Das Land Sachsen-Anhalt begleitet die Franckeschen Stiftungen auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe
Die Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) stehen seit 1999 auf der deutschen Tentativliste für die UNESCO-Welterbeliste. Ein erster Antrag wurde 2015 nach eingehenden Diskussionen aus dem Wettbewerbsverfahren zurückgezogen. Seitdem haben die Stiftungen zusammen mit dem Land Sachsen-Anhalt und dem Auswärtigen Amt über mögliche Perspektiven gesprochen. Dank der vollen Unterstützung durch das Land Sachsen-Anhalt kann jetzt die Arbeit an einem zweiten Antrag aufgenommen werden
Hierzu überreicht Staats- und Kulturminister Rainer Robra Stiftungsdirektor Prof. Dr. Thomas Müller-Bahlke einen Zuwendungsbescheid des Landes in Höhe von 186.600 Euro. Minister Robra zeigt sich vom Förderziel überzeugt:
»Die UNESCO-Stätten Sachsen-Anhalts sind in ihrer Mehrheit nicht einfach herausragende kulturelle Zeugnisse; sie stehen auch für Ideen, die die Welt verändert haben. Das gilt selbstredend für die Reformation Martin Luthers und für das Bauhaus in Dessau als Grundlage der weltweiten Moderne. Es gilt aber auch für das Gartenreich Dessau-Wörlitz als praktische Anwendung der philosophischen Ideen der Aufklärung. Zur Reihe dieser Orte revolutionärer Ideen zählen auch die Franckeschen Stiftungen. Franckes Vision war die Verbesserung des Menschengeschlechts, die Erziehung und Bildung jedes Einzelnen entsprechend seiner individuellen Begabungen – Waisen und Fürstenkinder gleichermaßen, Jungen ebenso wie Mädchen. Seine Pädagogik ist bis heute wirksam in den Schulen unseres Landes, seine Schulstadt hier in Halle gibt als Kulturdenkmal ersten Ranges Zeugnis von dieser Leistung und ist es wert, als Erbe der Menschheit anerkannt zu werden.
Staatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger unterstreicht: »August Herrmann Franckes Idee ist heute so aktuell wie je: die bestmögliche Bildung aller Schülerinnen und Schüler nach Fähigkeit und Neigung zu ermöglichen, unabhängig von Stand und Vermögen ihrer Eltern. Sie ist als Schlüssel für Innovation und persönliche Entfaltung ein Ideal, das mir als langjährigem Pädagogen besonders am Herzen liegt und das in den Franckeschen Stiftungen schon vor über 300 Jahren verwirklicht wurde. Diesen andauernden Auftrag der Franckeschen Stiftungen für die Gegenwart und Zukunft wird die Überarbeitung des UNESCO-Antrags in den Mittelpunkt stellen. Als Mitglied des Kuratoriums der Franckeschen Stiftungen ebenso wie als Staatssekretär für Kultur ist es mir eine Freude, dieses Verfahren finanziell zu unterstützen!«
Die Förderung dient der Erarbeitung der inhaltlichen Grundlagen eines neuen Antragsverfahrens. Der geplante Welterbeantrag der Franckeschen Stiftungen wird unter dem Thema Bildung für Alle stehen. »Vor allem im Bauensemble der Franckeschen Stiftungen kommt die grundlegende Idee der Bildung für Alle einzigartig zur Geltung.«, erläutert Stiftungsdirektor Thomas Müller-Bahlke und ergänzt: »Damit greifen die Stiftungen eines ihrer eigenen Kernthemen auf, das bis heute von höchster Aktualität ist und unsere gesellschaftlichen Debatten bestimmt sowie global eine der größten Zukunftsherausforderungen für die Menschheit darstellt.«
Das Antragsverfahren ist in zwei Phasen unterteilt. Der Zuwendungsbescheid ermöglicht die Durchführung der ersten Phase. Dabei liegt der Fokus auf einem sogenannten »Upstream-Prozess«, der jetzt vorbereitet und voraussichtlich im Jahr 2023 durchgeführt werden soll. Hierfür werden mit internationaler fachwissenschaftlicher Unterstützung Konzept und Argumentationslinien für den eigentlichen Antrag erarbeitet und anschließend kritisch durch ICOMOS International in einem Dialog geprüft. Erst nach erfolgreichem Abschluss erfolgt in der zweiten Phase die Erarbeitung des eigentlichen Welterbeantrags.
Hintergrund
Die Franckeschen Stiftungen sind ein einzigartiges Zeugnis sozialer und pädagogischer Architektur bürgerlichen Ursprungs aus dem Zeitalter des Barock. Sie wurden 1698 von dem Theologen und Pädagogen August Hermann Francke (1663–1727) gegründet. Im Zentrum des Gebäudeensembles stand die Idee von einer bestmöglichen Bildung für Alle. Das Hauptaugenmerk lag darauf, jungen Menschen gemäß ihren individuellen Begabungen maßgeschneiderte schulische Ausbildungsgänge zu ermöglichen. Dabei sollte die Herkunft – vom Waisen bis zum Adelskind – keine Rolle spielen. Dieser Ansatz war zukunftsweisend und ist bis heute beispielgebend. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts herrscht über politische und kulturelle Grenzen hinweg Einigkeit darüber, dass die Bewältigung der anstehenden Aufgaben der Menschheit im Allgemeinen und die Behebung von sozialen, ökonomischen, gesundheitlichen und ökologischen Herausforderungen im Besonderen nur durch den Zugang zu Bildung für alle Menschen gelingen kann und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Zugehörigkeit.
Eben diese Idee hat Francke vor dreihundert Jahren auf eindrucksvolle Weise umgesetzt und dafür ein architektonisch vorbildhaftes und weltweit zugleich einzigartiges Bauensemble errichtet. Zwischen 1698 und 1748 entstand eine ganze Schulstadt, zu der ein Waisenhaus, zahlreiche Schulen (für Jungen und Mädchen) und Internate, eine Bibliothek, eine berühmte Kunst- und Naturalienkammer sowie Wirtschafts- und Fürsorgebetriebe (Apotheke, Labore, Buchdruckerei, Verlag, Buchhandlung, Krankenhaus, landwirtschaftliche Betriebe) gehörten.
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