Regierungserklärung zum Strukturwandel: Haseloff fordert stärkeres Engagement des Bundes
In einer Regierungserklärung vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt hat Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff heute ein größeres Engagement des Bundes bei der Gestaltung des Strukturwandels in den Braunkohleregionen gefordert. Es könne nicht sein, dass das einzig Konkrete das Datum des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung sein soll, die Aussagen zur Gestaltung des Strukturwandels aber unverbindlich blieben. ?Wir erwarten vom Bund, dass er sich zu seiner finanziellen Verantwortung für dieses Projekt bekennt. Wir erwarten, dass konkrete Zusagen mit klaren Zeitvorgaben für die vom Land vorgeschlagenen Projekte gemacht werden. Wir erwarten, dass der Ausstieg im Dialog mit den Menschen vor Ort realisiert wird und dass erst neue Arbeitsplätze geschaffen werden, bevor die bisherigen wegfallen?, so Haseloff. Zugleich stellte der Ministerpräsident klar, dass sich das Land zur Umsetzung der Klimaziele bekennt: ?Sachsen-Anhalt wird seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dazu wird langfristig der Braunkohleausstieg beitragen, dazu müssen aber auch andere Bereiche beitragen wie der Verkehr oder der Wohnungsbau. Voraussetzung für uns ist jedoch, dass der Strukturwandel in den Braunkohleregionen mit Augenmaß erfolgt und nicht zu Lasten der Menschen und der Wirtschaft geht und dass er neue Perspektiven in den Revieren eröffnet.? Zur Finanzierung forderte Haseloff ein ausreichend dotiertes Sondervermögen oder einen Strukturentwicklungsfonds des Bundes. Die vom Bund bislang für alle Reviere in Aussicht gestellten 1,5 Mrd. ? seien längst nicht ausreichend. Der Strukturwandel werde sich über mindestens 30 Jahre erstrecken und einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag erfordern. Der Ministerpräsident forderte u. a. eine flächendeckende Erschließung der Region mit digitaler Infrastruktur, eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur auch hinsichtlich der Anbindung von Gewerbegebieten, den Aufbau einer länderübergreifenden Forschungsinfrastruktur und die Verlagerung von Bundesbehörden in die Region. Es gebe im mitteldeutschen Revier z. B. mit der länderübergreifenden Kooperation ?Innovationsregion Mitteldeutschland? große Bereitschaft zur Gestaltung des Wandels. Anlage: Regierungserklärung im Wortlaut ?Zukunft entsteht heute ? wie wir die Herausforderungen des Strukturwandels meistern? Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff im Landtag von Sachsen-Anhalt am 22. November 2018 Es gilt das gesprochene Wort! (Anrede!) Fünf Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung wurden die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes von einem Meinungsforschungsinstitut danach befragt, wie sehr sie sich mit Sachsen-Anhalt identifizieren. Das Ergebnis war ernüchternd. Nur 45 % fühlten sich im Jahr 1995 wirklich mit Sachsen-Anhalt verbunden, die Mehrheit dagegen nur wenig oder gar nicht. Vor einem halben Jahr wurde zum siebenten Mal der Sachsen-Anhalt-Monitor veröffentlicht. Auch hier wurde wieder die Frage nach der Verbundenheit mit unserem Land gestellt. Eine starke Verbundenheit mit Sachsen-Anhalt gaben nun 81 % der Befragten an. Nur noch 4 % konnten sich mit unserem Land gar nicht identifizieren. Eine erfreuliche Entwicklung, macht sie doch deutlich: Es hat bei uns in den vergangenen Jahrzehnten eine positive Veränderung gegeben. Die Menschen haben ihren Platz in Sachsen-Anhalt gefunden und auch Sachsen-Anhalt hat seinen Platz gefunden; im Kreis der anderen Bundesländer, in Deutschland und in Europa. Wir Sachsen-Anhalter brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben etwas geleistet beim Aufbau unseres Landes und darauf können wir stolz sein. Und das zeigen wir selbstbewusst unseren Gästen aus aller Welt. So wie im letzten Jahr beim