25 Jahre Sachsen-Anhalt: Unser Land auf gutem Weg Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff am 16. Oktober 2015 im Landtag von Sachsen-Anhalt
Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE MicrosoftInternetExplorer4 Sperrfrist: Beginn der Rede! Es gilt das gesprochene Wort! Anrede In diesem Jahr feiern wir 25 Jahre deutsche Einheit. Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen sind längst Geschichte. Nur noch Fragmente erinnern heute an die Mauer. Mit der friedlichen Revolution 1989/90 haben sich Deutsche zum ersten Mal aus eigener Kraft selbst befreit und die nationale Einheit wieder herbeigeführt. Erst kam die Freiheit dann die Einheit. Die friedliche Revolution steht in der guten Tradition deutscher Freiheitsbewegungen: vom Hambacher Fest 1832 bis zum Juniaufstand 1953. Sie fand nicht gegen, sondern im Einverständnis mit ihren Nachbarn in Ost und West statt, und sie war gewaltlos. Bis heute prägt diese große Erfolgsgeschichte zu wenig unser Selbst- und Geschichtsbewusstsein. Anrede Ein viertel Jahrhundert deutsche Einheit legt auch den Blick frei auf die Entwicklung in Sachsen-Anhalt seit 1990. In diesem Zeitraum hat sich vieles grundlegend verändert. Die Bilanz fällt erfreulich aus. Sachsen-Anhalt hat seine zweite Chance glücklich genutzt. Lebensstandard und Wirtschaftsleistung in unserem Bundesland haben sich gut entwickelt. Wir haben unter schwierigsten Bedingungen viel erreicht. Das gilt vor allem mit Blick auf den wirtschaftlichen Transformationsprozess. Zu ihm gab es vor allem wegen des Zusammenbruchs des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe keine Alternative. Seine Umsetzung erwies sich aber als sehr schwierig, komplizierter jedenfalls als viele damals ahnten. Nach 1990 hat sich die Wirtschaftsstruktur im Osten Deutschlands nachhaltig verändert. Die neuen Länder standen vor einer wahren Herkulesaufgabe. Besonders herausfordernd war die Ausgangssituation in unserem Bundesland. Sachsen-Anhalt hatte aufgrund der riesigen Industriekombinate im Chemiedreieck Leuna, Halle und Bitterfeld sowie am Maschinenbaustandort Magdeburg unter allen neuen Bundesländern die schwierigsten Startbedingungen. Rund um Magdeburg und im Chemiedreieck gab es die größten Mono-Industriestrukturen in der DDR. Die strukturellen Probleme waren groß, und die Wandlung von einer ineffektiven Planwirtschaft zu einer wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft war eine ganz besondere Herausforderung. Enttäuschungen blieben nicht aus. Wir haben Schrumpfung und Wachstum in vielen Regionen und den Niedergang und Aufstieg von ganzen Industriezweigen erlebt. Aber wir haben auch gelernt, mit diesen Wandel umzugehen und ihn erfolgreich zu gestalten. Richtig ist aber auch: Während sich für die meisten Bürger der alten Bundesrepublik nach 1989 nichts oder nur wenig veränderte und grundsätzlich alles beim Alten blieb, kam es hier in den Biografien von vielen Bürgerinnen und Bürgern zu einschneidenden Veränderungen und Brüchen, vor allem durch den Verlust des Arbeitsplatzes. Das konnte nicht ohne Auswirkungen auf den Alltag und die Sozialbeziehungen bleiben. Der individuelle Arbeitsplatz hatte einen sehr großen Stellenwert. Die Arbeitsstelle war mehr als nur ein Ort produktiver Tätigkeit. Sie war vor allem eine vertraute Umgebung und ein Ort sozialer Gemeinschaft. Im Westen dagegen wurden Beruf und Privates strikt getrennt. Im Osten war der Einzelne fest eingebunden in sein Kollektiv. Das endete für viele Menschen abrupt. Ende 1993 waren nur noch 29% der im November 1989 Erwerbstätigen ununterbrochen im selben Betrieb tätig. Mehr als die Hälfte hatte, oft mehrfach, an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilgenommen. Viele Menschen mussten sich neu orientieren und taten sich oft schwer. Manches wirkt sogar bis