwiegend bodensauren Bereiche standorttypisch vom FFH-Lebensraumtypen (LRT) ?Hainsimsen-Buchenwald? geprägt. Auf basenreicherem Untergrund ist die Ausprägung des Waldmeister-Buchenwaldes vorzufinden. Mancherorts sind die Wälder zu imposanten ?Hallenbuchenwäldern? herangewachsen. Die Bedeutung dieser Bezeichnung erfährt man am besten inmitten der riesigen Bäume, die wie Säulen das in über 30 m Höhe liegende geschlossene Kronendach tragen. Da Strauch- und Krautschicht kaum ausgebildet sind, schweift der Blick weit in diese Halle aus Stämmen und Blättern hinein. Während die Seele manches Wanderers träumerisch durch diese Landschaft schwebt, bewegen sich andere aus viel rationaleren Gründen fast lautlos zwischen den Baumriesen umher. In der Dämmerung braucht man hier nicht viel Glück, um eine der zahlreichen, schnell vorbeihuschenden, kaum hörbar fiependen Fledermäuse auszumachen. Sie nutzen das Gebiet als Jagdhabitat oder quartieren hinter abblätternder Rinde, in Baumspalten oder in alten Bruthöhlen, wie sie z. B. Schwarz- oder Grauspecht (Dryocopus martius, Picus canus) in die Bäume hämmern. Welche Art vor einem in der Luft flattert, ist oft auch für Spezialisten nicht ohne Hilfsmittel oder Fang auszumachen. Das Wissen, dass es eine vom Aussterben bedrohte Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) oder der gefährdete Große Abendsegler (Nyctalus noctula) sein könnte, unterstreicht den naturschutzfachlichen Wert des Schutzgebiets, in dem viele weitere Fledermausarten vorkommen.    Diese Artenvielfalt resultiert aus dem mit den Waldlebensräumen im Komplex stehenden offenen und halboffenen Lebensräumen entlang des Hammerbachtals. Filigran schlängelt sich der Hammerbach durch die sanften Hügel der Endmoräne in Richtung Mulde. Nördlich des Teichs am Eisenhammer wird sein Lauf jedoch durch Querbauwerke unterbrochen und in verschiedenen Becken aufgestaut. Der Landschaftsarchitekt dieser märchenhaften Kulisse ist in Deutschland mittlerweile kein Unbekannter mehr. Die Biber (Castor fiber) graben sich an Gewässerufern Höhlen oder legen, wie hier, an Fließgewässern Dämme und Burgen an. Die beeindruckende, wasserbauliche Schaffenskraft des zweitgrößten Nagers der Erde zieht sich ca. 500 m entlang eines Weges. Solch Ausmaße sind in Sachsen-Anhalt nicht allzu häufig. Die Wasserkaskaden oder den Baumeister selbst bei einem Spaziergang komfortabel vom Weg aus bestaunen zu können, ist noch viel seltener.     Die natürliche bzw. naturnahe Beschaffenheit des Hammerbachtals bietet weiteren, an Gewässer gebundene, Arten wie dem Fischotter einen Lebensraum. Derzeit nutzt dieser das Gebiet gelegentlich als Nahrungshabitat und Wanderkorridor. Der Hammerbach ist dem Lebensraumtyp ?Flüsse mit Wasservegetation? zuzuordnen. Seine Ränder säumen Erlen-Eschenwälder, welche die repräsentative Vegetation dieser feuchten, zeitweilig überstauten Bereiche darstellen. Angrenzende Wiesen und Weiden ergänzen die idyllische Landschaft des FFH-Gebietes, welches mit seinen Wäldern, Feuchtgebieten und Grünländern den Charakter der Natur- und Kulturlandschaft Dübener Heide porträtiert. ?Wir hoffen sie sind neugierig geworden, denn wir können hier einen Lebensraum mit seinem typischen Arteninventar erleben, wie er in Sachsen-Anhalt selten geworden ist. Also machen sie sich mit ihren Lieben auf und kommen sie vorbei zu einem erholsamen Spaziergang in diesem wunderbaren, spannenden Landstrich.?, erklärt der Leiter der Oberen Naturschutzbehörde im Landesverwaltungsamt, Dr. Uwe Thalmann, selbst Pflanzenexperte und passionierter Wanderer. ?Wichtig ist uns, dass die Bürgerinnen und Bürger vertraut gemacht werden mit den Naturschätzen, die uns umgeben, die teilweise bedroht sind und geschützt werden müssen. Denn man kann nur mit den Dingen sorgsam umgehen oder für deren Schutz kämpfen, wenn man diese kennt.?, so Thalmann weiter.  