Reformationsjubiläum, das ein großer Erfolg war. Und auch im kommenden Jahr werden wir uns beim Bauhausjubiläum als gute Gastgeber präsentieren, die stolz auf ein wichtiges Kapitel der Kulturgeschichte unseres Landes sind. Wir haben unsere Kulturlandschaft in den letzten Jahrzehnten wiederhergestellt und in neuem, alten Glanz erstrahlen lassen. Dass auch unsere Werbung recht erfolgreich war, zeigen die Tourismuszahlen. Acht Millionen Übernachtungen im letzten Jahr sind dafür ein eindrucksvoller Beleg. Aber es gibt noch manches zu tun: Wir müssen unseren großen kulturellen Reichtum stärker im In- und Ausland vermitteln. Dem dient u. a. die Errichtung zweier neuer Welterbeinformationszentren in Wörlitz und Naumburg. Und wir werden den Aufbau einer gemeinsamen Schlösserstiftung mit Thüringen vorantreiben. Eine positive Entwicklung gibt es aber nicht nur hinsichtlich der Verbundenheit mit Sachsen-Anhalt. Denn die konnte nur wachsen, weil auch das Vertrauen in unser Land gewachsen ist und in die eigene Leistungsfähigkeit. Weil sich wirtschaftliche Erfolge eingestellt haben und sich mit ihnen auch die Lebensverhältnisse für die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt verbessert haben. So ist die Arbeitslosenquote, die um die Jahrtausendwende bei über 20 % lag, auf inzwischen 7 % gesunken und damit auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Auch die Wanderungsbilanz ist inzwischen mit 1.900 Personen positiv. Natürlich können wir noch nicht mit den wirtschaftlich starken Regionen im Westen und Süden Deutschlands konkurrieren. Und es wäre unrealistisch und unredlich den Eindruck zu erwecken, dies würde sich alsbald ändern lassen. Das liegt am weitgehenden Fehlen von Großunternehmen im Osten. Dieses Ergebnis der DDR-Geschichte und des Einigungsprozesses ist heute nur schwer zu korrigieren. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen in Sachsen-Anhalt liegt inzwischen bei 81% des gesamtdeutschen Wertes. Das ist noch kein Grund zum Jubel, aber eine solide Basis, auf der wir weiter aufbauen können. 1991 waren es gerade einmal 39%. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Wirtschaftskraft der alten Länder im selben Zeitraum von einem viel höheren Niveau preisbereinigt um etwa zwei Fünftel zugenommen hat. Da wiegt es umso mehr, dass wir den Abstand deutlich verkürzen konnten. Und auch die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sind gestiegen; von gut 55% des deutschen Niveaus im Jahr 1991 auf derzeit 85%. Man darf nicht vergessen: Wir haben seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Neugründung Sachsen-Anhalts einen gewaltigen Strukturwandel bewältigt. Wenn heute in Sachsen-Anhalt wieder so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind wie im Jahr 2001, obwohl die Einwohnerzahl seither um rund 360.000 zurückgegangen ist, dann zeugt das von einer gewaltigen Aufbauleistung. Es zeigt aber auch, dass der demographische Wandel eine Herausforderung ist, der wir uns stellen müssen. Dass wir heute Anschluss an andere Bundesländer gefunden haben, dass wir strukturelle Brüche bewältigen konnten und Massenarbeitslosigkeit der Vergangenheit angehört, war letztlich nur durch umfangreiche Investitionen möglich. Mehr als zehn Mrd. ? aus der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaft wurden für Investitionen von 41 Mrd. ? bereitgestellt. Mehr als elf Mrd. ? wurden für den Bau von Bundesfernstraßen, Landesstraßen und kommunalen Straßen aufgewandt. 1,7 Mrd. ? haben wir in unsere Hochschulen investiert und 1,2 Mrd. ? in den Hochwasserschutz. 1,5 Mrd. ? sind in die Altlastensanierung geflossen, wobei wir wissen, die Beseitigung der Altlasten aus DDR-Zeiten ist noch nicht abgeschlossen und muss weiter vorangetrieben werden. Und wir tun auch in den kommenden Jahren alles, um Sachsen-Anhalt voran zu bringen. So werden wir den kommunalen Finanzbedarf überprüfen, damit sichergestellt ist, dass die Kommunen auch ab 2022 mit einer auskömmlichen Finanzausgleichsmasse rechnen können. Wir investieren in die Digitalisierung. Schnelles Internet flächendeckend bis Ende 2020 bleibt unser Ziel. Und wir sorgen für eine verlässliche Personalausstattung in Polizei und Bildung. 