heute nach. Das weiß ich auch aus meinen Bürgersprechstunden und aus vielen persönlichen Begegnungen. Manchen gelang der Neustart sehr gut, andere hatten ihre Schwierigkeiten und manche scheiterten auch. Vor diesen Menschen habe ich höchsten Respekt, weil ich weiß, wie deren Situation war. Ich selbst habe die schwierigen Anfangsjahre in meinen damaligen Funktionen ? erst als stellvertretender Landrat und dann als Arbeitsamtsdirektor in Wittenberg ? erlebt und weiß sehr genau, was es bedeutet, sich solchen Herausforderungen zu stellen. Später habe ich als Wirtschaftsminister mit dem Modell ?Bürgerarbeit? versucht, die sozialen Folgen abzufedern. Der Aufbau Ost war jedenfalls kein schlichter Nachbau West. Oft musste kurzfristig auf Entwicklungen reagiert werden, deren mittel- und langfristige Auswirkungen kaum abschätzbar waren. Vieles war nicht planbar. Anrede Trotz aller Probleme gelang aber der Sprung von Marx zum Markt. Einige Beispiele möchte ich nennen: In den letzten 25 Jahren wurden die Verkehrswege unseres Bundeslandes auf die veränderten Mobilitätsbedürfnisse des Personenverkehrs und auf die Transportbedürfnisse einer modernisierten, international vernetzten Wirtschaft umgestellt. Mehrere tausend Kilometer Schienen, Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen wurden nach 1990 neu oder grundlegend ausgebaut. Hinzu kommen natürliche Wasserstraßen wie die Elbe oder der Mittellandkanal mit dem Wasserstraßenkreuz Magdeburg. Das Flughafenkreuz Leipzig-Halle entwickelt sich immer mehr zu einem Drehkreuz im internationalen Luftfrachtverkehr. Heute bieten unsere modernen Verkehrsinfrastrukturen für Unternehmen optimale Bedingungen. Sukzessive wurden die Kombinatsstrukturen im Maschinen- und Anlagenbau sowie der Chemieindustrie aufgelöst. Die Folgen des damit verbundenen Deindustrialisierungsprozesses und enormen Modernisierungsdrucks konnten nach anfänglichen Schwierigkeiten überwunden werden. Heute prägen nicht mehr ineffiziente Staatsunternehmen das Bild. An ihre Stelle sind moderne und wettbewerbsfähige Firmen getreten. Sie haben den Wandel erfolgreich bewältigt, Nischen gefunden und besetzt oder sind sogar als ?hidden champions? führend in ihrem Marktsegment. Solche Erfolgsgeschichten sind keine Seltenheit. Viele Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren für eine Ansiedlung in Sachsen-Anhalt oder den Ausbau ihres Standortes entschieden, und besonders viele von ihnen sind aus dem Ausland zu uns gekommen. Anrede Das Bruttoinlandsprodukt von Sachsen-Anhalt hat sich zwischen 1991 und 2013 von 20,2 Milliarden Euro auf 53,0 Milliarden Euro und damit verzweieinhalbfacht. Auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich deutlich entspannt, was mich sehr freut. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich zwischen 2005 und 2014 halbiert. Im Herbst 2014 lag die Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt erstmals unter 10%. Im September 2015 betrug sie 9,7% und lag damit erneut unterhalb von 10%. Sie dauerhaft unter diese Marke zu drücken bleibt ein wichtiges Ziel meiner Regierung. Ebenso erfreulich ist: Die Anzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter zwischen 2010 und 2014 ist trotz des Personalabbaus im öffentlichen Dienst durchschnittlich um 0,3% pro Jahr gewachsen. Damit verbunden ist eine sukzessive Angleichung der Arbeitsproduktivität an das westdeutsche Niveau. Allerdings ist dieser wirtschaftliche Aufholprozess noch nicht abgeschlossen. Zweifellos hat sich unsere Wirtschaft deutlich stabilisiert. Sie hat an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen ? auch dank solidarischer Hilfe aus den alten Bundesländern und großzügiger Hilfe der Europäischen Union. Diese erfolgreiche Investitions- und Innovationsförderung wollen wir als Landesregierung fortsetzen. Entscheidend ist vor allem eine Stärkung der Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen. Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft hat deshalb im November 2014 eine Mittelstandsoffensive ?i 3?; das ist der Dreiklang von Wachstum durch Innovationen, Investitionen und Internationalisierung gestartet. Die Regionale Innovationsstrategie Sachsen-Anhalt 2014 bis 2020 soll die Forschungs- und Entwicklungsleistungen aus Hochschulen und wirtschaftsnahen außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch wirksamer in den Dienst der Unternehmen stellen. Die Voraussetzungen sind sehr gut: Seit Anfang der 1990er-Jahre wurden eine Reihe von außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Sachsen-Anhalt angesiedelt: fünf Institute der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, drei Max-Planck-lnstitute, eine Max-Planck-Forschungsstelle und zwei Fraunhofer-Einrichtungen. Hinzu kommen Standorte von zwei Großforschungseinrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft und der Partnerstandort Magdeburg des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen. Anrede Darüber hinaus hat sich unser Bundesland zu einem attraktiven Hochschulstandort auch für Studentinnen und Studenten aus den westlichen Bundesländern und dem Ausland entwickelt. Zwei Universitäten, eine Kunsthochschule, vier Fachhochschulen inklusive eines Fachbereichs Verwaltungswissenschaften, zwei kirchliche Hochschulen und eine Fachhochschule Polizei sind in Sachsen-Anhalt ansässig. Im Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE-Ranking) 2015 belegen die Studiengänge Mathematik und Informatik der Otto-von-Guericke Universität Spitzenplätze, vor allem bei exzellenten Studienbedingungen. Und die Martin-Luther-Universität Halle hat zum dritten Mal eine Alexander von Humboldt-Professur, den ?Nobelpreis Deutschlands" eingeworben. Ich möchte auch an die Einweihung des neuen Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums vorgestern in Halle erinnern. Die Konzentration der bisher über die Stadt verstreuten Institute bringt für Studierende und Stadt erhebliche positive Veränderungen mit sich. Hier wird ein attraktives Umfeld geschaffen, das die Universität deutlich voranbringt. In der Bernburger Vereinbarung haben sich die Hochschulen und das Land 2013 zudem auf einen vernünftigen Finanzierungskurs geeinigt, den beide Seiten jetzt einhalten. Trotz unserer Erfolge stehen wir vor großen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen: Die Besetzung offener Stellen ist schwieriger geworden. Bereits heute klagen Unternehmen verschiedener Branchen in Sachsen-Anhalt punktuell über Probleme, geeignete Fachkräfte zu finden. So ist die Zahl der Schulabgänger in Sachsen-Anhalt seit langer Zeit rückläufig. Und die der Auszubildenden hat sich zwischen 1997 bis 2013 mehr als halbiert. Das heißt im Umkehrschluss: Mittlerweile kann jedem ausbildungswilligen und ?fähigen Jugendlichen in Sachsen-Anhalt ein betrieblicher Ausbildungsplatz zugesichert werden. Die Chancen, einen Ausbildungsplatz im Heimatbundesland zu bekommen, waren nie besser als heute. Anrede Das ist sehr erfreulich. Denn eine abgeschlossene Berufsausbildung ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Erwerb von Schlüsselkompetenzen, Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben. Zudem ist ein hohes Bildungsniveau eine wichtige Grundlage für eine stabile Demokratie. Die Demokratie ist aber auch komplex. Die Welt wächst zusammen und ist so nicht einfacher geworden. Deshalb ist eine gute Bildung wichtig. Denn sie schützt vor den Parolen der schrecklichen Vereinfacher, den Demagogen. Und für eine gute Bildung tun wir sehr viel in Sachsen-Anhalt: von der Sanierung und Modernisierung aller bestandsfähigen Schulen und Kindertagesstätten im Rahmen des Stark III-Programms über