FFH-GebietBuchenwaldgebiet und Hammerbachtal in der Dübener Heide InfoboxNaturnaher Laubwaldkomplex und Tieflandbach mit artenreicher Flora und Fauna.Gebietsnummer:     FFH0133LSA    Größe des Gebietes: 959 haAusgewählte Lebensraumtypen:- Flüsse mit Wasservegetation (3260)- Hainsimsen-Buchenwald (9110)- Waldmeister-Buchenwald (9130)- Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald (9160)- Erlen-Eschenwälder (91E0*)    Ausgewählte Arten:- Fischotter- Biber- Mopsfledermaus- Großer Abendsegler    - Hirschkäfer- Schwarzspecht- Mittelspecht- GrauspechtHintergrundWarum Naturschutz, warum Natura 2000?Warum verwenden wir weltweit viel Kraft, Emotionen und auch Geld, um unsere Natur zu schützen? Weil der Naturschutz nicht selbstverständlich ist. Natürlich zerstört niemand mutwillig seine Umwelt, dennoch unterliegen wir oftmals Entscheidungszwängen und auch -notwendigkeiten, die dazu beitragen, dass unsere Umwelt sich verändert ? auch zum Negativen. Wir brauchen Industrieansiedlungen, wir wollen ein modernes Straßennetz, um unsere Flexibilität zu gewährleisten, wir brauchen Arbeitsplätze ? all das sind nachvollziehbare und richtige Willensbekundungen, aus deren Umsetzung sich oftmals heftige Naturschutzkonflikte ergeben. Im Ringen um die Schaffung von Arbeitsplätzen o. ä. sind wir dann schnell bereit, auf Kosten der Natur Kompromisse einzugehen, zumal sich die negativen Auswirkungen erst viele Jahre später zeigen. Deshalb braucht es gewisse Regularien, gesetzliche Vorschriften und Richtlinien, die auch in Zukunft eine Artenvielfalt und Schutz der Umwelt mit Augenmaß gewährleisten. Nicht zuletzt ist der Mensch abhängig von funktionierenden Ökosystemen, der Naturschutz dient dadurch unmittelbar der Sicherung unserer Existenz auf diesem Planeten.Natura 2000 schützt Arten und LebensräumeVor diesem Hintergrund haben sich alle europäischen Länder zusammengetan und ein Netz an Schutzgebieten geschaffen, das sich durch ganz Europa zieht und die Schönheit und Vielfalt unserer Natur sichert. Das Projekt trägt den Namen ?Natura 2000? und kann als  bisher weltweit einmalig bezeichnet werden. Dabei haben sich alle Länder darauf verständigt, eine bestimmte Anzahl von Gebieten, die besondere Biotope darstellen oder besonders schützenswerten Arten eine Heimat bieten, als Natura 2000-Gebiete zu melden und auszuweisen. In diesen Gebieten besteht das so genannte ?Verschlechterungsverbot?. Das heißt, der gegenwärtige Zustand des Gebietes ist zu erhalten und darf sich nicht verschlechtern. Das Betreiben von Landwirtschaft, Fischerei oder Forstwirtschaft bleibt selbstverständlich weiterhin möglich. Grundlage für die Entscheidung, welche Gebiete als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen werden, sind die Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (kurz: FFH-Richtlinie), die schützenswerte Lebensraumtypen und die darin enthaltenen Tiere und Pflanzen bezeichnet. Auch Sachsen-Anhalt ist in dieses Netzwerk eingebunden und hat bisher 32 Vogelschutzgebiete und 266 FFH-Gebiete als Natura 2000-Gebiete gemeldet. Derzeit sind 8 Vogelschutzgebiete und 45 FFH-Gebiete vollständig sichergestellt. Das Ausweisungsverfahren für die bislang noch nicht nationalrechtlich gesicherten Natura 2000-Gebiete mittels einer landesweit gültigen Verordnung ist derzeit in Arbeit.Das AusweisungsverfahrenRechtliche Grundlage für das Ausweisungsverfahren bilden die EU-Richtlinie über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz: FFH-RL) und die EU-Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie, kurz: VS-RL). Aus den Anforderungen dieser Richtlinien ergibt sich die unmittelbare Verpflichtung der Mitgliedsstaaten der EU, Natura 2000-Gebiete als besondere Schutzgebiete nationalrechtlich hinreichend zu sichern.Durch einen Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt wurde das Landesverwaltungsamt aufgefordert, bis Ende 2018 ein Ausweisungsverfahren für die bisher noch nicht nationalrechtlich gesicherten Natura 2000-Gebiete durchzuführen. Derzeit erfolgt eine dem eigentlichen öffentlichen Beteiligungsverfahren vorgelagerte Einbeziehung von Verbänden der Nutzergruppen, Eigentümervertretern und Landkreisen sowie Kommunen. Weitere Informationen zu Schutzgebieten sowie zu Natura 2000 und dem Ausweisungsverfahren finden Sie unter:www.lvwa.sachsen-anhalt.de/projekte/natura-2000oder bei facebook: www.facebook.com/natura2000lsa

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