14.500 Vollzeitstellen für Lehrer, dazu 1.800 pädagogische Mitarbeiter stehen im kommenden Jahr zur Verfügung. Bis Ende der Legislaturperiode werden wir 6.400 Polizisten im Landesdienst haben. Langfristig werden es 7.000 sein. Natürlich vergessen wir nicht: Vieles, was wir erreicht haben, war nur möglich dank umfangreicher Hilfen des Bundes, der Länder und der EU. Wenn wir heute in Sachsen-Anhalt moderne Unternehmen, leistungsfähige Hochschulen und Forschungsstätten, eine engmaschige Infrastruktur und eine vielfältige Kulturlandschaft vorfinden, so ist uns dies aber auch nicht in den Schoß gefallen. Es ist das Ergebnis harter Arbeit. Es ist möglich geworden, weil wir die Ärmel hochgekrempelt und unser Land umgestaltet und fit gemacht haben für die Zukunft. Es ist das Werk mutiger Unternehmer und Existenzgründer, engagierter und gut ausgebildeter Arbeitnehmer und vieler Menschen, die mit neuen Ideen und viel Tatkraft dazu beigetragen haben. Allerdings stehen wir in Sachsen-Anhalt weiterhin vor der Herausforderung des demografischen Wandels, der sich auch im Bereich der Unternehmen zeigt. Eine große Aufgabe ist es für die kleinen und mittleren Unternehmen Nachfolger zu finden. In Sachsen-Anhalt haben wir uns dem bereits mit einem vielfältigen Instrumentarium gestellt, z. B. mit der ego-Existenzgründungsinitiative, mit der Meistergründungsprämie oder dem IB-Gründungsdarlehen IMPULS. Vor einem neuen Strukturwandel stehen die deutschen Braunkohleregionen und damit das südliche Sachsen-Anhalt als Teil des mitteldeutschen Braunkohlereviers. Und ich sage es ganz frank und frei, einen Strukturwandel wie wir ihn beispielsweise im Ruhrgebiet erlebt haben, dürfen wir uns nicht zum Vorbild nehmen. So ist es ein Alarmzeichen, wenn inzwischen in Gelsenkirchen und in Duisburg das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen unter dem von Halle liegt. Das gilt umso mehr, als noch vor wenigen Jahrzehnten das Ruhrgebiet Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland war. Der Strukturwandel in Mitteldeutschland muss anders laufen, sonst gefährden wir das, was wir in den letzten Jahrzehnten mühsam aufgebaut haben. Diesem Strukturwandel im Mitteldeutschen Braunkohlerevier dürfen wir nicht reaktiv begegnen, wir müssen ihn aktiv gestalten. Das wird nicht ohne massive Investitionen gehen und benötigt Zeit. Die vom Bund noch in dieser Legislaturperiode für alle Braunkohleregionen in Aussicht gestellten 1,5 Mrd. ? reichen dazu definitiv nicht. Nicht umsonst habe ich deshalb die Summen genannt, die bei uns in den Jahren seit 1990 für die Transformationsprozesse von der Plan- zur Marktwirtschaft geflossen sind. Ein politischer Eingriff in die seit 1990 gewachsenen Strukturen auf Basis der Braunkohle in der Chemie, der Zuckerindustrie, der Lebensmittelbranche, der kommunalen Versorgung inklusive der Fernwärmeversorgung von tausenden von Haushalten und der Energieerzeugung wird umfangreicher Mittel bedürfen, für die Infrastruktur, für Innovationen, für neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze. Eine ausschließliche Verwaltung des Mangels und der Arbeitslosigkeit werden wir nicht hinnehmen. Wichtig ist deshalb auch, dass wir nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung heißt dies, und das sage ich mit allem Nachdruck: Der Ausstieg ist nur möglich, wenn erstens eine sichere Energie- und Wärmeversorgung ohne Kohlestrom möglich ist und zweitens neue Arbeitsplätze bereit stehen und das vor Ort und nicht in Hunderten von Kilometern Entfernung. Denn unser Ziel ist es nicht, weiter Abwanderung zu fördern. Was heißt das nun konkret? Zunächst einmal