eine im Ländervergleich sehr gute Unterrichtsversorgung ? in den letzten Monaten wurden mehr als 500 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt ? bis hin zur Sprachförderung für Migrantinnen und Migranten an öffentlichen Schulen. Zudem lernen heute immer mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen. Die gemeinsame Beschulung ist eine von vielen Maßnahmen und Programmen zur Verwirklichung der Inklusion, die mir sehr am Herzen liegt. Beispielhaft möchte ich an das Behindertengleichstellungsgesetz und den Landesaktionsplan erinnern, mit denen aus einem Nebeneinander ein Miteinander wird. Anrede Unser Problem war bisher der Bevölkerungsrückgang. Aufgrund der Zuwanderung könnte sich das sehr grundsätzlich ändern. Positive Signale gab es auch schon in den vergangenen Jahren. 2013 war der Wanderungssaldo nahezu ausgeglichen. Und im Jahr 2014 zogen mehr Menschen nach Sachsen-Anhalt als fortgingen. Zwar konnte das Zuzugsplus das Geburtendefizit gegenüber den Sterbefällen nicht ausgleichen. Aber der Bevölkerungsrückgang verlangsamte sich deutlich. In diesem Kontext sind auch unsere Bemühungen um Rückkehrer zu sehen. Die Botschaft ist klar, und ich möchte sie auch von hier aus noch deutlicher unter das Volk bringen: Junge Familien sind in Sachsen-Anhalt herzlich willkommen. Dass auch im Jahr 2025 immer noch mehr als zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt leben, halte ich für sehr realistisch. Deshalb müssen wir eine vernünftig geordnete Zuwanderung als Chance begreifen und wahrnehmen. Eine aufrichtige Willkommenskultur zielt auf Offenheit gegenüber Migranten sowie auf Teilhabe und Inklusion ab. Was wir entschlossen bekämpfen, ist jede Form von Rassismus und Fremdenhass. Ich habe mich sehr frühzeitig für einen neuerlichen Antrag auf Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. Sachsen-Anhalt hat den am 3. Dezember 2013 vom Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Antrag auf Verbot der NPD und ihrer Unterorganisationen federführend initiiert und wirkt in der das Verfahren begleitenden Arbeitsgruppe mit. Rechtsextremistische und menschenverachtende Parolen haben in einer pluralen und offenen Gesellschaft keinen Platz. Und das sage ich hier mit allem Nachdruck: als Ministerpräsident und als Sachsen-Anhalter: Lasst uns in einer Gesellschaft ohne Unterdrückung und Diskriminierung leben. Lasst uns in einer Gesellschaft leben, in der man ohne Angst verschieden sein kann und in der es normal ist, verschieden zu sein. Anrede Einwanderer ? und dazu gehören auch bleiberechtigte Flüchtlinge und Asylbewerber - müssen sich wohl fühlen in unserem Land. Zuwanderer sollen aktive Bürger sein, zum Gemeinwohl beitragen und sich zu unserem Grundgesetz wie zu unseren Werten bekennen: zu den unveräußerlichen Menschenrechten, der Herrschaft des Rechts, der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität und der repräsentativen Demokratie. Unsere Rechts- und Verfassungsordnung ist unsere normative Grundlage. Alle Menschen, auch die bei uns Schutz und Zukunft suchen, müssen sich zu unserem Grundgesetz und den Grundlagen unseres Staates bekennen. Ich habe ein klares Amtsverständnis und verstehe mich als Ministerpräsident für alle Menschen in Sachsen-Anhalt. Anrede Niemand soll in der gegenwärtigen Situation alleingelassen werden. Die Sorgen der Menschen nehme ich sehr ernst. Und das heißt auch: Unsere Politik wird nur dann auf Dauer mitgetragen, wenn wir die Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land immer wieder motivieren, aber auch nicht überfordern. Die Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, stellen uns vor eine große Herausforderung. Wir werden unserer solidarischen Verpflichtung für die Erstaufnahme nach dem Königsteiner Schlüssel voll nachkommen. In der jetzigen Größenordnung werden