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Magdeburg, den 19.06.2017

Rede Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration SPERRFRIST: 20. Juni 2017, 14:50 Uhr ? Redebeginn Landtagssitzung vom 20. bis 22. Juni 2017 TOP 2 zur LT- Drs. 7/1435 ?Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes" der Fraktion DIE LINKE vom 30. Mai 2017 ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung und dem gleichen Zugang zu Bildung für alle Kinder von Anfang an sind bei uns in Sachsen-Anhalt gute und im Vergleich zu anderen Bundesländern exzellente Grundlagen geschaffen, um Bildungsgerechtigkeit zu fördern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Wir haben ein flächendeckendes, gut ausgebautes Netz an Kindertagesstätten. Das wollen und werden wir erhalten, das ist nicht umsonst in der Koalitionsvereinbarung explizit festgelegt. Der Zugang zu frühkindlicher Bildung stellt entscheidende Weichen für den Bildungserfolg von Kindern dar. Wir haben die Landespauschalen im vergangenen Jahr angepasst, damit Erzieherinnen und Erzieher für ihre anspruchsvolle und wichtige Arbeit angemessen entlohnt werden. Und wir werden das Kinderförderungsgesetz bis Jahresende novellieren ? auf Grundlage der Evaluierung, unter Berücksichtigung aktueller Gutachten auch vom Landesrechnungshof. Am Ende wird eine transparente, nachvollziehbare und umfassende Finanzierungssystematik stehen, und wir streben eine Verbesserung der tatsächlichen Fachkraft-Kind-Relation in den Einrichtungen vor Ort an. All das steht im Koalitionsvertrag. Die Fraktion DIE LINKE fordert gute Startchancen für alle Kinder unabhängig von Status und Herkunft der Eltern. Da kann ich nur sagen: Das wollen wir auch. Das wollen wir alle. Und das lösen wir schon heute umfänglich ein. Anrede, ich lasse mir unsere Kinderbetreuung nicht schlecht reden. Wir haben eine gute Kinderbetreuung, eine Kinderbetreuung, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weit besser möglich macht, als in vielen anderen Bundesländern. Wir haben sehr lange Öffnungszeiten, wir haben sehr gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Und wir haben uns mit allen Ministerinnen und Ministern der Länder in Quedlinburg darauf verständigt, dass die Qualität in der Frühkindlichen Bildung bundesweit noch weiter verbessert werden muss. Der Bund wird sich hierfür auch finanziell engagieren. Was wir brauchen, sind neue, transparente Finanzierungsregelungen. Das ist der Hintergrund, vor dem die Novelle des Kinderfördergesetzes ansteht. Dazu haben wir eine Schrittfolge vereinbart. Die Schrittfolge heißt: evaluieren, auswerten, Schlüsse ziehen. Denn bevor wir einen Gesetzentwurf vorlegen, wollen wir wissen: wo wird welches Geld veranschlagt? Nur dann können wir klären: Wie können wir es besser, transparenter, einsetzen. Wir sind mitten in diesem Prozess, wir warten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und auf die Ergebnisse der Untersuchung des Landesrechnungshofs. In dieser Situation legt die LINKE ihren Entwurf vor. Und sie versucht ganz offensichtlich, den Eindruck zu erwecken, man könne Eltern und Erzieher rundheraus glücklich machen, wenn man nur bereit ist, genug Geld in die Hand zu nehmen  Anrede, das ist unredlich. Anrede, es gibt Handlungsbedarf. Das ist unbenommen. Aber es gibt keine Situation, in der ? wie die Linken behaupten ? die Elternbeiträge landauf landab in ?enorme Höhen? steigen. Wir haben uns natürlich alle Kita-Beitragssatzungen der Gemeinden, Verbandsgemeinden und kreisfreien Städte angeschaut. Was man da sieht? Man sieht, dass in deutlich mehr als der Hälfte der Kitas für eine 10-stündige Krippenbetreuung weniger als 200 Euro Elternbeitrag zu bezahlen sind. Bei 8-stündiger Krippenbetreuung liegen sogar mehr als 80 % aller Satzungen unter der Grenze der Höhe des Kindergeldes. Da galoppieren keine Elternbeiträge! Ganz offenbar legen sich vielmehr die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sehr ins Zeug, um moderate Elternbeiträge halten zu können, und es sind wenige Gemeinden, in denen die Kosten deutlich gestiegen sind. Gleichwohl bestimmen diese Fälle die öffentliche Wahrnehmung. Man muss in diesem Zusammenhang auch fragen dürfen, woran das im Einzelfall liegt. Anrede, Die LINKEN versprechen Beitragsfreiheit. Ich sage: Ohne den Bund werden wir das nicht schaffen. Wir können nicht aus dem Vollen schöpfen. Nicht beim Geld, und auch nicht beim Personal. Und damit bin ich beim nächsten Punkt. Es gibt keine Situation, in der tausende Erzieherinnen und Erzieher vor der Tür