Abschlussrede des Präsidenten des Bundesrates Prof. Dr. Wolfgang Böhmer in der Bundesratssitzung vom 17. Oktober 2003
Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 501/03 Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 501/03 Magdeburg, den 17. Oktober 2003 Abschlussrede des Präsidenten des Bundesrates Prof. Dr. Wolfgang Böhmer in der Bundesratssitzung vom 17. Oktober 2003 Es gilt das gesprochene Wort! Anrede, es ist eine gewachsene Gepflogenheit in diesem Hause, dass der scheidende Präsident einen kurzen Rückblick auf das ablaufende Geschäftsjahr gibt. Ein Schwerpunkt meiner Antrittsrede vor einem Jahr war die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland. Es ist uns gemeinsam gelungen, dieses wichtige Reformvorhaben auf den Weg zu bringen. Über die Einsetzung der Föderalismuskommission hat gestern der Bundestag entschieden, heute wird der Bundesrat darüber abstimmen. Nachdem ich gestern im Bundestag die Möglichkeit hatte darüber zu sprechen, wird der Präsident des Deutschen Bundestages, Herr Thierse, auf meine Einladung hin, die Gelegenheit nutzen, heute in diesem Haus zu Ihnen zu sprechen. Anrede, Zu einem Rückblick gehören in Anbetracht der öffentlichen Diskussion unvermeidlich auch einige wenige statistische Daten. Der Bundesrat hat im abgelaufenen Geschäftsjahr (bis einschließlich der Sitzung am 26.09.2003) 59 Gesetzesbeschlüsse des Bundestages behandelt. Davon haben 42 (= 71 %) den Bundesrat im 2. Durchgang passiert mit Zustimmung bzw. Nichtanrufung des Vermittlungsausschusses. Weitere 9 Gesetzesbeschlüsse (= 15 %) haben den Bundesrat nach abgeschlossenem Vermittlungsverfahren mit einvernehmlichem Ergebnis passiert. Nur zu 3 Gesetzesbeschlüssen (= 5 %) hat der Bundesrat die Zustimmung im 2. Durchgang versagt; davon ist ein Gesetz nicht verkündet worden. Zu 5 Gesetzesbeschlüssen (= 8 %) hat der Bundesrat auch nach abgeschlossenem Vermittlungsverfahren ein negatives Votum abgegeben: Diese 5 Gesetze sind dennoch im Ergebnis verkündet worden. Diese Zahlen belegen, dass der Bundesrat seine Funktion im föderalen System Deutschlands mit viel Problembewusstsein und eigener Verantwortung erfüllt hat. Sie zeigen, dass sich der Bundesrat mit der Arbeit der Bundesregierung und des Bundestages konstruktiv-kritisch und vor allem ohne sog. ¿Blockadementalität¿ auseinandergesetzt hat. Der Bundesrat hat seinerseits im gleichen Zeitraum dem Bundestag und der Bundesregierung 48 Gesetzentwürfe zugeleitet. Über deren Schicksal kann noch nicht abschließend berichtet werden. Anrede, Der Bundesrat hat sich im ablaufenden Geschäftsjahr mit einer Reihe von politisch bedeutsamen Vorlagen befasst, die die künftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung Deutschlands prägen werden. Es wurden u. a. Gesetze zur Reform des Arbeitsmarktes beraten und Hinweise zu deren Verbesserung gegeben. Gestatten Sie mir, nur einige dieser politisch bedeutsamen Themen besonders hervorzuheben. Einstimmig zugestimmt hat der Bundesrat am 11. Juli 2003 dem Gesetz zum Vertrag über den Beitritt von 10 weiteren europäischen Ländern zur Europäischen Union. Das Gesetz dient der Ratifizierung des Beitrittsvertrages, der am 16. April 2003 von den Staats- und Regierungschefs in Athen unterzeichnet wurde. Gleichzeitig mit dem EU-Beitrittsvertragsgesetz hat der Bundesrat dem Gesetz zu den Protokollen vom 26. März 2003 zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt weiterer Staaten zugestimmt. Damit sind die Voraussetzungen für die Annahme der Protokolle zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der betreffenden Staaten geschaffen worden. Der Bundesrat hat mit seinen Entscheidungen dazu beigetragen, den Weg für ein neues, erweitertes Europa freizumachen. Deutschland leistet dafür einen wesentlichen Beitrag. Ohne das deutsche Engagement - und dazu gehört auch die deutsche Bereitschaft, 22 Prozent der insgesamt 41 Milliarden ¿ zu übernehmen, die die europäische Erweiterung von 2004 bis 2006 insgesamt kosten wird - wäre diese Entwicklung wohl nicht in dieser Weise möglich gewesen. Wir tragen dies vollinhaltlich mit. Das sage ich zugleich als Ministerpräsident eines ostdeutschen Landes, das gemeinsam mit anderen europäischen Regionen noch dafür streiten muss, im Rahmen der EU-Erweiterung seinen Förderstatus analog der Ziel-1-Regionen zu behalten, solange dies dringend erforderlich ist. Ein weiteres politisch bedeutsames Thema, auf das ich besonders eingehen möchte, ist das der Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme. Der Bundesrat hat die Gesundheitsreformpläne der Bundesregierung begleitet und ist selbst in konstruktiver Weise aktiv geworden. Darüber