wir jedoch diese nicht auf Dauer und erfolgreich integrieren können. Denn: Eine wirkliche Integration heißt nicht nur Erstunterbringung, sondern auch dauerhafter Wohnraum, heißt Erwerb von Sprachkompetenzen, schließt Kita-Betreuung, schulische Bildung, Berufsausbildung, Arbeit mit eingeschränkten Eingangsvoraussetzungen und vieles mehr ein. Es geht auch hier nicht um das Wünschenswerte, sondern um das Machbare. Gefordert ist neben Realitätssinn vor allem Phantasie und Mut, um neue Wege zu gehen, wie viele erfolgreiche Projekte im Land zeigen. Anrede Und deshalb sage ich den Landräten und Oberbürgermeistern unseres Landes auch von hier aus: Wir lassen Euch mit den Sorgen und Lasten nicht alleine. Wir werden mit Euch in dem neuen Umfeld, das sich nach Verabschiedung des Asyl-Reformgesetzes heute im Bundesrat einstellen wird, die Kostenstrukturen analysieren und die Kommunen von den Kosten der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern angemessen entlasten. Es wird in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft möglich sein, dass Kommunen freiwillige Aufgaben wahrnehmen können. Bei unseren Entscheidungen müssen wir die Menschen mitnehmen. Aus vielen persönlichen Gesprächen in allen Teilen unseres Landes weiß ich, wo der Schuh drückt. Deshalb habe ich entschieden: Ab sofort wird im Anschluss an die Kabinettssitzungen unter meiner Leitung ein Kabinettsausschuss tagen. Ihm gehören der Minister für Inneres und Sport, der Minister der Finanzen, der Minister für Arbeit und Soziales und der Chef der Staatskanzlei an. Nach Bedarf können weitere Kabinettsmitglieder, insbesondere der Kultusminister und der Minister für Landesentwicklung und Verkehr sowie Mitarbeiter an den Sitzungen teilnehmen. Anfallende Entscheidungen zu Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten sollen so noch schneller umgesetzt werden. Natürlich müssen sich auch unser Bundesland und die Gesellschaft auf die Zuwanderer einstellen und ihnen entgegenkommen. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Deshalb hat die von mir geführte Landesregierung in jüngster Zeit verschiedene Initiativen beschlossen. Sie reichen von der Landesnetzwerkstelle ?Engagierte Nachbarschaft ? Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt? über ehrenamtliche Integrationslotsen bis hin zur Förderung von Engagement, Selbstorganisation und Partizipation. Mein Dank gilt allen, die sich in diesen Projekten engagieren. Sie zählen zu den rund 550.000 ehrenamtlich engagierten Menschen in Sachsen-Anhalt und repräsentieren eine ganz starke Seite unserer Gesellschaft. Das Ehrenamt ist gelebte Solidarität. Es vereinigt Freiwilligkeit und Verantwortung. Ehrenamtliche gestalten unsere Gesellschaft an 365 Tagen im Jahr und in Schaltjahren auch an 366. Sie geben ihr ein menschliches Gesicht, stärken ihren Zusammenhalt und bauen Brücken. Unsere Gesellschaft kann auf ihr Wissen und ihre soziale Kompetenz nicht verzichten. Die Herausforderungen der Zukunft werden wir ohne eine gefestigte Bürgergesellschaft und ohne einen ausgeprägten Gemeinsinn nicht bewältigen. Anrede Sachsen-Anhalt wird sich auch in die gegenwärtig auch auf Bundesebene laufende Debatte über ein Zuwanderungsgesetz einbringen. Wir müssen Einwanderung gestalten und können von anderen Nationen lernen. Dort bewährte Steuerungsinstrumente sollten sorgfältig geprüft und gegebenenfalls übernommen werden. Durch die Schaffung legaler Arbeitsmöglichkeiten im Rahmen gesteuerter Einwanderung, wie sie jetzt in den Westbalkanstaaten beginnen wird, könnte auch das hochbeanspruchte Asylsystem entlastet werden. Zu einem rechtstaatlichen Verfahren gehört aber auch die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber in ihr Heimatland. Begrenzen ? beschleunigen ? zurückführen. Auch darum geht es, und dafür habe ich mich auf