Pressemitteilung: 308/2023
Magdeburg, den 04.07.2023

Ergebnisse des Sachsen-Anhalt-Monitors 2023 veröffentlicht

Langzeitstudie liefert repräsentative Daten zu Einstellungen der Bevölkerung Sachsen-Anhalts zu Fragen von Landesidentität, Wirtschaftsentwicklung und Staatsordnung

Insbesondere zu wiederkehrenden Themen wie der Identifikation mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage, dem Vertrauen in politische Institutionen und der Einstellung zur Demokratie liefert der Sachsen-Anhalt-Monitor Längsschnittdaten, die langfristige gesellschaftliche Entwicklungen abbilden und Erfolge der Landesentwicklung ebenso wie Probleme und Defizite identifizierbar machen.

 

Wesentliche Ergebnisse

 

(Anmerkung 1: Die Prozentwerte variieren im Hinblick auf Alter, Bildungsabschluss, verfügbarem Einkommen und Region

Anmerkung 2: Prozentzahlen in Klammern = Wert 2020)

 

Der Gesamtwert der Verbundenheit mit Sachsen-Anhalt liegt mit 67% deutlich unter dem Wert von 2020. Damals waren es noch 81%. Verschiebungen gab es auch – wie schon 2020 – bei der Intensität der Verbundenheit. Aktuell fühlen sich 28% (35%) der Befragten sehr stark und weitere 37% (46%) ziemlich stark mit Sachsen-Anhalt verbunden.

Nach einem Anstieg des Verbundenheitsgefühls von 2014 auf 2018 war 2020 eine geringfügige Abnahme bei allen Gebietseinheiten (Wohnort, Ostdeutschland, Sachsen-Anhalt, Europa) festzustellen, welche sich mit dem SAM 2023 weiter verstetigt hat.

 

Die eigene wirtschaftliche Situation bewertet die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt, wie bereits in den Vorjahren, leicht optimistischer als die allgemeine ökonomische Lage im Land oder am Wohnort. Trotzdem nimmt nur noch die Hälfte der Befragten (-12 Prozentpunkte) ihre derzeitige persönliche Wirtschaftslage als gut wahr.17 Prozent sehen sie als schlecht oder sehr schlecht an. Das ist ein Anstieg um 6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020.

 

Auch bei der eigenen Lebenszufriedenheit der Sachsen-Anhalter lässt sich ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu 2020 beobachten. So sind gegenwärtig 10 Prozent der Bürger (-8 Prozentpunkte) sehr zufrieden mit ihrer Lebenssituation, und weitere 37 Prozent (-10 Prozentpunkte) geben an, eher zufrieden zu sein. Obwohl die Mittelkategorie „teils/teil“ einen deutlichen Zuwachs erfahren hat (+9 Prozentpunkte) und auch die Negativurteile auf 17 Prozent angestiegen sind (+9 Prozentpunkte), überwiegen noch die Positivurteile.

 

Richtet man den Blick auf die Einschätzung der persönlichen Zukunft in Sachsen-Anhalt, zeigt sich abermals, dass die eigene Zukunft im Land von den Befragten positiver bewertet wird als die Zukunft des Landes allgemein, obwohl auch hier ein deutlicher Rückgang der Positivurteile um 13 Prozentpunkte zu beobachten ist. Damit sehen nur noch knapp die Hälfte der Sachsen-Anhalter ihre persönliche Zukunft im Land zuversichtlich. Analog dazu ist der Anteil derjenigen, die ihre persönliche Zukunft im Land negativ bewerten (15 Prozent), gegenüber 2020 um 7 Prozentpunkte angestiegen.

 

Der Demokratie als Staatsidee stimmen 2023 „entschieden“ rund 49 Prozent und „eher“ weitere gut 43 Prozent der Sachsen-Anhalter zu – mithin fast alle wie bereits 2020 (97%). Sachsen-Anhalt liegt hier also eindeutig im gesamtdeutschen Trend. Der Anteil entschiedener Demokraten ist innerhalb der letzten drei Jahre damit nur minimal zurückgegangen (-1 Prozentpunkt), hatte er sich zwischen 2018 und 2020 doch um 11 Prozentpunkte verschlechtert. Am antidemokratischen Gegenpol hat sich die Zahl derer, die der Demokratie „eher“ ablehnend gegenüberstehen, von 5 auf 7 Prozentpunkte sowie der entschiedenen Systemgegner von 2 auf 1 Prozentpunkt verändert.