müssen wir deutlich machen, dass wir jetzt damit beginnen und nicht erst in zehn oder 15 Jahren. Und das heißt, dass wir uns nicht nur Gedanken machen und Pläne entwickeln, sondern dass wir in die konkrete Umsetzung einsteigen. Die Leute vor Ort müssen sehen, da passiert etwas. Dazu haben wir uns bereits im April 2018 in Bad Schmiedeberg auf der Ost-MPK unter dem Vorsitz Sachsen-Anhalts im Kreise der ostdeutschen Regierungschefs darauf verständigt, dass schnellstmöglich erste Projekte in den ostdeutschen Revieren umgesetzt werden müssen. So haben wir den Bund gebeten, einen dreistelligen Millionenbetrag kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Gegenüber der Kommission ?Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung? hat das Land im Sommer gemeinsam mit Akteuren vor Ort eine Reihe von Maßnahmen benannt, die als Startsignal für einen solchen erfolgreichen Strukturwandel dienen können. Diese Startmaßnahmen reichen von einer Verbesserung des ÖPNV und einer besseren Anbindung der Mittelzentren im Revier an die Städte Halle und Leipzig über die Umsetzung von Pilotprojekten z. B. im Bereich der 5G-Netze bis hin zum Ausbau der Bildungs- und Forschungsinfrastruktur. Ein Ausstieg macht nur Sinn, wenn er von einem Einstieg flankiert wird. Erforderlich ist deshalb eine offensive Industriepolitik des Bundes mit klaren Projekten und konkreten Finanzzusagen auf der Basis unserer umfänglichen Projektlisten. Sehr erfreulich finde ich es, dass die Akteure im Revier bereits selbst aktiv geworden sind. Dafür meinen ausdrücklichen Dank. Ich will hier nur die länderübergreifende Kooperation ?Innovationsregion Mitteldeutschland? nennen. Neun Gebietskörperschaften aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen haben sich zusammengeschlossen, um Potenziale für die zukünftige Wertschöpfung in der Region auszuloten und die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg angestoßen. Der Burgenlandkreis hat die Federführung. Eine Zweckvereinbarung wurde im März geschlossen. Nun haben sich die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auch auf eine Verwaltungsvereinbarung geeinigt. Die Förderung erfolgt im Rahmen der Experimentierklausel der Gemeinschaftsaufgabe ?Regionale Wirtschaft?. Es zeigt sich also, dass vor Ort viel Engagement da ist, an dem Strukturwandel aktiv mitzuwirken. Parallel dazu haben sich im Oktober diesen Jahres die großen wirtschaftlichen Akteure in der Region rund um Leuna, also die Gaseindustrie (Linde und VNG), die Braunkohleindustrie (MIBRAG/EPH) und der Anlagenbau (Siemens) zusammen mit Fraunhofer zu einer Arbeitsgemeinschafts zusammengeschlossen (ARGE GreenHydroChem = Grüner Wasserstoff für die Chemieindustrie). Sie geben schon nächstes Jahr den Startschuss für das größte Wasserstoff-Elektrolyse-Netzwerk der Welt mit 100 MW Elektrolyseleistung, die erste deutsche Wasserstoffkaverne in Bad Lauchstädt und die kombinierte stoffliche Nutzung von Plastikmüll und Braunkohle in Leuna. Bis 2025 beabsichtigen die Akteure über 150 Millionen Euro in Leuna und Bad Lauchstädt zu investieren. Diesen Schwung sollte auch der Bund würdigen und mit Maßnahmen unterstützen, indem er deutlich macht wie und in welcher Form er den Strukturwandel finanziell fördert. Realistische Schätzungen besagen, dass ein erfolgreicher Strukturwandel in den Braunkohleregionen mindestens 30 Jahre - also eine Generation - dauern und Kosten im mittleren zweistelligen Milliardenbereich mit sich bringen wird. Für Sachsen-Anhalt bedeutet dies ca. 5 Mrd. ? Investitionen in neue Industriearbeitsplätze (Ersatz von 2500 Arbeitsplätzen), ca. 2.5 Mrd. ? Investitionen in neue CO2-neutrale Kraftwerke für Strom, Wärme und Prozessdampf-Versorgung und nochmal die gleich Summe von 2.5 Mrd. ? für den Ausbau der Infrastruktur in den betroffenen Regionen im Süden Sachsen-Anhalts. Wir sprechen in Sachsen-Anhalt also über eine Summe von ca. 10 