dem Asylgipfel stark gemacht. Die dort Ende September beschlossene Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Albanien, Kosovo und Montenegro und die Beseitigung möglicher Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge war unumgänglich. Ebenso wichtig ist die Beschleunigung der Verfahren. Ich bin mir sicher: Diese Maßnahmen werden zu einer spürbaren Entlastung der Länder führen. Und ich füge hinzu: Europa braucht stabile Außengrenzen. Ein unkontrollierter Zustrom gefährdet unsere Werte und die Akzeptanz für andere Kulturen. Und wir müssen die Ursachen vor Ort bekämpfen. Syrien ist das Epizentrum der Fluchtbewegungen. 16 Millionen Menschen haben dort bereits ihre Heimat verlassen oder stehen unmittelbar davor. Für diesen Konflikt und diese Fluchtbewegung kann es nur eine politische Lösung geben, und zwar nicht nur im Rahmen der EU, sondern auf der weit größeren Plattform des Europarates. Menschen mit einer sicheren Bleibeperspektive wollen wir in Sachsen-Anhalt eine neue Heimat bieten. Sachsen-Anhalt ist ein weltoffenes und tolerantes Land, und es hat seinen Menschen sehr viel zu bieten. Anrede Seit 1990 hat sich die Umweltsituation deutlich gebessert. Sachsen-Anhalt hat sich für eine effiziente Altlastenbefreiung optimale Strukturen geschaffen: Zum einen organisatorisch mit der Landesanstalt für Altlastenfreistellung. Zum anderen bilden die vom Bund aus einem Generalvertrag erhaltenen Gelder (rund eine Milliarde Euro) und das Verwaltungsabkommen zur Finanzierung der Braunkohlesanierung eine solide finanzielle Grundlage. Heute sieht man in unserem Bundesland kaum mehr etwas von den Umweltsünden der Vergangenheit. Durch den Bau von Kläranlagen, die Umstellung auf Erdgasheizungen und Filteranlagen an den Schornsteinen sind Bitterfeld und Wolfen wieder lebenswerte, grüne Städte mit sauberer Luft. Bereits 2006 schrieb die Wochenzeitung ?Die Zeit?: Nach zehn Jahren war der Himmel über Bitterfeld wieder blau und die Luft sauber wie seit Menschengedenken nicht.? Wer heute die Situation in Sachsen-Anhalt mit der des Jahres 1989/90 vergleicht, erkennt, wie viel sich verändert hat. Anrede Die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien ist in Sachsen-Anhalt groß. Das ist auch ein Ergebnis des wirtschaftlichen Wandels. Nach 1990 kam es zu erheblichen strukturellen Zäsuren. Ganze Industrien brachen weg, und es kam zu einem massiven Stellenabbau. Damals war der Druck, sich neu zu orientieren und neue Branchen mit guten Zukunftschancen anzusiedeln, groß. Heute zwingen uns der Klimawandel und seine möglichen Folgen und die Energiewende, auf neue Technologien und erneuerbare Energien umzusteigen. Unser Bundesland ist hierauf gut vorbereitet. Im Energiekonzept 2030 der Landesregierung von Sachsen-Anhalt wurde für den Bereich der erneuerbaren Energien ein ambitioniertes Gesamtziel formuliert. Bis zum Jahr 2030 sollen 26% des Primärenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden sollen. Das ist ein ehrgeiziges, aber realistisches Ziel. Grundsätzlich sind wir gut aufgestellt: Im Jahr 2014 waren in Sachsen-Anhalt rund 4,3 GW an Windleistung installiert, verteilt auf über 2.600 Windkraftanlagen. Im gleichen Jahr standen in Sachsen-Anhalt gut 1,8 GW an installierter Photovoltaik-Leistung zur Verfügung, produziert von fast 25.000 Anlagen. Zudem gab es im letzten Jahr über 400 Biomasseanlagen mit einer installierten Leistung von fast 400 MW. Zum Ende des Jahres 2014 waren in Sachsen-Anhalt rund 6,6 GW Leistung aus erneuerbaren Energien installiert. In Sachsen-Anhalt ist aufgrund des hohen Ausbaustandes eine rechnerische Vollversorgung mit Strom aus regenerativen Energien bereits für das Jahr 2030 möglich. Unser Bundesland zählt deshalb bundesweit zu den Vorreitern der Energiewende. Dennoch benötigen wir weiter grundlastfähige konventionelle