 

Dagegen fällt, wie schon bei früheren Umfragen des SAM, die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland geringer aus. Insgesamt 36 Prozent der Befragten äußern sich sehr (4 Prozent) oder eher zufrieden (32 Prozent). Dies bedeutet einen deutlichen Rückgang der überwiegend Zufriedenen um 26 Prozent im Vergleich zu 2020. Sehr oder eher unzufrieden mit der Leistungsfähigkeit der Demokratie zeigen sich demgegenüber 64 Prozent – ein Zuwachs von 25 Prozent in den vergangenen drei Jahren.

 

48% (57%) der Sachsen-Anhalter gaben an, stark oder sehr stark an Politik interessiert zu sein, 17% (11%) haben wenig Interesse an Politik. Allerdings fühlen sich nur 35% (38%) politisch kompetent, 17% (20%) gaben an, politische Sachverhalte nicht zu verstehen.

 

Lediglich 7 Prozent (8%) der Bevölkerung des Landes sind der Ansicht, dass sich die politische Elite responsiv gegenüber den Wünschen der Bürger verhält. Über die Hälfte der Sachsen-Anhalter vertritt stattdessen die Meinung, dass die politischen Entscheidungsträger die Präferenzen der Bevölkerung weitgehend ignorieren. Im Zeitverlauf betrachtet fällt das Responsivitätsgefühl der Bürger seit 2009, als es erstmals im Sachsen-Anhalt-Monitor erhoben wurde. Abgesehen von kleinen Erholungen 2014 und 2020 ist es aktuell auf einem Tiefpunkt seit Beginn seiner Erhebung in Sachsen-Anhalt. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich also immer weniger von Politik und Regierung ernst genommen und beschreiben einen Rückgang in der Offenheit des politischen Systems.

 

Vor die Auswahl gestellt, ob man den meisten Mitmenschen vertrauen kann oder nicht vorsichtig genug sein kann, vertreten nur noch 24 Prozent der Bürger in Sachsen-Anhalt die Meinung, dass man der Mehrheit der Mitmenschen vertrauen könne (-16 Prozentpunkte). 43 Prozent der Befragten ist demgegenüber der Ansicht, dass Skepsis gegenüber anderen Menschen durchaus angebracht ist. Im Vergleich zu 2020 auf 33 Prozent angewachsen ist die Gruppe der Befragten, die ihre Vertrauensbereitschaft vom Kontext bzw. der Situation abhängig macht. Folglich ist die Gesellschaft in Sachsen-Anhalt also etwas vorsichtiger und zurückhaltender geworden, wenn es um das zwischenmenschliche Vertrauen geht.

 

Beim Vertrauen in verschiedene Institutionen variieren die Einstellungen. Am stärksten vertraut die Bevölkerung des Landes der Polizei. Über die Hälfte der Sachsen-Anhalter gibt an, der Polizei weitgehend oder voll und ganz zu vertrauen. Auf Platz zwei folgt allgemein die Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung, welcher die Sachsen-Anhalter zu 41 Prozent weitgehend oder voll und ganz vertrauen. Danach folgt das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit ebenfalls 41 Prozent der Befragten für die beiden positiven Antwortkategorien, jedoch mit weniger Befragten im teilweise-Segment und dafür leicht mehr ablehnende Urteile. Damit werden die ersten Plätze von rechtsstaatlichen Institutionen eingenommen.

 

Knapp auf den vierten Platz abgerutscht sind die von jeweiligen Befragten präferierte Parteien (40 Prozent vertrauen weitgehend oder voll und ganz). Bemerkenswert hierbei ist das gespaltene Verhältnis der Sachsen-Anhalter beim Vertrauen in die politischen Parteien. Wird nach der Einstellung gegenüber den Parteien allgemein gefragt, fällt das Urteil der Befragten überwiegend negativ aus (47 Prozent vertrauen eher oder überhaupt nicht). Lediglich Politikern im Allgemeinen wird noch weniger Vertrauen entgegengebracht (54 Prozent vertrauen eher oder überhaupt nicht).

 

Auf den Plätzen fünf und sechs folgen das Vertrauen in die Landesregierung und die Bundesregierung. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung (35 Prozent) steht der Landesregierung Sachsen-Anhalts positiv gegenüber und vertraut ihr. Der Regierung auf Bundesebene wird jedoch nur noch von jedem fünften Sachsen-Anhalter (20 Prozent) weitgehendes bzw. volles Vertrauen entgegengebracht. Es fällt also erneut auf, dass die Landesregierung in der Wahrnehmung der Bürger besser abschneidet als die Bundesregierung.