Mrd. ? über die nächsten 30 Jahre. Die Bewältigung dieses Wandels ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und darf nicht einzelnen Ländern und erst recht nicht den Menschen, Unternehmen und Gemeinden in den betroffenen Regionen allein überlassen werden. Dies sind wir den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort schuldig. Das ist eine gemeinsame Forderung von mir und meinen Amtskollegen aus Sachsen und Brandenburg. Zur Bewältigung dieses Strukturwandels bedarf es eines Gesamtpaketes, so dass die betroffenen Länder nicht für die Kosten der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung einzustehen haben. Wir können keine Haftung für Wiedernutzbarmachung und Folgeschäden eines bundespolitisch auferlegten beschleunigten Braunkohleausstiegs übernehmen. Bezüglich der Finanzierung der Maßnahmen benötigen wir ein ausreichend dotiertes Sondervermögen oder einen Strukturentwicklungsfonds des Bundes. Zudem muss sich die Strukturförderung organisatorisch von der bundesweiten Förderung strukturschwacher Regionen unterscheiden. Das bedeutet zugleich, dass deren Finanzierung auf einer separaten Basis stehen sollte. Wir erwarten in den betroffenen Revieren von einer solchen Strukturförderung: ? dass die Regionen flächendeckend mit digitaler Infrastruktur (Breitband, 5G) erschlossen werden, ? dass die Verkehrsinfrastruktur (Schiene und Straße) ausgebaut und eine Sonderregelung zur Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur deutscher Braunkohleregionen geschaffen wird, die die herkömmlichen Bedarfskriterien außer Kraft setzt und das überwiegende öffentliche Interesse deutlich herausstellt, z. B. eine bessere Anbindung des Reviers an die Städte Halle und Leipzig und gute Verkehrsanbindungen für Gewerbegebiete, ? dass der Bund sich am Aufbau einer modernen, länderübergreifenden Forschungslandschaft in den betroffenen Regionen und von Reallaboren in den Chemieparks beteiligt, hier seien auch die Universitäten in Halle, Leipzig und Jena genannt, ? dass der Bund in den Braunkohleregionen Bundesbehörden errichtet, erweitert oder sie dorthin verlegt, ? dass die Rechtsgrundlagen für Investitionen (z. B. Öffnungsklauseln, Planungsbeschleunigungsvorschriften und Experimentierklauseln) angepasst werden und eine Lockerung des EU-Beihilferahmens für die betroffenen Regionen in Brüssel durchgesetzt wird ? und dass der Strukturentwicklungsprozess in den Braunkohleregionen durch die Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage und einer strukturellen Verankerung im Bundeswirtschaftsministerium eine hohe Verbindlichkeit erhält. Zusammenfassen kann man all das unter den Stichworten: ? Sofortprogramm, ? Maßnahmengesetz, ? Strukturfonds, ? Verfahrensbeschleunigungsgesetz. Ich sage es noch einmal: Sachsen-Anhalt wird auch zukünftig seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dazu wird langfristig der Braunkohleausstieg beitragen, dazu müssen aber auch andere Bereiche beitragen wie der Verkehr oder der Wohnungsbau. Voraussetzung für uns ist jedoch, dass der Strukturwandel in den Braunkohleregionen mit Augenmaß erfolgt und nicht zu Lasten der Menschen und der Wirtschaft geht und dass er neue Perspektiven in den Revieren eröffnet.Der Abschied vom Alten macht nur Sinn, wenn das Neue als Fortschritt erlebt wird. Das gilt umso mehr, als wir im Osten mit einer Reduzierung der CO2-Emissionen um mehr als 50% bezogen auf die gesamtdeutsche Bilanz bereits kräftig in Vorleistung gegangen sind. Eine weitere Reduzierung von Emissionen sollte nun aber nicht mit der Reduzierung von Arbeitsplätzen assoziiert werden. Dafür müssen wir sorgen und hier ist vor allem der Bund in der Pflicht. (Anrede!) Wir dürfen die Herausforderungen, vor denen wir in Sachsen-Anhalt stehen, jedoch nicht allein auf den Strukturwandel in der Braunkohleregion reduzieren. Im kommenden Jahr endet der Solidarpakt II. Sachsen-Anhalt wird zwar auch nach 