?Sachsen-Anhalts Chancen im erweiterten und neu verfassten Europa?
Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 181/04 Staatskanzlei - Pressemitteilung Nr.: 181/04 Magdeburg, den 7. Mai 2004 ¿Sachsen-Anhalts Chancen im erweiterten und neu verfassten Europa¿ Regierungserklärung von Herrn Staatsminister Rainer Robra in der 40. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt am 07. Mai 2004 Herr Präsident, meine Damen und Herren, der 1. Mai 2004 ist aus europäischer Sicht ohne jeden Zweifel ein historisches Datum. Mit dem Beitritt von zehn Staaten wurde die bislang größte Erweiterung der Europäischen Union vollendet. Es trifft sich gut, dass das Beitrittsdatum mit der Europawoche zusammenfällt, die wir seit 10 Jahren gemeinsam mit allen deutschen Ländern in der ersten Maidekade begehen. Verschiedenste Veranstalter machen in diesen Tagen in über 100 Veranstaltungen in Sachsen-Anhalt und über 1000 Veranstaltungen in der gesamten Bundesrepublik auf die vielfältigen europäischen Bezüge unseres täglichen Lebens und unserer Politik aufmerksam. Die Vielzahl der europäischen Aktivitäten unseres Landes und der neue historische Entwicklungsabschnitt, an dem die EU mit der Erweiterung steht, veranlassen mich, heute zur Europapolitik der Landesregierung das Wort zu ergreifen und damit auch Gelegenheit zu geben, europapolitische Themen in diesem Parlament einmal an hervorgehobener Stelle zu diskutieren. Artikel 1 der Landesverfassung weist Sachsen-Anhalt als Teil der europäischen Völkergemeinschaft aus. Die aktive Teilnahme des Landes am europäischen Integrationsprozess ist somit Auftrag und Aufgabe zugleich. Dem stellt sich die Landesregierung in vielfältiger Weise. Lassen Sie mich mit dem aktuellsten Thema beginnen: der Erweiterung der Europäischen Union. 1. Die Erweiterung der Europäischen Union Vor wenigen Tagen wurden Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern feierlich in die EU aufgenommen. Nunmehr leben in der Gemeinschaft rund 450 Mio. Menschen, die gleiche Werte teilen und in großer Übereinstimmung gemeinsame Ziele verfolgen. Mit der Erweiterung der Europäischen Union werden Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in Europa dauerhaft gefestigt. Die Erweiterung stärkt als unsere Antwort auf die Globalisierung das Gewicht der EU in der Welt. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilität unseres Kontinents. Die Teilung Europas durch den Kalten Krieg ist damit endgültig überwunden. Um eine Formulierung von Milan Kundera aufzugreifen: Der gekidnappte Teil Europas ist heimgekehrt. Das große Versöhnungswerk, das uns nach den Schrecken des 2. Weltkrieges auferlegt war, ist gelungen. Auch vor diesem Hintergrund hat Sachsen-Anhalt die Erweiterung der EU stets mit Sympathie und Unterstützung begleitet. Die Zustimmung zur Erweiterung, die wir mit unserem ¿Ja¿ im Bundesrat zum Beitrittsvertrag am 11. Juli 2003 dokumentiert haben, ist auch als Akt der Solidarität mit den Beitrittsländern zu verstehen. Der mutigen Politik Ungarns, Polens und der damaligen Tschechoslowakei 1989 haben wir die deutsche Einheit ganz wesentlich mit zu verdanken. Die Weiterentwicklung der Vereinigung Europas nach Osten ist mehr als die Bündelung von Kräften im internationalen Standortwettbewerb. Worum es wirklich geht, hat Richard Schröder vor wenigen Tagen auf den Punkt gebracht: Einigkeit und Recht und Freiheit für einen ganzen Kontinent, nicht mehr und nicht weniger. Beziehungen Sachsen-Anhalts zu den Beitrittsländern Sachsen-Anhalt ist in vielfältiger Weise freundschaftlich mit den neuen EU-Mitgliedern und den Beitrittskandidaten Bulgarien und Rumänien verbunden. Traditionelle Beziehungen auf allen Ebenen und in allen Bereichen bilden ein gutes Fundament für nachhaltige Kontakte in der Zukunft. Es würde den Rahmen dieser Regierungserklärung sprengen, wollte ich beginnen, all die Kontakte, die es zwischen Sachsen-Anhalt und den Beitrittsländern gibt, aufzuzählen. Städtepartnerschaften, Schulpartnerschaften, Hochschulkontakte, Wirtschaftsbeziehungen, kulturelle Aktivitäten oder politische Kontakte - es ergäbe sich eine ansehnliche Liste und Tausende unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger beteiligen sich daran. Sie verdienen unser aller herzlichen Dank. Der Landesregierung kommt es darauf an, das Potential dieser Kontakte verstärkt auch für die Lösung unserer eigenen drängendsten Probleme zu nutzen. Damit meine ich - die Vertiefung der Außenhandelsverflechtung und der gezielten wirtschaftlichen Kooperation, die die Position unserer Unternehmen in Sachsen-Anhalt stärkt, statt in Länder mit niedrigeren Löhnen, Steuern und sozialen Standards abzuwandern; - für den