 

Als wesentliche Probleme im Land werden genannt:

 

 

Die Antworten auf die Frage, welche Partei am besten geeignet sei, „das wichtigste Problem zu lösen“, bestätigen sich die den Parteien traditionell zugeschriebene Stärken und Schwächen. Der CDU wird die allgemein größte, d. h. sämtliche von Befragten genannte Probleme bündelnde Lösungskompetenz zugeschrieben. Auf dem zweiten Platz, gemessen an der gebündelten Lösungskompetenz, wurde die AfD genannt. Diese hat somit im Vergleich zur letzten Untersuchung 2020 deutlich an Lösungskompetenz aus Sicht der Befragten gewonnen. Es folgen die SPD, die Linke, die Grünen und die FDP. Verschiedene Koalitionsmodelle werden eher seltener genannt. „Keiner Partei“ trauen 26 Prozent die Fähigkeit zu, das erstrangige Problem zu lösen. 10 Prozent der Befragten, die sich zur Lösungskompetenz der Parteien äußerten, wollten keine Angabe machen.

 

Das noch 2020 überwiegend positive Urteil darüber, ob es in Deutschland gerecht zugeht, fällt 2023 deutlich ab. Aktuell meinen annähernd nur noch 36 Prozent (56%), dass es in Deutschland alles in allem gerecht (ca. 33%) bzw. sehr gerecht (2%) zugehe. Damit sank dieser Wert gegenüber 2020 um 30%. Vorher stieg er seit 2007 kontinuierlich an (2007: 22%, 2009: 26%, 2012: 33%, 2014: 47%, 2018: 54%, 2020: 56%).

 

Rund 64 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. Damit bewerten die Sachsen-Anhalter dies ganz ähnlich wie Befragte aus dem gesamten Bundesgebiet. Für Sachsen-Anhalt bedeutet dies jedoch eine Abkehr vom Trend der vergangenen Jahre, indem das Gerechtigkeitsempfinden das Ungerechtigkeitsempfinden dominierte. Aktuell liegt damit wieder das Ungerechtigkeitsempfinden deutlich vorn.

 

Die Mehrheit der Sachsen-Anhalter verortet sich politisch vornehmlich in der Mitte (42 Prozent). Differenzierter betrachtet wird erkennbar, dass dabei das Mitte-Links-Spektrum insgesamt stärker besetzt ist als das Mitte-Rechts-Feld. Dies war in den vergangenen Sachsen-Anhalt-Monitoren von 2020 und 2018 ebenso. Das Verteilungsmuster zeigt sich relativ konstant und unterscheidet sich nur leicht von dem vor drei Jahren. Anzumerken ist aber, dass die Mitte-Rechts-Position zugenommen hat. Beispielsweise sind Parteianhänger der Linken und der SPD weiter Richtung Mitte gerückt. Diese Tendenz ist in Ostdeutschland und auch in Sachsen-Anhalt stärker ausgeprägt als in Westdeutschland.

 

Im Hinblick auf die 2018 neu aufgenommenen Fragestellungen zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) lässt sich folgendes sagen: Die Anteile derjenigen Sachsen-Anhalter, die einzelnen Facetten der GMF voll und ganz zustimmen, liegen im deutschlandweiten Vergleich teilweise leicht über oder unter dem bundesweiten Durchschnitt. Bei asylkritischen und fremdenfeindlichen Einstellungen fallen die Anteile im Land teilweise deutlich höher als im Bundesdurchschnitt aus. So glaubt jeder vierte Befragte in Sachsen-Anhalt, dass die meisten Asylbewerber nur vorgäben, in ihrer Heimat politisch verfolgt zu werden, und ihrem Land folglich aus freien Stücken oder aus wirtschaftlichen Gründen den Rücken kehren. Bundesweit sind nur knapp 9 Prozent dieser Ansicht. In eine ähnliche Richtung finden es auch mehr Sachsen-Anhalter als der Bundesdurchschnitt nicht gut, wenn der Staat bei Asylanträgen großzügig wäre. Hier sprechen sich doppelt so viele Sachsen-Anhalter dagegen aus. Auch bei der Frage, ob Muslimen der Zugang zu Deutschland verweigert werden sollte, stimmen der Aussage doppelt so viele Sachsen-Anhalter zu wie im deutschen Durchschnitt. Die Forderung nach einer Höchstgrenze für Flüchtlinge findet landesweit eine etwas größere Zustimmung als vor drei Jahren (+5 Prozentpunkte). Rund 25 Prozent der Sachsen-Anhalter befürchten, die Aufnahme von Geflüchteten ginge mit einer Absenkung des Lebensstandards für Deutsche einher. In diesem Zusammenhang ist auch der Anteil derer im Land angestiegen, die finden, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gibt (+8 Prozentpunkte).

