(OLG NMB) Hauptverfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Umgangs mit Abfällen im Tontagebau Vehlitz vor einer großen Strafkammer des Landgerichts Stendal eröffnet 1 Ws (s) 176/15 OLG Naumburg 110 Ws 195/15 GenStA Naumburg
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg die Anklage der Staatsanwaltschaft Stendal wegen des Vorwurfs einer Umweltstraftat in besonders schwerem Fall und der falschen uneidlichen Aussage zugelassen und das Hauptverfahren vor einer großen Strafkammer des Landgerichts Stendal eröffnet. Die gegen insgesamt sieben Angeschuldigte gerichtete Anklage hat zwei Angeschuldigten vorgeworfen, gemeinschaftlich vorsätzlichen unerlaubten Umgang mit Abfällen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Betreiben einer Anlage, jeweils in besonders schwerem Fall, begangen zu haben. Weiteren fünf Angeschuldigten hat die Anklage Beihilfe zu den erwähnten Taten vorgeworfen, einem davon zusätzlich die falsche uneidliche Aussage vor einem Untersuchungsausschuss eines Gesetzgebungsorganes eines Landes. Zum Sachverhalt: Die S-GmbH war Betreiberin eines Tontagebaus in Vehlitz. Im März 2004 genehmigte das Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) einen von der S-GmbH beantragten Sonderbetriebsplan für die Verfüllung und Rekultivierung eines Teilfeldes des Tontagebaus. In der Genehmigung sind die Materialien, die zur Auffüllung des Teilfeldes verwendet werden dürfen, in Form eines Kataloges beschrieben. Dieser Katalog bezeichnet die Abfälle unter Verwendung von Schlüsselnummern aus der Abfallverzeichnisverordnung (AVV). Die S-GmbH zeigte an, dass sie mit der Verfüllung des Teilfeldes im September 2005 beginnen werde. Nachdem eine Beprobung von Material aus Haufwerken, die zur Verfüllung im Tontagebau vorgesehen waren, einen erheblichen Anteil organischer Substanzen ergeben hatte, nahm das LAGB durch zwei Bescheide im März und April 2008 die Sonderbetriebsplanzulassung vom März 2004 teilweise zurück, reduzierte die Liste der zur Verfüllung zugelassenen Materialien und untersagte im Übrigen die Verfüllung. Die Staatsanwaltschaft Stendal hat dem eingetragenen Geschäftsführer der S-GmbH und einem geschäftsführenden Mitgesellschafter zur Last gelegt, zwischen September 2005 und März 2008 die Verfüllung des Teilfeldes mit Abfällen betrieben zu haben. Dabei seien rund 900.000 t Abfall eingebracht worden, die nicht von der Sonderbetriebsplangenehmigung des LAGB aus dem Jahre 2004 erfasst gewesen seien. Es sei organisches und nichtmineralisches Material in nicht genehmigtem Umfang eingebracht worden. Dabei habe es sich um zerkleinerte hausmüllähnliche sonstige Gewerbeabfälle gehandelt. Die verfüllten Abfälle seien geeignet, nachhaltig ein Gewässer, die Luft sowie den Boden zu verunreinigen und hätten bereits zur Entstehung toxischen Sickerwassers geführt. Die unerlaubte Ablagerung der Abfälle habe der S-GmbH beträchtliche Entsorgungskosten erspart und erheblichen Gewinn, unter anderem aus der Übertragung von Geschäftsanteilen an der H-GmbH, die an der Anlieferung der Abfälle beteiligt gewesen sei, eingetragen. Einer dieser beiden Angeschuldigten habe Provisionszahlungen erhalten. Den übrigen fünf Angeschuldigten, teilweise Mitarbeiter der S-GmbH, im Übrigen Mitarbeiter der H-GmbH und weiterer Unternehmen der Abfallwirtschaft, hat die Staatsanwaltschaft Stendal zur Last gelegt, durch unterschiedliche Handlungen dem Geschäftsführer und dem geschäftsführenden Mitgesellschafter der S-GmbH Hilfe geleistet zu haben. Einem der fünf weiteren Angeschuldigten hat die Anklage zusätzlich vorgeworfen, im Mai 2009 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages von Sachsen-Anhalt in Magdeburg vorsätzlich wahrheitswidrig ausgesagt zu haben. So habe er bekundet, dass seines Wissens ausschließlich Baustellenabfälle über die von der H-GmbH betriebene Sortieranlage für Baustellenmischabfälle gegangen