wird heut noch zu entscheiden sein. Darüber hinaus hat der Bundesrat im September 2003 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der eine Rechtsgrundlage für die Vereinigung von Rentenversicherungsträgern schaffen soll. Das Sozialgesetzbuch sieht eine entsprechende Vorschrift bisher nur für Kranken- und Unfallversicherungsträger vor. Dieser Entwurf des Bundesrates geht zurück auf Bitten der Selbstverwaltungen der Landesversicherungsanstalten Berlin und Brandenburg, die beabsichtigen, sich zur Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit freiwillig zu einem gemeinsamen Versicherungsträger zu vereinigen. Wir entsprechen damit auch den Interessen von Rentenversicherungsträgern in anderen Ländern, die ebenfalls fusionieren wollen. Anrede, Die Arbeit des Bundesrates hat sich in den letzten Jahren sichtbar verändert. Neben unseren legislativen Aufgaben hat besonders im Kontext der Erweiterung der Europäischen Union der Bereich der Internationalen Beziehungen in der Arbeit des Bundesrates an Bedeutung gewonnen. Höhepunkte waren sicherlich die Teilnahme an den Feiern anlässlich der 40-jährigen Unterzeichnung des Elysée-Vertrages beim französischen Senat und die Tagungen der Vereinigung der Senate Europas in Madrid und Prag. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der Bundesrat international an Ansehen gewonnen hat und dass unsere föderale Ordnung im Ausland zunehmend große Aufmerksamkeit findet. Nach einer vor kurzem veröffentlichten Studie der Interparlamentarischen Union gibt es weltweit mittlerweile ca. 100 interparlamentarische Gremien, die regelmäßig zu Konferenzen oder Anhörungen einladen. Das Interesse ausländischer Parlamentariergruppe an einem Besuch im Bundesrat ist inzwischen so groß geworden, dass nicht mehr allen Wünschen entsprochen werden konnte. In den Gesprächen mit unseren Partnern aus den östlichen Nachbarländern wurde immer wieder nach unseren Erfahrungen bei dem wirtschaftlichen Transformationsprozess in den neuen Ländern innerhalb einer föderalen Staatsordnung gefragt. Der Bundesrat ist in zahlreichen europäischen Gremien vertreten. Er war beteiligt am EU-Konvent, an den Fachministerräten Bildung, Kultur, audiovisuelle Medien, Forschung und Inneres. Auch für die anstehende Regierungskonferenz wird er zwei Vertreter benennen. Der Bundesrat ist außerdem in einer Vielzahl interparlamentarischer Gremien vertreten. Dazu gehören z. B. die Konferenzen der Präsidenten der Parlamente der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. des Europarates, die Vereinigung der Senate Europas, die Parlamentarische Versammlung der NATO sowie die Konferenz der Europaausschüsse der EU-Mitgliedstaaten (COSAC). Die Bedeutung des Bundesrates auf internationaler Ebene hat zugenommen. Damit sind auch die Erwartungen an eine effiziente Mitarbeit in interparlamentarischen oder europäischen Gremien gestiegen. Es stellt sich daher für mich die Frage, wie der Bundesrat als Institution diesen für ihn z. T. neuen Herausforderungen begegnen kann. Der Bundesrat muss auf diese Entwicklung reagieren. Wir müssen darüber nachdenken, welche finanzielle und personelle Ausstattung des Bundesrates den Aufgaben angemessen ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass er in Zukunft seinen zunehmenden Verpflichtungen auf internationaler bzw. europäischer Ebene nachkommen und die ihm zuwachsenden Aufgaben sachgerecht erfüllen kann. Zum Vergleich darf ich darauf hinweisen, dass der Haushalt des Bundesrates in 2003 sich auf 17,0 Mio. ¿ belief und nach gegenwärtigem Beratungsstand für 2004 ein Betrag von 17,8 Mio. ¿ vorgesehen ist. Demgegenüber beläuft sich der Haushalt des Französischen Senats auf rund 270 Mio. ¿ (2003) und der des Spanischen Senats erhält rund 44 Mio. ¿ (2004). Nicht nur diese beiden Zweiten Kammern haben ihre Arbeitsbereiche für die internationale Zusammenarbeit deutlich ausgebaut. Anrede, zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen allen für die gute und faire Zusammenarbeit bedanken. Mein besonderer Dank gilt dem Direktor des Bundesrats und allen seinen Mitarbeitern, die mich unterstützt haben. Schließlich darf ich meinem Nachfolger im Amt für die Fortsetzung der Arbeit alles Gute wünschen. Ihnen allen danke ich für die gute Zusammenarbeit. Impressum: Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt Pressestelle Domplatz 4 39104 Magdeburg Tel: (0391) 567-6666 Fax: (0391) 567-6667 Mail: staatskanzlei@stk.sachsen-anhalt.de
Impressum:
Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt
Pressestelle
Hegelstraße 42
39104 Magdeburg
Tel: (0391) 567-6666
Fax: (0391) 567-6667
Mail: staatskanzlei@stk.sachsen-anhalt.de