stünden, um die Quoten zu erfüllen, die Die Linken ansetzen. Wir bräuchten in fünf Jahren 3.000 Erzieherinnen und Erzieher mehr, um die durch diesen Gesetzentwurf neu entstehenden Bedarfe zu decken. Fünf Jahre ? das ist die Zeit, die die Ausbildung einer Erzieherin dauert. Jede einzelne, jeder einzelne müsste seine Ausbildung jetzt im Sommer beginnen. So viel zur Realisierbarkeit. Dazu kommt, dass wir auch bei den bestehenden Fachkraft-Kind-Relationen Tausende neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im System brauchen werden, weil viele Erzieherinnen kurz vor der Rente stehen. Fast jede zweite ist 50 Jahre und älter, das hat uns die Evaluierung gerade noch einmal deutlich aufgezeigt. Anrede, die Fraktion Die LINKE wirbt mit dem Satz ?Qualität rauf, Elternbeiträge raus?. Sie verspricht Vereinfachung der Finanzierungsströme und transparente Finanzierung. Einlösen tut sie das nicht. Vielmehr gehen hier Anteile hoch, dort runter. Das bringt keine Vereinfachung von Verwaltungsvorgängen. Das bringt enormen Mehraufwand. Lassen Sie mich einige Punkte noch einmal herausgreifen, um deutlich zu machen, was ich meine.  Erstens: Die Finanzierung soll umgestellt werden. Das Land soll sich an den Personalkosten der Erzieherinnen beteiligen, mit steigenden Quoten. Das ist keine neue Idee. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wirbt seit Jahren für diesen Weg, wir haben das schon bei der letzten Novelle debattiert (ich schaue hier mal Thomas Lippmann ganz direkt an ?). Und ich selbst habe durchaus Sympathien für diesen Ansatz. Aber mit Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf kann ich leider doch nur sagen: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Wenn Sie eine weitere Fokussierung auf die Personalkosten wollen, braucht das Zeit. Zweitens: Der Entwurf will Eltern entlasten, und er will die Arbeitssituation von Erzieherinnen und insbesondere auch von Leitungskräften verbessern. Würde das so umgesetzt, würden nicht nur dreistellige Millionenbeträge in den kommenden Jahren extra aus der Landeskasse ins System fließen müssen und das Finanzierungssystem würde geradezu undurchschaubar. Auch wir denken darüber nach, ob eine stärkere Fokussierung auf die Personalkosten sinnvoll wäre. Aber wir werden in Ruhe prüfen, wir werden die Evaluierung auswerten und hoffentlich bald zusätzlich die Ergebnisse der Untersuchungen des Landesrechnungshofs auf dem Tisch haben, die ja für den Sommer angekündigt sind. Und dann werden wir Ihnen am Ende ein transparentes, ausgewogenes System vorschlagen. Drittens: Die LINKEN setzen auf eine Bündelung der Zuständigkeiten beim Landkreis. Aber das Ganze müsste dann auch richtig eingebettet sein. Wir müssen die Verantwortlichkeiten sorgsam austarieren. Genau zu diesem Punkt ist ja das Bundesverfassungsgericht angerufen worden. Sorgsam austarieren heißt auch, die Interessenlagen von Gemeinden, Landkreisen und Eltern angemessen zu berücksichtigen und soweit als möglich auf bewährte Strukturen zu setzen. Nicht überall wird dies möglich sein. Dennoch: unser Anspruch muss sein, das System Kinderbetreuung in Ruhe arbeiten zu lassen und diejenigen, die auch finanziell dazu beitragen, stärker einzubinden. Anrede, der Gesetzentwurf DER LINKEN kappt zwei von vier Säulen der bisherigen Kita-Finanzierung. Die Gemeinden sind weitestgehend raus, die Eltern sollen in fünf Schritten entlastet werden, bei komplexen Rechenoperationen im Hintergrund. Daneben verstecken sich im Entwurf weitere, neue Kostenpositionen ? neben der jährlich anwachsenden Einführung von Vor- und Nachbereitungszeiten für Erzieherinnen in den kommenden 5 Jahren, die Kompensation des Personalausfalls in steigenden Raten und der Anrechnung von Leistungsstunden, über die ja bereits seit langem gesprochen wird, sind das z.B. die Kostenbeteiligung des Landes an den Fortbildungen der Fachkräfte, oder die Betreuung von Praktikantinnen und Praktikanten mit je 2,5 Std. / Woche anrechenbare Anleitungsstunden. Aber das nur am Rande. Dies alles zusammen ist kaum transparent und enthält sehr viele unkalkulierbare Risiken. Die Fraktion DIE LINKE will alle diese Neuerungen zum 1. Januar. Noch einmal: Das ist ? abgesehen von fehlender Finanzierbarkeit und vielen weiteren offenen Fragen ? wohl kaum realistisch. Anrede, der Gesetzentwurf der Landesregierung, dessen Bausteine wir intensiv mit allen Beteiligten diskutieren, wird hier einen ausgewogeneren Weg gehen. Wir werden ihn im zweiten Halbjahr vorlegen. Vielen Dank!  

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