seien. Tatsächlich sei ihm bekannt gewesen, dass der Input der Sortieranlage zwischen Januar 2006 und März 2008 zu überwiegendem Anteil aus sonstigen Abfällen bestanden hatte. Durch Beschluss vom 27. März 2015 hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Stendal die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der angeklagten Umweltstraftaten abgelehnt, weil die Angeschuldigten nicht hinreichend verdächtig seien, die ihnen vorgeworfenen Taten begangen oder dazu Beihilfe geleistet zu haben. Der Sonderbetriebsplangenehmigung des LAGB aus dem Jahre 2004 sei weder dem Wortlaut nach noch im Wege der Auslegung zu entnehmen, dass die zur Verfüllung des Tontagebaus zu verwendenden Materialien einen bestimmten Anteil an nichtmineralischen Fremdstoffen und organischen Bestandteilen nicht übersteigen dürfe. Deshalb bestehe kein hinreichender Verdacht, dass das im Tontagebau verfüllte Material der Genehmigung widerspreche. Hinsichtlich des verbleibenden gegen einen der Angeschuldigten gerichteten Vorwurfs der falschen uneidlichen Aussage hat sich das Landgericht für örtlich unzuständig erklärt. Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Stendal sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt. Das Rechtsmittel war in vollem Umfang erfolgreich. Es führte zur Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich sämtlicher Anklagepunkte vor einer anderen großen Strafkammer des Landgerichts Stendal. Zu den Gründen der Entscheidung des Senates: Der Senat hat die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens für erfüllt gehalten, weil die Angeschuldigten nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der angeklagten Taten hinreichend verdächtig erschienen. Es bestehe der hinreichende Verdacht, dass es sich bei dem eingebrachten Material um Abfall handele, das unbefugt verfüllt worden sei. Allerdings sei der S-GmbH auf Grundlage der Sonderbetriebsplangenehmigung aus dem Jahre 2004 die dauerhafte Ablagerung von bestimmten Abfällen im betroffenen Teilfeld des Tontagebaus gestattet gewesen. Es bestehe jedoch der hinreichende Verdacht, dass die Grenzen dieser Genehmigung überschritten worden seien. Dem Wortlaut der Genehmigung sei zu entnehmen, dass das zur Verfüllung erlaubte Material näher bezeichnete chemische Eigenschaften nicht aufweisen dürfe. Soweit die zur Verfüllung zugelassene Substanz Abfall zu der AVV-Schlüsselnummer 191212 enthalten dürfe, sei die Erlaubnis auf Material aus der Vorabsiebung von Baustellenabfällen beschränkt. Diese Vorgaben erfülle das in den Tontagebau verbrachte Material nicht, weil die Beprobung unzulässige Konzentrationen chemischer Substanzen ergeben habe und der Verdacht bestehe, dass das verfüllte Material zu erheblichen Anteilen aus zerkleinerten Siedlungsabfällen stamme. Darüber hinaus ergebe die Auslegung, dass die bereits ihrem Wortlaut nach im Wesentlichen auf mineralische Stoffe beschränkte Genehmigung die Einbringung von Haus- und Gewerbeabfällen mit erheblichem organischem Anteil nicht gestatte. Die Genehmigung sei nicht auf den Betrieb einer Abfallbeseitigungsanlage gerichtet gewesen. Es bestehe der hinreichende Verdacht, dass zwei der Angeschuldigten die Grenzen dieser Genehmigung durch die Beseitigung von nicht erfassten Abfällen in dem Tontagebau vorsätzlich überschritten und die übrigen Angeschuldigten ihnen dabei Hilfe geleistet hätten. Rechtlicher Hinweis: Das Oberlandesgericht hat allein die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen bewertet und über die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens entschieden. Dessen Ausgang ist offen. In einem Strafverfahren gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung. Die Vermutung der Unschuld endet nur dann, wenn das Verfahren mit einer Verurteilung endet und diese rechtskräftig wird.gez. Henning Haberland Pressesprecher
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