 

Beim Themenfeld Antisemitismus stimmen 2023 etwa 4 Prozent (+1 Prozentpunkt) dem „Phantasma jüdischer Macht“ das heißt der Meinung zu, Juden hätten in Deutschland bzw. auf der Welt zu viel Einfluss (klassischer Antisemitismus). Ein ebenso kleiner Teil glaubt, Juden hätten quasi-natürliche Eigenschaften, welche ihre Verfolgung rechtfertigen würde. Die in Sachsen-Anhalt gemessenen Anteile entsprechen dem deutschlandweiten Niveau. Der Anteil derer, die den Ansichten eines sekundären Antisemitismus beipflichten, liegt aktuell in Sachsen-Anhalt deutlich höher als 2018 und 2020. Fast jeder vierte empfindet es als lästig, auch heute noch mit Informationen über den Holocaust konfrontiert zu werden und sogar jeder dritte (+14 Prozentpunkte) nimmt mit Missbehagen zur Kenntnis, dass den Deutschen auch heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werden. Einer israelbezogenen Kritik am jüdischen Volk stimmt eine Minderheit von im Schnitt gut 6 Prozent der Sachsen-Anhalter zu. Hier lassen sich keine Veränderungen in den ermittelten Werten feststellen.

 

Gefragt nach dem derzeitigen Einfluss des Russland-Ukraine-Krieges auf die wirtschaftliche Lage in Sachsen-Anhalt geht die Mehrheit der Befragten von „ziemlich starken“ (38 Prozent) Auswirkungen aus. Insgesamt sprechen über die Hälfte der Sachsen-Anhalter von einem „sehr starken“ oder „ziemlich starken“ Einfluss (56 Prozent). Demgegenüber sprechen gerade einmal 11 Prozent von einem „weniger starken“ bzw. „überhaupt keinem“ Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Bundeslandes.

 

Nach dem derzeitigen Einfluss des Russland-Ukraine-Krieges und dessen Auswirkungen auf die eigene wirtschaftliche Lage gefragt, zeigt sich ein leicht anderes Bild als im Vergleich zur Lage für Sachsen-Anhalt. Die Mehrheit der Befragten geht hier von einem „mittelmäßigen“ (31 Prozent) Einfluss auf die eigene Lage aus. Dennoch spricht sich über ein Drittel der Befragten (37 Prozent) für einen „sehr starken“ oder „ziemlich starken“ Einfluss auf ihr eigenes Leben aus. Die Gruppe derjenigen, die einen „weniger starken“ oder „überhaupt keinen“ Einfluss auf ihre eigene wirtschaftliche Lage angeben ist größer als bei der Frage nach den Auswirkungen auf das gesamte Bundesland und liegt bei gut einem Drittel der Befragten (32 Prozent).

 

Im Rahmen des Fragebogens wurden die Sachsen-Anhalter ebenfalls gebeten, konkrete Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges im Rahmen einer offenen Frage anzugeben. Von den Befragten werden die folgende Hauptkategorien in absteigender Reihenfolge genannt:

 

(n = 20)

 

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: „Die Gründe für die Unzufriedenheit der Menschen und für den Vertrauens- und Akzeptanzschwund sind vielschichtig. Vor allem die Politik, und zwar auf allen Ebenen, ist gefordert. Aus den Analysen müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Verlorenes Vertrauen kann zurückgewonnen werden. Und ich kann nur an jeden Einzelnen appellieren, sich einzumischen und unsere Gesellschaft mitzugestalten. Zur Stärkung unserer Demokratie können wir alle beitragen.“

 

Bildungsministerin Eva Feußner: „Die Ergebnisse des jüngsten Sachsen-Anhalt-Monitors machen mir Sorgen. Gleichzeitig sind die Daten ein großer Ansporn, jetzt nicht nachzulassen, die Demokratiebildung voranzutreiben und weiterzuentwickeln – und zwar präventiv von Beginn an in den Schulen, als auch interventiv in der politischen Erwachsenenbildung.“

 

Der Sachsen-Anhalt-Monitor ist abrufbar unter www.lpb.sachsen-anhalt.de

 

 

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