2020 auf Unterstützungsleistungen des Bundes bauen können, die zum Beispiel helfen sollen, die weiterhin deutlich geringere Gemeindesteuerkraft oder Defizite bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auszugleichen. Auch werden andere Bundesprogramme z. B. zur Unterstützung des ÖPNVs oder des Breitbandausbaus auch nach 2020 fortgesetzt. Wieviel Mittel der Bund und die EU für die Strukturförderung im kommenden Jahrzehnt zur Verfügung stellen werden, ist allerdings noch offen. Ein neues, gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen wird die Kommission ?Gleichwertige Lebensverhältnisse? bis Ende 2019 entwickeln. Entscheidend ist, dass alle Regionen in Deutschland, die nach objektiven und gleichen Kriterien als strukturschwach gelten, auch in den Genuss dieser Strukturförderung kommen. Mir ist wichtig, dass bewährte Programme wie zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgabe ?Regionale Wirtschaft?, Bürgschafts- oder Innovationsförderprogramme des Bundes oder die ERP-Regionalförderung fortgesetzt werden und der Kreis förderfähiger Regionen auf die wirklich strukturschwachen begrenzt bleibt. Darüber hinaus wäre zu prüfen, inwiefern z. B. die Gemeinschaftsaufgabe ?Agrar und Küstenschutz? zu einem Förderprogramm für den ländlichen Raum weiterentwickelt werden kann oder wie andere Förderprogramme um eine Teilprivilegierung strukturschwacher Regionen etwa in Form eines on-top-Bonus erweitert werden können. Hierzu arbeitet eine Kommissionsarbeitsgruppe ?Wirtschaft und Innovation?. Eine weitere Arbeitsgruppe der Kommission beschäftigt sich mit den kommunalen Altschulden, dem Bauen und Wohnen, der technischen Infrastruktur, der Sozialen Daseinsvorsorge und dem Zusammenhalt der Gesellschaft. Als Vorsitzland der Konferenz der ostdeutschen Ministerpräsidenten hat Sachsen-Anhalt klar gemacht, dass vom erfolgreichen Aufbau Ost die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland wesentlich abhängt. Klar ist aber auch: Es wird zukünftig noch stärker auf die Rahmenbedingungen ankommen. Es wird zum Beispiel immer schwieriger, Unternehmen mithilfe direkter Subventionen zu einer Ansiedlung in Sachsen-Anhalt zu bewegen. Investitionen werden zukünftig vornehmlich dann getätigt, wenn die technische und verkehrliche Infrastruktur stimmt, wenn qualifizierte Fachkräfte vorhanden sind und je nach Art des Unternehmens die Nähe zu Kunden oder Forschungseinrichtungen gegeben ist. (Anrede!) Lassen Sie mich eines noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: So wie wir uns nach 1990 dem schwierigen Transformationsprozess gestellt haben, werden wir uns auch künftigen Herausforderungen wie dem Strukturwandel in der Braunkohleregion stellen. Einen beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohleverstromung können wir aber nicht unterstützen, wenn die Rahmenbedingungen dafür nicht stimmen. Wenn das einzig Konkrete an diesem Ausstieg die Festlegung auf das Jahr ist, zu dem dieser erfolgen soll, ist das zu wenig. Es darf durch den Braunkohleausstieg nicht zu neuen Strukturbrüchen und einer Gefährdung des Erreichten kommen. Wir erwarten in den Revieren nicht wohlklingende, aber unverbindliche Worte, wir erwarten Taten. Wir erwarten vom Bund, dass er sich zu seiner finanziellen Verantwortung für dieses Projekt bekennt. Wir erwarten, dass konkrete Zusagen mit klaren Zeitvorgaben für die vom Land vorgeschlagenen Projekte gemacht werden. Wir erwarten, dass der Ausstieg im Dialog mit den Menschen vor Ort realisiert wird und dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, bevor die bisherigen wegfallen. Wir sind in Sachsen-Anhalt bereit für diesen Strukturwandel. Wir werden ihn meistern und wir werden gemeinsam alles daran setzen, dass er ein Erfolg wird. Das erwarten wir aber auch vom Bund. Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman",serif;}
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