Wirtschafts-, Wissenschafts- und Innovationsstandort Sachsen-Anhalt zu werben und - gezielt den Erfahrungsaustausch mit den mittel- und osteuropäischen Ländern zu intensivieren, um das von uns seit der Wende erworbene Know how ¿ auch und gerade in EU-Fragen ¿ unseren Partnern anzubieten und gemeinsam nach Lösungen für gleichgelagerte Probleme zu suchen. Unterstützung der Beitrittsländer auf dem Weg in die EU Sachsen-Anhalt konnte seit 1990 umfangreiche, bisweilen auch schmerzliche Erfahrungen im Umstrukturierungsprozess und bei der Anwendung von EU-Recht sammeln. Ich nenne nur die Bereiche Unternehmensprivatisierung, KMU-Förderung, Innovationsförderung, Einsatz der Strukturpolitik, Infrastrukturentwicklung, Abwasserkläranlagen etc. Nach diesem an Freud und Leid reichen Weg verfügt das Land heute über ein wichtiges Know-how, das wesentlicher Teil unserer Angebotspalette gegenüber den Ländern Mittel- und Osteuropas ist. Im Hinblick auf die Erweiterungsperspektiven und die damit verbundene Stabilisierung dieser Märkte sowie die Erhöhung der zahlungsfähigen Nachfrage aus diesen Ländern nutzte und nutzt die Landesregierung die eigenen Transformationserfahrungen, um den Beitrittsländern und -kandidaten bei der Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft zu helfen und zugleich die bilateralen, nicht zuletzt auch wirtschaftlich nutzbaren Kontakte zu vertiefen. Beispielhaft nenne ich in diesem Zusammenhang: · die Entwicklung bi- und multilateraler Partnerschaften zu verschiedenen Ländern oder Regionen in Mittel- und Osteuropa (z. B. Plovdiv [Bulgarien], Landwirtschafts- bzw. Wirtschaftskooperationen mit Litauen, Ungarn, der Slowakischen Republik und den Aufbau eines ¿Netzwerkes von Chemieregionen¿ unter Einbeziehung von Partnern in Polen und der Tschechischen Republik), · die Entwicklung von Regionalen Innovationsstrategien in der Tschechischen Republik und Ungarn, · das Kontaktbüro des Landes in Tallinn (Estland), · die Begegnungsstätte in Plovdiv (Bulgarien), · die Expertenentsendung im Rahmen sog. Twinning-Projekte der EU zum Verwaltungsaufbau in den baltischen Staaten, in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und Slowenien, · Konferenzen für zentral- und osteuropäische Kreditmanager, · Hospitationen von Richtern und Staatsanwälten aus den Staaten Mittel- und Osteuropas in Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt leistet mit diesen und einer Reihe anderer Maßnahmen seinen Beitrag, um den Aufbau einer modernen und effektiven Verwaltung in den Beitrittsländern zu unterstützen, so dass diese in der Lage sind, das EU-Recht auch korrekt umzusetzen und in der Praxis anzuwenden. Auswirkungen der Erweiterung auf Sachsen-Anhalt Die bislang größte Erweiterung in der Geschichte der Europäischen Union wird nicht ohne Auswirkungen auf die Gemeinschaft und ihre Mitglieder bleiben. Das trifft auch auf Sachsen-Anhalt zu. Die Landesregierung ist überzeugt, dass die Chancen der EU-Erweiterung gegenüber den mit ihr verbundenen Risiken bei weitem überwiegen. Diese Chancen müssen jedoch aktiv ergriffen werden. Da diese Fragen gerade auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert werden, gestatten Sie einige Ausführungen zu ausgewählten Problemkreisen: Bei der Diskussion der Auswirkungen der EU-Erweiterung auf unseren Arbeitsmarkt wird oft vergessen, dass sich für Deutschland und damit auch für Sachsen-Anhalt in absehbarer Zeit das Problem gar nicht stellt. Durch die im Beitrittsvertrag verankerte Übergangsfrist ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit für bis zu sieben Jahre eingeschränkt, um negative Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt zu verhindern. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass heute wesentlich mehr Deutsche in Polen tätig sind, als Polen (legal) in Deutschland. Im Lichte unserer Bevölkerungsprognosen, die Engpässe bei jungen, qualifizierten Arbeitskräften erwarten lassen, werden wir die Arbeitskräftefrage in sieben Jahren unter Umständen anders beurteilen als heute. Und wir dürfen auch nicht übersehen, dass bei einem Trendwachstum von 3 - 5 % pro Jahr die positiven Zukunftsaussichten in den neuen Mitgliedstaaten für die Menschen dort zuverlässiger als Migrationsbremse wirken, als jede Regulierung. Dies hat uns auch die Süderweiterung der EU in den Achtziger Jahren gelehrt, der wir zudem die Erkenntnis verdanken, dass selbst die Mobilität innerhalb der neuen Mitgliedstaaten eher gering ist, sodass wir Abwanderungstendenzen in den ¿reichen¿ Westen auch nicht überschätzen sollten. Wer als Unternehmer heute im Zentrum der Automobilindustrie in der Slowakei investiert, macht diese Erfah
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