Kraftwerke. Deshalb setze ich mich mit meinen Kollegen aus Brandenburg und Sachsen für den Erhalt einer umweltschonenden Braunkohlenutzung ein, übrigens auch ihrer stofflichen Nutzung. Die Braunkohle ist nicht irgendein Energieträger. Als Brückentechnologie wird sie noch über Jahrzehnte gebraucht. In der Stromerzeugung ist sie in Deutschland mit 25% führend. Ihr Anteil an der Grundlaststromerzeugung beträgt 50%. Auch vor dem Hintergrund des Atomausstiegs kommt deshalb der Braunkohle für die Versorgungssicherheit eine immense Bedeutung zu. Anrede Wir leben heute im Zeitalter der digitalen Revolution und eines rasanten Wandels. Die Digitalisierung war eine der einschneidendsten Veränderungen im ausgehenden 20. Jahrhundert. Unser Wissen wächst exponentiell. Vor 25 Jahren wartete man in Sachsen-Anhalt vor Telefonzellen. 1989 besaßen nur elf von 100 DDR-Bürgern ein Telefon. Heute kommunizieren wir weltweit per Mobiltelefon, Videochats oder Textnachrichten auf dem Smartphone. Die Verfügbarkeit von Breitband-Zugängen ist mittlerweile einer der wichtigsten Standortfaktoren. Der schnelle Internetzugang gehört zwar noch nicht offiziell zur Daseinsvorsorge. Faktisch muss er aber wohl dazu gezählt werden. Deshalb hat dieses Thema für die Landesregierung höchste Priorität. Ende 2018 wollen wir schnelle Netze überall im Land, in jedem Stadtteil Magdeburgs und Halles ebenso wie in allen Ortsteilen unserer Altmark-Gemeinden und im Landkreis Wittenberg genauso wie im Harz. Für die Realisierung dieses Ziels sind wir auch finanziell gut aufgestellt. Die Digitalisierung bietet die Möglichkeiten an die Vergangenheit anzuknüpfen und neue Wege in die Zukunft zu gehen. Und um die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen, arbeiten wir an einer laufend fortzuschreibenden Digitalen Agenda für Sachsen-Anhalt. Sie wird mit dem nötigen Weitblick die Leitlinien für unsere Digitalpolitik weiter entwickeln. In Zukunft ist sowohl mit steigenden Nutzerzahlen als auch mit einem wachsenden Informationsangebot zu rechnen. Die Bedeutungssteigerung des Internets betrifft uns alle, besonders aber junge Menschen. Sachsen-Anhalt befürwortet deshalb das Projekt eines neuen Jugendangebots von ARD und ZDF im Internet. Dieses Projekt soll sich konsequent auf die Internetnutzung fokussieren. Anrede Eine nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik bleibt weiterhin ein vorrangiges Ziel unserer Politik. Die Landesregierung lässt sich dabei leiten von Maß, Dosierung und der Einsicht in die Sparnotwendigkeit. Dabei gehen wir von dem Dreiklang ?konsolidieren ? vorsorgen und investieren? aus. Unser Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt 2020. Wir wollen dann in der finanzpolitischen Normalität bestehen. Finanzminister Bullerjahn hat dazu gestern Grundsätzliches gesagt. Den Nachtragshaushalt haben wir beschlossen. Anrede Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Aus vielen Gesprächen, die ich geführt habe, weiß ich: Identität gewinnt man nicht nur über die Gegenwart und über die Ziele, die ein Land sich und seinen Menschen setzt. Mindestens genauso wichtig für deren Ausprägung ist die Geschichte. Denn ohne ein Bekenntnis zur eigenen Geschichte kann es keine gestaltungsfähige Zukunft geben. Jede Zukunft braucht eine Herkunft. In Sachsen-Anhalt haben wir viel Herkunft, die wir für die Zukunftsgestaltung nutzbar machen können und wollen. Unser Sachsen-Anhalt zählt zu den interessantesten Geschichts- und Kulturräumen in Deutschland. Das wird von immer mehr Menschen wahrgenommen. So hat unser Bundesland als Medienstandort und Drehort für nationale und internationale Kinofilme stetig an Profil gewonnen. Diese Entwicklung ist auch auf die nachhaltige Förderpolitik zurückzuführen. Ich erinnere an die aktuelle Landesausstellung ?Lucas Cranach der Jüngere?. Sie zeigt den jüngeren Cranach als einen innovativen, den umfassenden Wandel im konfessionellen Zeitalter reflektierenden Künstler, der auch als Stadtkämmerer, Wittenberger Bürgermeister und Unternehmer erfolgreich war. Natürlich ist die Landesausstellung ein wichtiger Beitrag zum Reformationsjubiläum 2017 und insbesondere zum diesjährigen Themenjahr ?Reformation ? Bild und Bibel?. Nur zwei Jahre später feiert das Bauhaus sein 100-jähriges Bestehen. Die Geschichte des Dessauer Bauhauses ist eng verbunden mit der politischen Kulturgeschichte der ersten deutschen Republik. Es prägte die Klassische Moderne und stellte am radikalsten die Frage nach der Beherrschbarkeit des Modernisierungsprozesses mit den Mitteln der Gestaltung. Nicht zufällig wählte das Bauhaus nach dem aus politischen Gründen erfolgten Umzug aus Weimar das anhaltische Dessau als Sitz. Anhalt galt als liberal und weltoffen. Sachsen-Anhalt als neues oder junges Bundesland zu bezeichnen macht nur Sinn im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund der großen Bedeutung Sachsen-Anhalts im Bereich der Kulturpolitik hat die Kulturstiftung des Bundes ihren Sitz in Halle an der Saale gefunden. Das war nur konsequent. Eine weitere nationale Spitzeninstitution, die nationale Akademie der Wissenschaften, sitzt ebenfalls in Halle, eine hohe Anerkennung für die traditionsreiche Wissenschaftsakademie Leopoldina. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ist seit jüngstem in der Landeshauptstadt Magdeburg beheimatet. Es kann an die besondere Fachkompetenz anknüpfen, die wir seit vielen Jahren in diesem wichtigen Bereich vorhalten. Anrede Wir haben seit 1990 viel erreicht. Und wir sind auf einem guten Weg. Das macht Mut. Aus dem Trennungsstrich im Namen unseres Bundeslandes ist längst ein Bindestrich geworden. Die Jahre nach 1990 haben gezeigt: Große Probleme lassen sich in gemeinsamer Verantwortung und im gemeinsamen Handeln bewältigen. Wir bleiben dabei Realisten. Der Wirklichkeitssinn, so hat es Robert Musil formuliert hat, muss sein Gegenstück im Möglichkeitssinn finden. Fehlt dieser Sinn, kann die Politik leicht in Utopien abgleiten. Aber wir wollen nicht ins Utopia des Thomas Morus? aufbrechen, sondern in eine gute Zukunft. Es geht um realistische Zukunftsvisionen. Vor uns liegen neue Herausforderungen. Sie pragmatisch anzunehmen und gemeinsam zu lösen, ist möglich. Bei ihrer Bewältigung können uns unsere gemeinsamen Erfahrungen und Erkenntnisse aus 25 Jahren sehr helfen. Ich bin sicher: Wir werden auch diese Herausforderungen bewältigen und nicht die Herausforderungen uns. Wir können stolz sein auf unser Land und unseren Staat. Daraus schöpfen wir die Kraft für die Zukunft. Mein ausdrücklicher Dank gilt meinen Vorgängern: Dr. Gerd Gies, Dr. Werner Münch, Dr. Christoph Bergner, dem im vergangenen Jahr verstorbenen Dr. Reinhard Höppner und Prof. Dr. Wolfgang Böhmer. Sie alle haben sich um unser Bundesland verdient gemacht. Jeder von ihnen hat auf seine je eigene Art und Weise zum Ansehen unseres Bundeslandes Wesentliches beigetragen. Heute hat Sachsen-Anhalt in der Gemeinschaft der 16 Bundesländer ein unverwechselbares und von allen respektiertes Profil. Das ist auch meinen Vorgängern im Amt des Ministerpräsidenten zu verdanken. Mein Dank gilt auch allen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und in der Landesverwaltung und allen, mit denen wir im Parlament und in den Kommunen 25 Jahre eine Erfolgsgeschichte mitschreiben durften. Für Sachsen-Anhalt war der 3. Oktober 1990 eine Wiedergeburt. Nach abermals 25 Jahren wollen wir eine der modernsten Regionen Europas, ein Zugpferd unter den deutschen Ländern sein. Dafür lohnt es sich zu arbeiten! /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman",serif;}
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